Judd Apatow deprimiert mich...!
Jetzt ist es raus. Komödienautor, -produzent und -regisseur Judd Apatow schafft es mit seinen Regiearbeiten immer wieder mich stellenweise zu deprimieren.
Das soll allerdings keineswegs bedeuten, dass Apatow seinen Job schlecht macht - bei seinen Komödien kann ich auch immer ausgelassen lachen. Doch es gibt in ihnen stets etwas, dass mir einen Dämpfer verpasst. Und von Film zu Film wird es stärker:
Weshalb genau Jungfrau (40), männlich, sucht kurz ein wenig deprimierend wirkt, kann ich mir selber nicht erklären. Vielleicht weil Steve Carrells Figur ein zu sympatischer Verlierer ist, als dass ich ohne jedes Problem über sein Versagen lachen könnte, vielleicht ist es auch nur der Umstand, dass zum Schluss Aquarius aus Hair gesungen wird, ein Lied dessen notenfolge mir immer eine ernste Stimmungslage suggeriert.
Dass Beim ersten Mal mir trotz all seiner Situationskomik und seinem Dialogwitz in manchen Szenen einen Stimmungsdämpfer versetzt, ist schon leichter zu erklären: Apatow fing die Spannung zwischen den zwei unfreiwillig in eine Beziehung gezwungenen Hauptcharakteren vorbildlich ein und lässt zwischen den zahlreichen komischen Momenten auch die unangenehme Realität durchscheinen.
Wie das Leben so spielt führt Apatows Tendenz weiter. War Jungfrau (40), männlich, sucht eine reine Komödie und Beim ersten Mal bereits eine Komödie mit ernsten und romantischen Untertönen, ist Apatows dritte Regiearbeit eine in ihrer Länge fast schon unverschähmt ausufernde Tragikomödie.
Das Zentrum der Geschichte, in der Apatow seine Anfangsjahre in der Stand-Up-Comedy-Szene verarbeitet, bildet der berühmte und außerordentlich erfolgreiche Komiker George Simmons (Adam Sandler), der sich durch zahlreiche alberne Komödien (klare Parodien von Sandlers Erfolgsfilmen) eine imposante Villa mit Blick auf Los Angeles leisten konnte und von Jung und Alt gleichermaßen geliebt wird. Als er erfährt, dass er an einer seltenen Form von Leukämie erkrankt ist, besinnt sich der allein lebende Simmons auf seine Anfänge zurück und beschließt durch Clubs zu touren und dort wieder Stand-Up zu machen.
Dort trifft er auf Ira Wright (Seth Rogen), einen sich durch den Leben schlagenden, jungen Komiker, der seine ganz passablen Witze aufgrund Nervosität nur sehr schlecht rüberbringen kann und beim steten Erfolgswettstreit mit seinen Mitbewohnern (Jonah Hill als selbstsicherer Stand-Up-Komiker Leo und Jason Schwartzman als Sitcom-Hauptdarsteller Mark Taylor) stets den kürzeren zieht. Simmons sieht das Talent in Ira und Leo, und bittet Ira darum, dass er und Leo ein paar Witze für ihn schreiben und sich mit ihm treffen. Ira beschließt Leo nichts davon zu erzählen und fährt mit ein paar Witzen zu Simmons, der ihn als Assistent und Witzeschreiber engagiert. Weil Simmons niemand nahesteht, weiht er eines Morgens Ira in sein Geheimnis ein und bittet ihn darum ihm während seiner letzten Tage zur Seite zu stehen, indem er beispielsweise Simmons' zahlreiche Wagen für einen wohltätigen Zweck verkauft. Außerdem knüpft Simmons wieder Kontakt mit seiner früheren großen Liebe (Leslie Mann), die mittlerweile mit einem fluchenden und angeberischem Australier (Eric Bana) verheiratet ist.
