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Freitag, 25. Dezember 2009

Wo die wilden Kerle wohnen

Der einstige Musikvideoregisseur Spike Jonze machte sich bei Filmliebhabern dieser Welt bislang durch Arbeiten einen Namen, die auf Drehbüchern von Charlie Kaufman, Hollywoods Vorzeige-Groteskenautor mit intellektuellem Anspruch, basieren und die Grenzen zwischen Realität, Fiktion und Fiktion-innerhalb-der-Fiktion verschwimmen ließen.
Obschon Wo die wilden Kerle wohnen bei weitem nicht solche verworrene Züge annimmt wie Being John Malkovich und Adaption, lässt Jonze auch in seiner abendfüllenden Verfilmung des nichmtal 400 Wörter umfassenden Kinderbuches die Definition von Realität und Fantasie zurückfallen und prescht kühn in eine kindliche Welt voran. Doch Jonzes Gefühls- und Gedankenwelt gleicht der üblichen Vorstellung Hollywoods dessen, was Kinder bewegt, nichtmal ansatzweise, sondern ist ein komplexes Konstrukt aus Angst, Unsicherheit und nicht ausformulierbaren Emotionen. Nicht umsonst erklärt Jonze, dass Wo die wilden Kerle wohnen kein Kinderfilm sei, sondern einer über die Kindheit. Die nachdenkliche, expressionistische und bedrückende Geschichte des kleinen Max', der nach einem Streit von zu Hause ausbricht und auf eine ferne Insel voller Monster segelt, ist durchaus kindgerecht umgesetzt worden, den größeren Nährwert werden aber Erwachsene aus ihr ziehen.

Stilistisch stets nah an der Vorlage von Maurice Sendak, taucht Jonze seinen Film in graubraunen, dunklen Tönen und lässt die Leinwandgeschehnisse stets in einer unwohlen, nachdenklichen Stimmung schweben. Selbst das größte Glück hat einen schalen Nachgeschmack und ist bloß von kurzer Dauer.

Die einzige, durchgehende Konstante in der ungezähmten, ambivalenten und wechselhaften Welt von Wo die wilden Kerle wohnen ist der erstaunliche Kinderdarsteller Max Records. Der 1997 geborene Jungdarsteller hat außerordentliches Talent und spielt kraftvoll, ohne je aufgesetzt zu wirken. Ihm gelingt es, die von Jonze angelegte Ambivalenz und die komplexe Charaktereigenschaften seiner nicht wirklich sympatischen Figur perfekt auszudrücken, so dass man selbst als vom Verhalten des Charakters Max gegenüber seiner Familie distanzierter Zuschauer gebannt die Handlungen dieser Figur verfolgt.

Tricktechnisch ist Wo die wilden Kerle wohnen makellos, die durch Jim Hensons Creature Shop verwirklichten wilden Kerle sind greifbar, die computeranimierten Gesichter haben eine glaubhafte Mimik. Die visuelle Gestaltung der Monster und ihrer Umwelt ist zugleich atemberaubend, aufregend und bedrückend. Die stellenweise hyperaktiv zappelnde Handkamera macht es jedoch schwer, diese Schönheit ausgiebig zu würdigen. Zwar ist erkenntlich, dass die wilde Kamera die Ungestümtheit Max' repräsentieren soll, allerdings sollten solche Konzepte nicht gänzlich auf Kosten der Übersichtlichkeit vollzogen werden.

Trotz allem ist Wo die wilden Kerle wohnen für mich eine Enttäuschung. Die Eriegnisse plätschern ohne Spannungsbogen vor sich hin und selbst die Eskalation gen Schluss hätte ich mir intensiver gewünscht. Ich hätte mir auch aktivere wilde Kerle gewünscht, der Fokus liegt mir zu stark auf Max' Liebling Carol, während andere der Monster unausgeschröpft durch den Hintergrund stapfen. An manchen Stellen geriet ich in Zweifel, ob die Figur Max wirklich komplex durchdacht ist und fing an zu vermuten, dass Max stattdessen eine unachtsam uneinig charakterisierte Figur ist. Und vor allem habe ich mir einen unkonventionelleren, düsteren und beklemmenderen Film gewünscht. Zu oft fängt Jonze die von ihm vorbereitete, raue Atmosphäre durch übereilte kleine Kniffe wieder auf, statt den Moment etwas weiter auszukosten.

