Las Vegas - die berühmt-berüchtigte Party- und Glücksspielstadt ist eine beliebte Kulisse für atmosphärische "Männerfilme". Ob Krimi mit einem Bank- oder Casinoraub, Glücksspiel-Thriller oder wilde Komödien über durchzechte Nächte: Die blinkende Leuchtreklamenatmosphäre der so genannten "Sin City" zieht Hollywoodautoren an wie das Licht die Motten. Und das nicht ohne Grund: Die künstliche, nur auf Zock- und Partytourismus ausgelegte Wüstenstadt versprüht dank ihrer monumentalen Hotels und dem Lichtermeer ihren ganz eigenen Charme und kann sich bei einem talentierten Regisseur von einem reinen Hintergrund zu einem atmenden Teil der Gesamtgeschichte verwandeln.
Leider verlassen sich jedoch zu viele Hollywoodstreifen auf die anziehende Kulisse, und so verkommt das Sub-Sub-Subgenre des "Las Vegas-Streifens" zu einer müden Nummer. Was man gerne als Steilvorlage sehen möchte, sieht man mittlerweile nur noch als Faulheit an. Eine Junggesellenabschiedsnachwehenkomödie die in Las Vegas spielt? Der entmutigte Filmfan winkt da doch müde ab und denkt sich "wie einfallslos, macht es euch doch nicht so leicht...".
Aber Hangover rettet im Alleingang den Ruf von Las Vegas als Filmkulisse: Die Paarung "Junggesellenabschied + Filmriss + Chaotentruppe von Freunden + Las Vegas" bedeutet hier das, was sie auch bedeuten sollte. Sie ist eine Traumkombination, die zusammen mit der hohen Gagdichte des Drehbuchs, den toll harmonierenden Darstellern aus der hinteren Riege Hollywoods und dem versierten Händchen von Regisseur Todd Phillips die wohl cleverste erbarmungslose Komödie seit langem ergibt. Denn was schnell in eine Aneinanderreihung von Ekelwitzen und Niveaulosigkeiten werden könnte, entpuppt sich als grenzenloser, moralisch schwer vertretbarer Spaß, der trotz allem über der Gürtellinie bleibt und in aller unrealistischen Verschrobenheit Bodenhaftung bewahrt.
Die Party
Die, angeblich auf den Eskapaden eines Hollywoodproduzenten basierende, Grundidee hinter Hangover ist schnell erzählt. Doug (leider zu kurz zu sehen: Justin Bartha aus den Vermächtnis-Filmen) wird endlich heiraten, und deshalb organisieren seine zwei besten Freunde und der Bruder seiner Braut die ultimative Junggesellenabschiedsparty: Ein Wochenende in Las Vegas. Nachdem die vier sich vor der prachtvollen Skyline zuprosten beginnt die wildeste Nacht ihres Lebens - an die sie sich am nächsten Morgen nicht mehr erinnern. Das könnte man ja noch verkraften, aber das völlig verwüstete Hotelzimmer hinterlässt da schon einen üblen Nachgeschmack. Zu allem Überfluss müssen unsere verkaterten und total lädierten Kumpels auch noch feststellen, dass sie in der vergangenen Nacht etwas wichtiges verloren haben: Den künftigen Bräutigam...
Mit Wunden, blauen Augen und unerklärlichen Souvenirs vom Junggesellenabschied und dafür ohne Erinnerung machen sich die drei im Hotelzimmer hinterbliebenden auf ihre Erinnerung und ihren Freund wiederzufinden. Doch mit jedem neuen Puzzleteilchen, das sie finden wird das lückenhafte Bild der Vornacht nicht etwa verständlicher, sondern immer verwirrender und abstruser.
Die Suche nach Hinweisen, was denn nun alles in der letzten Nacht geschah, dient zwar hauptsächlich als der rote Faden, der von einer schrägen Episode zur nächsten führt, doch sie ist mit so sicherer Federführung geschrieben und strukturiert, dass der Aufbau von Hangover so manchem Thriller gut zu Gesicht stehen würde. Die Auflösung ist in sich schlüssig, der Weg dahin spannend und die zahlreichen kleinen Hinweise würden den Zuschauer neugierig an den Rand seines Kinosessels rücken lassen, würde er nicht dauernd durch herzliches Gelächter nach hinten geworfen.