Von dieser Grundkonstellation ausgehend erzählt Wie das Leben so spielt keine strigente, geradlinige Geschichte, sondern reiht unterschiedliche Sequenzen und Handlunsgentwicklungen aneinander. Apatow erzählt nicht die Geschichte eines Komikers, der zu seinen Wurzeln zurückkehrt oder die eines aufstrebenden Stand-Up-Comedians mit harschem Mentor. Er nimmt seine Charaktere und lässt sie die verschiedensten Dinge verleben. Zwar ist alles lose miteinander verbunden, jedoch könnten die einzelnen Plots gut und gerne Stoff für je einen eigenen Film liefern. Deshalb fühlt sich Wie das Leben so spielt zwischendurch verloren an - plötzlich verschwindet ein Handlungsfaden und macht Platz für eine halbe Stunde, die wie ein völlig anderer Film wirkt, in dem zufällig die gleichen Charaktere herumlaufen. So mancher Zuschauer würde Apatow deshalb sicherlich am liebsten an die Kehle springen, wer mit der Flickendecken-Dramaturgie von Wie das Leben so spielt nicht klar kommt wird sich zu Tode langweilen. Und selbst als ich einsah, dass der deutsche Filmtitel so viel besser passt als der englische Originaltitel Funny People, und der Film im Grunde wirklich nicht mehr tut als genau das zu schildern was im deutschen titel beschrieben wird, kam es mir besonders im letzten Drittel so vor, als würde Apatow den Film nie beenden wollen. Wie das Leben so spielt ist eine im doppelzünigegen Komikergewerve angesiedelte Vignettensammlung über die kleinen Ärgernisse und großen Schicksalsschläge im Leben, angereichert mit gelegentlichem Wort- und Situationswitz.
Dass die Dramaturgie zwischen dem Stil des gekonnt ausgefransten Beim ersten Mal und völliger Seperation der einzelnen Themen und Subplots des Films schwankt, tut Wie das Leben so spielt jedoch nicht wirklich gut. Da wäre es konsequenter gewesen aus dem Stoff eine TV-Serie oder einen Episodenfilm zu gestalten, denn das halbherzige Aneinanderreihen und Ineinandermischen der vielen Geschichten zehrt zu sehr am Atem der Kinobesucher.
Wenn man aber ein Auge zudrückt und sich irgendwie mit dem Aufbau von Wie das Leben so spielt arrangiert hat, wird man wenigstens mit den schauspielerischen Karrierehighlights seiner zwei Hauptdarsteller belohnt. Seth Rogen bricht aus seiner Stammrolle des lustig-herzlichen Losers aus und präsentiert sich (um einige Kilos leichter) mit der besten Leistung seiner bisherigen Karriere (und weckt so neue Hoffnungen auf seine Verfilmung von The Green Hornet), während Sandler als großer, innerlich zerrütteter Unsympath seine bislang anspruchsvollste Rolle meistert. Und Apatows Ehefrau Leslie Mann nervt kein bisschen (ganz anders als noch in Beim ersten Mal).
Das Gesamtpaket ist bei Wie das Leben so spielt dennoch weniger überzeugend als seine Einzelteile. Sämtliche Plots des Films sind gut geschrieben, die Stimmung balanciert gekonnt zwischen ernst, humorig und Galgenhumor, die Darstellungen sind gut bis sehr gut und die Einblicke in die tiefen Abgründe des Komikergewerbes sind Gold wert. Doch die behäbige Regie Apatows und die klobige Dramaturgie seines Drehbuchs verhindern, dass sich Wie das Leben so spielt wie eine abgerundete Einheit anfühlt. Er kommt eher wie ein Rohschnitt rüber, oder der wahllose Zusammenschnitt mehrerer Episoden einer Dramedy-Serie.
Für seine vielen einzelnen Szenen-Highlights, wie etwa ein Aufeinanderrasseln zwischen Leslie Mann und Eric Bana, und das Auftrumpfen von Rogen und Sandler ist der Film durchaus einen vorsichtigen Blick wert, jedoch muss man sich auf gehörige Tempoprobleme einstellen. Sandler-Fans, die einen typischen Film ihres Lieblings erwarten dürfen sich das Geld gleich komplett sparen, ebenso wie jeder, dem bereits Beim ersten Mal oder Jungfrau (40), männlich, sucht zu behäbig waren.
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