Spätestens seit dem weltweiten Erfolg von Michael Moores Waffenwahn-Dokuessay Bowling for Columbine ist eine neue Schule von Dokumentarfilmen en vouge: Die ungeniert mit der eigenen Meinung hausierenden (durch ihre Offensichtlichkeit aber nie manipulierenden), schwarzhumorigen Dokuessays, in denen der Dokumentarfilmer nicht weiter das Geschehen beobachtet, sondern selbst vor die Kamera tritt und mal geistreich und gefühlvoll, mal humorvoll das kommentiert, was um ihn herum passiert.
Einer der bekanntesten Dokumentarfilmer aus dieser Stilrichtung ist, nach Michael Moore natürlich, der 1970 geborene Morgan Spurlock, dessen Fast-Food-Selbstexperiment Super Size Me 2004 zahllose Leute ins Kino lockte, die bis dahin noch nie eine Dokumentation im Kino sahen, und auch für einen Oscar nominiert wurde. Im Jahr darauf folgte eine Dokuserie namens 30 Days, in denen Spurlock selbst für 30 Tage in eine Rolle schlüpft oder andere Menschen bei einem solchen Rollenspiel beobachtet. So gab sich Spurlock für 30 Tage als Muslime aus und in anderen Folgen verfolgte die Kamera einen Hetero, der nach der homosexuellen Subkultur sucht oder jemanden, der für 30 Tage testet wie es ist, im Rollstuhl zu leben.
2008 kehrte Morgan Spurlock zurück auf die große Leinwand, und wieder mischte er Humor mit wertvoller Einsicht. Trotz seines vielversprechenden Titels reichte Where in the World is Osama bin Laden? während seines Kinoeinsatzes nicht an die eigentlichen Erwartungen heran. Weder erreichte er finanziell die Weihen des Vorgängers Super Size Me, noch konnte er an das Kritikerlob für seine Dokusatire über fettiges Essen anschließen.
Hauptgrund dafür wird wohl eine falsche Erwartungshaltung sein, denn Morgan Spurlocks Suche nach Osama Bin Laden stellt nur den Aufhänger für eine kurzweilig vermittelten Reisebericht dar, der einen authentischen Blick auf die Kulturen des Nahen Ostens, dessen Bevölkerung und ihre ehrlichen Meinungen wirft. Spurlock geht dabei schonungslos ehrlich mit der Außenpolitik der USA um und fängt mit seiner Kamera faszinierende Selbst- und Fremdreflexionen der islamisch geprägten Welt ein. Der aufgeklärte, vorurteilsfreie Zuschauer wird darin zwar mehr Bestätigung als neue Informationen finden, aber sehenswert bleibt der Film allemal. Problematisch mag höchstens die kleine Schnittmenge an Menschen sein, die sich sowohl für dieses komplexe Thema interessieren, als auch eine lockere, amüsante Herangehensweise an die Form des Dokumentarfilms begrüßen.
Where in the World is Osama bin Laden? ist ein einfühlsames Dokuessay über misslungene Völkerverständigung und Außenpolitik, das mit bissigen und selbstbewusst albenen Momenten aufgelockert wird und so eine bedeutungsvolle Thamtik leicht verständlich und Wissbegierde weckend anpackt.
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