Dass die Darsteller allesamt weder Stars noch Unbekannte sind, gereicht Hangover zum Vorteil: Der Schwerpunkt von Hangover liegt auf der vertrackten und abgefahrenen Situation, in der sich die drei Freunde befinden und darauf, wie sie mit ihr umgehen, keiner der Darsteller sticht allein wegen seines Bekanntheitsgrades heraus. Der Alias-Nebendarsteller Bradley Cooper spielt mit cooler Gelassenheit den sein Eheleben verabscheuenden Lehrer Phil, der in Las Vegas versucht seine Truppe anzuführen, während The Office-Schauspieler Ed Helms der auf dem Papier schnell zum Klischee verkommenen Rolle des unter dem Pantoffel seiner Frau stehenden, panischen Spießers (der in der vergessenen Vornacht ordentlich über die Strenge schlug) nach seiner überzeichneten Einführung eine glaubwürdige Ehrlichkeit verleiht. Die coolste Rolle des Ensembles darf allerdings Zach Galifianakis (Into the Wild) übernehmen, der den sozial schwer verträglichen und leicht debilen Neuling in der Gruppe, Dougs künftigen Schwager Alan spielt und mit bärbeißigem Humor die härtesten Sprüche des Films vom Stapel lässt.
In kurzen Auftritten dürfen außerdem noch Heather Graham (Scrubs, Boogie Nights) mit süßem Charme, Mike Tyson mit schlagkräftigem Humor und Ken Jeong (Ananas Express) mit einer grandios überzeichneten Darstellung bestechen. Jeong wird in der deutschen Synchronfassung übrigens von einem grandios aufgelegten, brüllend komischen Axel Malzacher gesprochen.
Was Hangover schließlich zusammenhält, ist das gelungene Las-Vegas-Feeling. Obwohl man, der Handlung entsprechend, nicht viel von Las Vegas bei Nacht zu sehen bekommt, schafft es Todd Phillips seiner Komödie eine ausgelassene, befreite Stimmung zu verleihen und dabei trotzdem dem angegriffenen Zustand und Kater seiner Charaktere gerecht zu werden. Man weiß nicht, ob man die Figuren beneiden oder schadenfroh über sie lachen soll, weil sie so dick auf die Nase geflogen sind. Am Ende obsiegt eine "schadenfrohes mit ihnen mitlachen" - und in einer solchen Stimmung eingebettet können die derben, frechen und absurden, lauten Späße, die coolen Sprüche und die charmante "ja, gut, sowas kann ja Mal passieren"-Bodenhaftung so richtig fruchten.
Hat Hangover eigentlich irgendwelche Schattenseiten?
Schwer zu sagen. Zum einen wünscht man sich zum Schluss dann doch, auf irgendeinem Weg mehr von Las Vegas gesehen zu haben (vielleicht schafft die geplante Fortsetzung Abhilfe?), und dann könnte der Soundtrack noch einen Tick besser sein. Es gibt einige wirklich geniale musikalische Momente und man spürt, dass mit einem etwas höheren Musikrechtebudget ein Kultsoundtrack möglich gewesen wäre. So jedoch fällt der musikalische Rest des Films gegenüber seinen Parademomenten ab.
Das sind jedoch schnell zu vernachlässigende Wehwehchen, mit denen man sich schnell arrangieren kann. Ärgerlicher ist da schon, dass der deutsche Verleih im saukomischen Abspann augenscheinlich eine kleine Zensur vornahm, um sich eine FSK-Freigabe ab 12 Jahren zu sichern. Es hat zwar keinen Einfluss auf den Witz oder die Story und wird nur denen auffallen, die von den überraschten Reaktionen auf US-Webseiten ("Wie konnte das ein R-Rating bekommen?") Wind bekamen, schade bleibt es dennoch.
Fazit: Hangover ist eine freches und derbes, aber nie ekelhaftes oder beleidigendes Non-Stop-Komödienhighlight mit Kultpotential und einem perfekt harmonierendem Ensemble, das einen nach der nächsten ausgelassenen Feier sehnen (und den darauf folgenden Morgen fürchten) lässt.
Weitere Rezensionen:
- 21
- Brüno
- Team America
- Scary Movie 4
- Nichts zu verzollen
- Tropic Thunder
- Crank 2: High Voltage
- Hangover 2 (Quotenmeter-Kritik und Kommentar im Blog)
- Bad Teacher (Quotenmeter-Kritik und Kommentar im Blog)
3 Kommentare:
Holla die Waldfee, wie kommt es, dass du in den Film schon warst, obwohl er erst Offiziel am 23. Juli in die Kinos kommt?
Deine Rezension nebenbei gefällt mir und mach Lust auf den Film.
"Vorpremiere" heißt das Zauberwort.
Und vielen Dank für's Lob. :-)
War gestern in einer Sneakpreview und hab "The Hangover" erwischt, genialst.
Der Film hat uns wirklich gut untheralten und seine Wirkung nicht verfehlt. Erste Frage nach dem Film war "Und wann fahren wir nah Vegas?". *g*
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