Wo die wilden Kerle wohnen ist zwar ein guter, anspruchsvoller Familienfilm mit schwer vergleichlicher Stimmung, aber leider sehe ich in ihm nicht das Herausragende, was ich mir versprochen hatte. Statt einer Radikalkur liefert Jonze eine grau-braun eingefärbte Abwandlung ab, die durchaus zu inspirieren weiß, jedoch neben dem angenehm nachdenklichen Nachgeschmack auch eine Leere hinterlässt, durch die man bemerkt, dass noch mehr drin gewesen wäre.

Somit ist Wo die wilden Kerle wohnen zwar für Liebhaber der Vorlage und/oder intelligenten Familienfilmen einen Blick wert, aber zugleich der mit Abstand schwächste Spike-Jonze-Film. Scheinbar bin ich doch mehr ein Anhänger von Charlie Kaufmans Drehbüchern als von Spike Jonze.

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3 Kommentare:

  1. Du magst wohl recht haben, dass die Spannungskurve ziemlich schwach ist und der Film nie wirklich einen absoluten Höhepunkt erreicht, doch meiner Meinung nach ist der Film eine sehr gute Studie über Leben in der Gemeinschaft und Gruppendynamik.
    In "Wo die wilden Kerle wohnen" werden die einzelnen Begierden und Ansprüche, die zB wie hier ein Kind an seine Mutter stellt, sehr genau dargestellt mit Hilfe der "Wilden", indem er jedem eine dieser Eigenschaften zuordnet und sich dann mit ihnen auseindandersetzt. Am Ende muss der Junge dann erkennen, dass das alles gar nicht so einfach ist, auf die verschiedenen Probleme einzugehen und diese zu lösen, obwohl er bestrebt ist keinem Weh zu tun.
    Spannungskurve hin oder her, der Film hat mir sehr gut gefallen und hat es verdient bei den Oscars nominiert zu werden.
    Abschließend möchte ich noch hinzufügen, dass der Film sogar besser ist als das Buch, da im Film viel mehr auf die einzelnen Wilden eingegangen wird und die Story dichter ist.
    Außerdem hast du vergessen den Soundtrack zu erwähenen :P, welcher genauso Oscar würdig ist, wie der Film an sich!

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  2. Max hat sich sein Wolfskostüm angezogen und macht Unfug. Seine Mutter schimpft ihn, dass er ihr „wilder Kerl“ sei und schickt ihn ohne Abendessen ins Bett. Max' Zimmer verwandelt sich daraufhin in einen Wald. Er steigt in sein Segelboot und fährt zu den Wilden Kerlen, großen Monstern, die sich von ihm zähmen lassen und ihn schließlich zu ihrem König machen. Aber Max bekommt Heimweh (und Hunger) und segelt zurück. Wieder in seinem Zimmer angekommen, stellt er fest, dass das Abendessen auf dem Tisch steht und noch warm ist.

    - Was erwartest du aus dieser Vorlage?
    Die Wilden Kerle entsprechen übrigends ganz fut den Illustrationen und einige, wie der Stier, haben im Buch auch nie etwa zu sagen und sind immer nur im Hintergrund zu sehen...

    Ich fand den Film gut, aber ich war auch vermutlich eines der wenigen deutschsprachigen Kinder die das Buch in ihrer Kindheit gelesen hatten...

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  3. Ich möchte nicht schreibfaul wirken, kann meine Meinung in Lettermans Beitrag jedoch sehr gut wieder finden.

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