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Als ich dann (zugegebenermaßen sehr) kurz in die für eine Oscar-Nominierung zugelassenen Songs reinhörte, bekam Repo! von mir schon ein paar Pünktchen gut geschrieben. Vielleicht schau ich mir den Film irgendwann Mal an, eventuell leih ich ihn aus oder ich warte bis er mir im Fernsehen begegnet... Darauf, dass sich jemand den ich kenne den Film tatsächlich holt, so dass ich mir ein Bild von ihm machen kann, hatte ich nicht wirklich gesetzt. Wer holt sich schon eine Rock-Oper im Sci-Fi-Goth-Gewand mit musikalischen Metal- und atmosphärischen Horror-Einlagen, wenn Paris Hilton mitspielt und der Kerl von Saw II die Fäden in der Hand hielt?
Ich hätte es besser wissen müssen, denn gen Mitte dieses Jahres geschah genau dies (schöne Grüße!) und ich durfte mich dann des nächtens selbst von Repo! The Genetic Opera überzeugen, nachdem ich von unerwartet hellen Lobgesängen ob dieses Films überrascht wurde.
Und, wow, was soll ich sagen? Erinnert ihr euch daran, wie geschockt ich damals war, als Disney es vollbrachte mit TinkerBell und High School Musical 3: Senior Year zwei Filme zu machen, die mich vollends überzeugten? Ich war nicht überrascht, ich war geschockt, dass HSM 3 mir tatsächlich richtig gut gefiel, und das auf die ehrliche Art, nicht durch die rosarote, mit Glitzer bestäubte ironische Campinessbrille, so wie bei HSM 2...
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Zwar mag es Regisseur Darren Lynn Bousman etwas mit dem Weichzeichner übertrieben haben, abgesehen davon überschwemmt Repo! The Genetic Opera die Sehnerven des Betrachters auf beeindruckende Weise mit einer einfallsreichen Mischung aus comichafter, zerfallener Sci-Fi-Dystopie und kontrastreichem Gothic-Horror, gekleidet in einer eingenebelten, verrotteten Pop-Art-Farbpalette.
Auf diesen originellen und in sich stimmigen, überwältigen Stilmix konnte ich mich schnell einstellen, ebenso wie auf das nicht minder komplexe Musikspektrum von Repo! The Genetic Opera, der von einem sachte modernisierten Klang klassischer Oper über simplen, schnell vorantreibendem Rock und Teen-Punk hin zu symphonischem Metal und epochalem Gothic-Rock sowie im Kinderreim gehaltenen Stücken mit Industrial-Anleihen reicht. Repo! versteht sich nicht umsonst als eine Oper des 21. Jahrhunderts und dürfte für all die harten Kerle da draußen, deren Freundin auf eher klassischeres Material steht ein kleines Gottesgeschenk sein (oder umgekehrt, denn für alle Freunde eher klassischeren Materials, die sich durch das wilde Gitarrengeschrammel hören müssen, das ihre härtere Hälfte so gerne einlegt, wird Repo! bestimmt ebenfalls ein schöner Kompromiss sein). Allerdings könnte Repo! gerade durch seine Kombination von Oper und düsterem Rock bei einigen musikalischen Gemütern sicherlich zu einer Gehörgangüberlastung führen, vollkommen unabhängig davon wie flüssig diese Symbiose von statten geht und wie sehr sich die zwei Seiten einander ergänzen.
Nach meiner ersten Begnung mit Repo! war ich schließlich von der audiovisuellen Wucht Repo!s so erschlagen, dass die inhaltliche Seite völlig unterging. Exakt dies ist einer der größten Kritikpunkte, den man an der Sci-Fi-Horror-Rock-Gotch-Oper bemängeln könnte, denn die augenzwinkernde Handlungsebene, die unter anderem die Massenmedien und den Schönheitswahn mit unprätentiösem, bösen Grinsen an den Pranger stellt geht in den düster-farbenfrohen Bildern und hinter den heftigen Drums, Gitarreneinsätzen sowie der Arien schmetternden Star-Sopranistin Sarah Brightman leider schnell unter.
Ob es ebenso bedauerlich ist, dass bei all dem aufgefahrenen Small-Budget-Bombast die Gruselthriller-Atmosphäre etwas hinter ihren Möglichkeiten zurückbliebt ist wiederum von der persönlichern Präferenz abhängig. Repo! The Genetic Opera ist jedenfalls beklemmender als das Kult-Grusical The Rocky Horror Picture Show, welches andererseits die stärkeren Anleihen an Midnight-Horror-Movies aufzuweisen hat, während Repo! bloß ein paar Noten auf dem visuellen Klavier des Horrorgenres spielt.
