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Montag, 21. Dezember 2009

Bruckheimers weihnachtlicher Verzicht auf Effektgewitter

Jerry Bruckheimer. Erfolgsproduzent und Miterfinder des modernen, schnell geschnittenen Blockbusters mit klar umrissenem, schnell verständlichem Konzept. Sofort assoziiert der Kinofan diesen Namen mit explosiven, rasanten Actionfilmen wie Der Staatsfeind Nummer 1, Con Air oder The Rock. Neuerdings fand Bruckheimer eine neue Heimat unter dem Disney-Markennamen und produziert erfolgreich spannende Actionfilme, die den Adrenalinpegel im Herzen junggebliebener Abenteurer in die Höhe schwellen lassen.

Der charismatische Produzent mit der goldenen Spürnase ist dank seiner zahlreichen, enormen Kinoerfolge ein unerlässlicher Teil des Disney-Konzerns geworden, und so wundert es nicht, dass Bruckheimer von Disneys Geschäftsführung besonders wertgeschätzt wird.
Bruckheimers Produktionen werden immer wieder erfolgreich neu für den Heimkinomarkt aufgelegt. Kein Wunder, sind sie ja hervorragendes Vorführmaterial für die neusten Glanzleistungen der Technik und zugleich ungeheuer unterhaltsam.

Die fruchtbare Verbindung zwischen Disney und Bruckheimer begann 1994. Michael Eisner und Frank Wells holten den Produzenten zusammen mit seinem Geschäftspartner Don Simpson ins Boot, um ihren Studios nach den segensreichen späten 80ern wieder eine Glückssträhne im Erwachsenenbereich zu verschaffen und den Disney-Konzern endlich im Bereich der Actionproduktionen zu etablieren. Bruckheimer und Simpson bescherten zuvor Paramount, der alten Heimat von Michael Eisner, solche Hits wie Beverly Hills Cop und Top Gun, und genau solche Filme sollten nun für Disney produziert werden.

Das geschah auch, und zwar mit schier unglaublichem Erfolg. "Mr. Blockbuster" stärkte seine Position in Hollywood noch mehr und konnte seinen Namen in eine feststehende Marke verwandeln.

Doch es gibt da einen Film, der oft vergessen wird. Wenn Disney zum wiederholten Male seine Kollektion an Jerry-Bruckheimer-Produktionen hervorholt, wird diese Produktion schnell unter den Teppich gekehrt. Denn dieser Film fällt aus dem Schema eines typischen Bruckheimer-Filmes, sowohl inhaltlich, als auch erfolgstechnisch.
Es war Bruckheimers erste Arbeit für den Disney-Konzern, und sie wurde prompt ein Flop. Völlig zu unrecht.

Meine Damen und Herren, ich erbitte mir mehr Respekt für...

No Panic

No Panic (in den USA als The Ref, in weiteren englischsprachigen Ländern als Hostile Hostages bekannt) hat das Zeug zu einem alternativen Kult-Weihnachtsklassiker wie Stirb langsam, Gremlins oder Schöne Bescherung: Diese schwarze Komödie von Regisseur Ted Demme (Blow) lässt einen hitzköpfigen Einbrecher mit rauem Charme an ein bis aufs Blut verkrachtes Ehepaar geraten, welches er als Geisel nimmt. Eine Entscheidung, die er schnell bereut, denn nach nur wenigen Sekunden des Schocks verlassen Caroline und Lloyd Chasseur ihre Opferrolle und beleidigen sich unbeirrt weiter, als wäre ihr Entführer gar nicht da.

Der Clou an dem nicht völlig abgegriffenen, aber ebenso wenig frischem "Entführer wird von Geisel genervt"-Konzept in No Panic ist, dass dieser derbe und schmerzhaft ehrliche Ehekrach an Weihnachten stattfindet, und sich im Herzstück des Films während eines "gemütlichen" Familien-Festtagsschmauses abspielt, während dem sich der Räuber Gus als Therapeut zu tarnen versucht. Von dessen Anwesenheit abgesehen, kann sich wohl jeder in dieser Situation wiederfinden, denn wenn die gesamte Familie lange genug beisammen sitzt kommt es gerne Mal zu hitzköpfigen Wortwechseln. No Panic treibt dies mit seinen gekonnten Dialogen über das Vernachlässigen der ehelichen pflichten, die Unfähigkeit sich von seiner Mutter zu lösen und duckmäuserische Charaktereigenschaften sowie der explosiven Figurenzusammentsellung pointiert auf die Spitze.

Dass No Panic trotz allem beim Zuschauer kein "Kriegstrauma" wieder wachrüttelt, sondern genüsslich betrachtet und belacht werden kann, haben wir vor allem den gut aufgelegten Darstellern zu verdanken, die ihren karikierten Figuren einen greifbaren, natürlichen Kern verleihen, allen voran Denis Leary (Diego in der Ice Age-Trilogie), der seinen Charakter Gus nimmt und von einem Urtypus des charmanten Ganoven (ihr wisst schon, der tunichtgute Lebenskünstler, der keine andere Wahl hatte und aussteigen will), und etwas eigenes aus ihm macht. Auch Kevin Spacey als sexuell eingeschlafener, gehörnter Ehemann und Judy Davis als sämtliche Beschwerden über ihren Gatten nach aussen tragende Ehefrau sind grandios.

Ebenfalls sehr lustig, wenngleich sie viel zu selten zu Wort kommt, ist Christine Baranski (Cybill, Mamma Mia) als lästige, dominante und zickige Schwägerin, der Weihnachten nicht traditionell genug gefeiert werden kann.

Die tiefer gehende Ergründung der Chausseur-Eheprobleme ist schlüssig und lässt No Panic zwischendurch ins dramatische gleiten, was den Figuren mehr Tiefe verleiht. Dabei wird es stellenweise auch ein wenig rührselig, und vor allem der Subplot über den Gus nacheifernden Sohn des verkrachten Ehepaares ist zu zuckrig und altbekannt.

Dies hält sich allerdings zeitlich in Grenzen und ist obendrein im Weihnachtssubgenre recht schnell zu verschmerzen.
Bruckheimers erste Produktion für den Disney-Konzern mag nicht sein rasantestes Werk sein, aber es ist eine bodenständige, schwarze Komödie mit herrlich fiesen Wortgefechten, die jedem, der schonmal in Mitten eines Familienkraches stand das Herz und das Zwerchfell erwärmen wird.

Und deshalb hat No Panic mehr Respekt verdient.

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1 Kommentar:

  1. Jo, sehr schöner Film, nur gegen Ende geht ihm ein klein bisschen die Luft aus. Wäre er auf der Zielgeraden nicht noch ein bisschen konventioneller geworden, hätte es ein richtiger Kultfilm werden können.

    Dennis Leary ist aber große Klasse. "No Panic" ist auch der einzige Film, der es wirklich schafft, Leary's Bühnen Alter Ego in einen Film zu transportieren.

    Für mich ist das Highlight des Films aber Glynis Johns. Das war schon ein echter Casting-Coup, ausgerechnet Mrs Banks aus "Mary Poppins" zur Keifenden und fluchenden Schwiegermutter zu machen. Die Rolle ist leider viel zu klein.

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