Wenn Hollywoodstudios Fortsetzungen ablehnen, dann handelt es sich meistens um die feuchten Traumprojekte in ihrer Arbeit vernarrter Autoren und Regisseure, deren Produktionsausstoß beim Publikum nicht ausreichend Anklang fand. Dass ein Studio sich weigert einen überaus profitablen Film fortzusetzen, ist dagegen nahezu mit einem Wunder gleichzusetzen. Und genau dies geschieht derzeit in Burbank.
Die romantische Komödie Selbst ist die Braut mit Sandra Bullock nahm trotz durchwachsener Kritiken bei einem Budget von 40 Millionen US-Dollar weltweit über 314 Mio. $ ein. Wie die LA Times verwundert meldet, gab der Konzern den Produzenten dieses gewinnbringenden Films unmissverständlich bekannt, dass keinerlei Interesse an einer Fortsetzung besteht, was im Onlineartikel mit "Es scheint, als würde jemand bei Disney jedes Mal, wenn man sich umdreht, das alte Geschäftsmodell in die Luft sprengen und durch ein flottes, neues Paradigma zu ersetzen" kommentiert wird. Das kann man beinahe ohne jegliche Einwände unterschreiben, die Disneystudios fühlen sich so an, als steckten sie mitten in der Pubertät und würden deswegen alles traditionelle in ihrem Business über den Haufen fahren. Der Verzicht auf das Sequel zu einer schwer fortsetzbaren RomCom gehört auf jeden Fall zu den besten Entscheidungen dieser rebellischen Phase und hat deswegen meine vollste Unterstützung.
Stellt sich bloß die Frage, welcher Geisteshaltung wir diese Verschonung zu verdanken haben. Erlitt der zuvor beim Disney Channel tätige Disneystudio-Geschäftsführer Rich Ross etwa einen Rückfall und vermisst die rosa Glitzerkuschelwelt von High School Musical, Hannah Montana und Co., die sich mit der etwas erwachseneren Welt dieses Films biss? Oder setzt er sein Mantra "mehr Eventkino!" mit "mehr gigantisches Krawumm!-BaBOOM!!-Kino!!!" gleich und versetzt deswegen sämtlichen Produktionen ohne überhöhten Testosteronpegel den Gnadenstoß? Das kann eigentlich nicht angehen, schließlich forderte Rich Ross im selben Atemzug mehr Rücksicht auf die weiblichen Kinogänger, weshalb er Born to be wild 2 auf der Stelle kalt machte.
Tatsächlich ist auch nicht Rich Ross der Strippenzieher hinter dieser Entscheidung. Viel mehr ist es Robert Iger, der sich seit dem Rauswurf Dick Cooks drauf und dran macht die Disney-Filmstudios zu sanieren. Dazu verfolgt er zwei Grundgesetze. Eines kennt der erfahrene Disneyfreund noch aus Eisners früher Geschäftsphase (damals, als er noch nicht völlig durchgeknallt war) und es lautet: Wozu brauchen wir gigantische Stars?
Mitte der 80er bauten Frank Wells und Michael Eisner die Disney-Realfilmstudios, vornehmlich die Touchstone-Sparte, zur Talentschmiede und Rehabilitationsklinik für ausgebrannte Hollywoodstars aus, statt hohe Gehälter an etablierte Größen zu bezahlen. So verhalf man unter anderem Bette Midler, Tom Hanks, Robin Williams und Nick Nolte zum (Neu-)Start ihrer Karriere. Diesen längst verlassenen Pfad möchte Disney wieder betreten und verstärkt preisgünstige Thriller und Komödien mit bereits unter Vertrag stehendem Personal oder verhältnismäßig unbekannten Darstellern verwirklichen.
Anders als in den 80ern möchte man sich im Realfilmdepartement allerdings nicht gänzlich auf solche Low-Budget-Produktionen verlassen. Und hier greift Bob Igers Lebensmotto: "Wir müssen unsere Marken ausbauen!"
Denn der andere Typus von Film, auf den Disney es vermehrt abgesehen hat, ist das 200-Millionen-Dollar-Giga-Mega-Spektakel. Iger will aus dem Disney-Filmkatalog einen Hochglanz-Markenkatalog gestalten. Der Disney-Meisterwerk-Kanon, Pixar, Marvel, Pirates of the Caribbean, die Vermächtnis-Reihe, weitere Bruckheimer-Spektakel (was passiert mit Disney eigentlich, wenn Bruckheimer eines morgens aufwacht und feststellt, dass er mit all seinem Geld von nun an lieber Urlaub macht, statt es in neue Filme zu stecken?), und so weiter.
Dass Iger zweigleisig fährt, erleichtert mich ungemein. Bislang hörte man bei Disney in solchen Fällen stets nur einseitiges, in manchen Phasen wollte man an allen Ecken und Endne knausern, ein ander Mal das Geld im großen Stil verpulvern und in Markenausbau investieren. Ersteres geht auf Dauer nicht gut, letzteres ebenso wenig, denn wo will man bitte das Material für neue Marken herkriegen, wenn man nichts neues wagt? Die plötzlich wie ein Erfolgsfranchise behandelte Vermächtnis-Reihe mit Nicolas Cage etwa war 2004 noch ein Sprung ins lauwarme Wasser. Okay, es war ein Bruckheimer-Actionfilm, doch er basierte auf keinerlei zuvor bekanntes Material. Überhaupt kamen in der Geschichte Hollywoods (und Disneys!) viele wertvolle Filme einfach aus dem Nirgendwo. Da kann man sich nicht allein auf Franchises ausruhen.
Dennoch müssen mich Iger und Ross noch überzeugen. Ihre bisherige Handlungsweise ist nämlich etwas inkonsistent. Wenn man sich auf zugkräftige Marken konzentrieren will, weshalb verkauft man dann Miramax? Neben "Walt Disney Pictures" ist Miramax wohl das Studio, dem man am stärksten eine eigene Identität zuschreiben konnte. Realfilme von Warner, Fox, DreamWorks, Paramount, Universal oder Columbia unterscheidet nur das Eröffnungslogo. Miramax hingegen hatte einen distinktiven Charakter. Klar, es gab Filme, die auch andere Studios hätten machen können, aber es gab auch ganz typische Miramax-Streifen. Und auf diesen Namen verzichtet man einfach...
Wie dem auch sei. Seit Cooks Abgang wurde bei Disney mehr eingestampft, als aufgebaut. Nicht, dass man um Wedding Banned, Born to be wild 2 oder Selbst ist die Braut 2 trauern müsste. Aber ein Studio lebt mehr von dem, was es produziert, als von dem, was es einstellt.
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