Zumindest ich glaube, dass es der Sogwirkung von Repo! gut tut, dass Regisseur Bousman sich bloß am atmosphärischen Rahmen orientierte und das Gemetzel auf ein in diesem Rahmen notwendiges Minimum beschränkte, statt den audiovisuellen Rausch durch größere Schreck- und Ekelsequenzen oder ruhigere Thrillmomente zu unterbrechen.
Mancher möge sicherlich ähnliches über die Handlung behaupten, ich dagegen hätte es begrüßt, wäre Bousman eine fokussiertere Übermittlung der Handlung gelungen. So muss sich als Betrachter von Repo! schon ein wenig kontrollieren, um es der Geschichte zu ermöglichen, sich voll zu entfalten.
Das tat ich schließlich auch kurz nachdem ich mir Repo! The Genetic Opera auf DVD geholt hatte. An die Leistung im visuellen und musikalischen Bereich reichte die Geschichte zwar meiner Meinung nach weiterhin nicht heran, doch wenigstens verlor sie ihren seichten B-Movie-Nachgeschmack.
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Diejenigen, die ihre Raten jedoch nicht rechtzeitig abbezahlen werden von so genannten "Repo Men" heimgesucht, legalen Auftragskillern, die dem Schuldner da unrechtmäßig arbeitende Organ bei lebendigem Leibe herrausreißen.
Im Zentrum der Handlung von Repo! steht aber die an einer Blutkrankheit leidende 17-jährige Shilo Wallace (Alexa Vega aus Spy Kids 1 - 3), die von ihrem übervorsorglichen Vater (Anthony Head) zu Hause eingesperrt wird um sie von der belastenden Welt außerhalb des sicheren Heimes zu beschützen. Shilo lässt sich dies - wie es sich für eine ordentliche, rebellische Jugendliche gehört, nicht gefallen und bricht eines Nachts von zu Hause aus. Auf einem Friedhof begegnet sie dem mysteriösen Grabräuber (Terrance Zdunich, zusammen mit Darren Smith der Komponist und Autor dieses Films), der aus Leichen eine billige Schwarzmarktkopie der Modedroge Zydrate gewinnt. Diese schmerzlindernde, euphorisierende Droge verkauft er an Leute, die süchtig nach Schönheitsoperationen sind, wie etwa die oberflächliche, sexuell offensive und generell eher hohlbirnige Amber Sweet (vorzüglich besetzt mit Paris Hilton), ihres Zeichens selbstinszenierende, potentielle Erbin des Largo-Imperiums.
In einem weiteren Handlungsfaden verfolgen wir das Schicksal von Rotti Largo und der Sängerin Blind Meg (Sarah Brightman), welche als Firmensprecherin für GenCo. tätig ist und in dieser wieder für Opern interessierten Zukunft ein gefeierter Opernstar ist, der sich kurz vor ihrem letzten Konzert befindet.
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Dadurch verlieren die letzten Minuten von Repo! an emotionaler Schwere und die Figuren bleiben eher flach. Blass sind sie jedoch nicht, dafür sorgt die spaßige Überzeichnung bei Rottis Erben ebenso wie die volle Stimmgewalt von Alexa Vega und Anthony Head, welcher seiner Rolle die meiste Persönlichkeit verleiht. Und dann ist da noch Terrance Zdunichs undurchschaubarer Grabräuber, der mit seinen wenigen, aber prägenden Auftritten einen neuen Underground-Kultcharakter geschaffen hat.
Seine Figur ist es auch, die für mich das schlagende Argument gegen die Pläne für einen Director's Cut, ein Sequel und ein Prequel bildet. Sollte Repo! irgendwann dank seiner treuen Fangemeinde und der durchaus positiven Mundpropaganda genügend Profit eingebracht haben, so möchte sich das Repo!-Team wieder zusammenfinden, aber was man sich für den Garbräuber alles ausgedacht hat, würde diesem Fanfavoriten enorm schaden.
Fazit: Repo! The Genetic Opera ist ein berauschender, verquerer und verdorbener einfallsreicher Sinnesrausch mit enormem Kultcharakter. Zwar trifft nicht jeder der 64 (!) Songs voll ins Schwarze und man wird sich nicht unbedingt mit jedem Charakter abfinden (ich hätte sehr gut ohne Ambers überflüssige Brüder leben können), dafür besticht Repo! mit unverwechselbarer Optik und ungewöhnlicher, süchtig machender Musikgewalt.