Die Winde sind unnachgiebig, das Wetter ist launisch. Ein jeder Freibeuter muss das einmal erfahren, so auch die in diesem Blog seit ihrem grandiosen Debütalbum ausführlich und wiederholt gepriesene Crew der schnittigen Schottengaleone Alestorm.
Die vierköpfige Piratenmetal-Rockband aus Schottland machte vor wenigen Monaten einige Besetzungsänderungen durch, doch jetzt hat sich das stetige Mannschaftsgewechsel endlich beruhigt. Somit sollte der Seegang eigentlich ganz angeneh sein, oder?
Nicht unbedingt, denn das stolze Schiff der inoffiziellen Lieblingsband dieses Blogs gerät derzeit dennoch gehörig ins Wanken. Allerdings nicht um in bester Up is Down-Manier alles auf den Kopf zu stellen und für eine großartige Filmszene mit noch besserem Score zu sorgen. Viel eher ist es einfach nur ein fieses Ungewitter. Gefahr zu Kentern läuft die den Alkohol glorifizierende Rasselbande von jungen Seebären zwar noch nicht, doch vom Swashbuckler-Megaspaß Dauererfolg des letzten Jahres ist sie überraschend weit weg.
Genug der für Süßwassermatrosen unerträglichen Seefahrts- und Piratenabenteuermetaphern, jetzt wird Klartext geschrieben: Die im Januar erschienende neue EP von Alestorm namens Leviathan kann den hohen Erwartungen meinerseits einfach nicht Stand halten.
Vielleicht habe ich von der vier Tracks umfassenden Silberscheibe auch einfach zu viel erwartet, möglicherweise. Es ändert aber nichts daran, dass es trotz hammergeilem Cover-Artwork und wiederkehrenden Titelbildelementen nicht mit Captain Morgan's Revenge mithalten kann.
Fangen wir der Einfachheit halber mit dem letzten Track an: Es ist die Neuaufnahme des aus Alestorms Pre-Albumzeiten "bekannten" (im Sinne von: nur in der Szene hat man von dem Titel gehört, und dort war er mehr "berüchtigt") Heavy Metal Pirates. Entgegen anfänglicher Behauptungen hat es dieses Lied nun doch auf eine im stationären Handel zu kaufende CD geschafft, und es ist noch immer ein grundsolider Fun-Metalsong der aus dem textlich meist authentischem Piratenimage von Alestorm herausbricht. Mit mehr Augenzwinkern und modernen Einflüssen tritt Alestorm hier als genau das auf, was diese band nunmal ist: Spaß-Metaller, die sich ins Piratenthema vernarrt haben. Dem Song fehlt es allerdings an der geballten Power einiger ihrer Albentitel und trotz Augenzwinkern vermisst man auch etwas von derem ausgelassenen Spaß- und Mitgröhlfaktor.
Titel Nummer 3 ist ebenfalls schnell abgehandelt: Es ist der im letzten Juli für einige Zeit bei MySpace hoch gestellte Weiber und Wein, die deutsche Version von Wenches & Mead. Zwar muss man sich bei den ersten paar Mal anhören anstrengen um den Text zu verstehen, danach macht diese Aufnahme aber genauso viel Spaß wie das Original...
"Hey, hey, ich will mehr Weiber, hey, hey, mehr Weiber und Wein, hey, hey, ich will mehr Weiber, viele Weiber, ja dass muss sein!"
Besprechen wir nun Track 2... und hier fängt es an kritisch zu werden. Als angekündigt wurde, dass er Wolves of the Sea heißt, hatte ich ja schon böse Vorahnungen, aber woher sollte ich denn wissen können, dass ich mit diesem grausigen Verdacht richtig liegen würde?!
Wolves of the Sea ist nämlich eine Coverversion des gleichnamigen Titels der gleichnamigen Karnevalspiraten-Truppe, die beim letztjährigen Eurovision Song Contest für Lettland angetreten sind und mir musikalische Albträume bereiteten. In schlechten Piratenkostümen hopsen dämlich grinsende, hastig zusammengewürfelte Sonnenbankbewohner zu einem elektronischen Dorfdisco-Beat, während sie mit ihren Stimmchen einen überdämlichen Text daherlallen. Das schlimmste: Diese grauenhafte, einen an schmierige Kirmes-Autoscooter-Bahnen erinnernde, Stümpermelodie ist auch noch sowas von eingängig, dass man sie, so sehr man sie auch hasst, nicht mehr vergisst.
Leichtfertig schlug ich bei der letztjährigen Besprechung dieses Liedes vor, dass Alestorm Europa gerne beweisen darf, wie es richtig gemacht wird...
Liebe Alestorm-Mitglieder: Es ist ja schmeichelhaft, dass ihr diesen Blog verfolgt und meine Wünsche erfüllen möchtet, allerdings meinte ich damit, dass ihr Europa zeigen sollt, wie man gekonnt moderne Musikrichtungen in ein Piratengewand kleidet. Ich meinte damit nicht, dass ihr ausgerechnet dieses Lied neu aufnehmen sollt...
Doch alles jammern nützt nichts. Sie haben es getan. Und, in wie weit beeinflusst der Interpretenwechsel die Qualität?
Also, es sollte euch nicht überraschen, dass ich die Alestorm-Version viel besser finde als das grauselige Original. Zugleich ist es noch immer kein gutes Lied. Es macht bei Alestorm aber wenigstens trotz seiner Dämlichkeit Spaß. Heavy Metal Pirates in extrem - rein faktisch gesehen darf dieses Lied keinen Spaß machen, doch man hat ihn beim Hören. Irgendwie... ein wenig...
Alestorms rockige Neuauflage von Wolves of the Sea ist schneller als seine Vorlage, dank eingeschobener Instrumentalstrecken (das stürmische Schlagzeug zusammen mit einem dudeligenKeyboard, das an selige Super-Nintendo-Zeiten erinnert und danach ein hübsch eingebautes, kurios paradiesisches Steeldrum-Solo) aber auch etwas mehr als 30 Sekunden länger.
Für Wolves of the Sea lässt Alestorm sein Metal-Arsenal mal in der Waffenkammer und macht einfach nur flotten, piratig angehauchten Rock. Als reinrassige, harte Metal-Nummer würde das auch überhaupt nicht funktionieren. Die kräftige, zugleich spaßige Tempo-Rock-Arrangierung tut dem Lied wirklich gut und lässt einen trotz des blöden Textes und der eigentlich üblen Melodie grinsend zum Rhytmus mithopsen und den mit rauchigen Stimmen dahingegröhlten Refrain mitbrüllen. Trotzdem denkt man sich nach dem Song weiterhin: "Was für ein Dreck ist das eigentlich?". Es bleibt einfach ein blöder Song, wenn auch (in dieser Fassung) unterhaltsamer. Faszination Trash.
Wolves of the Sea ist übrigens schon der zweite Alestorm-Titel, in dessen Text über eine Figur aus Peter Pan gesungen wird. Da fragt man sich glatt, in welchem Piratenuniversum Alestorm eingeltich angesiedelt werden möchte. Nachher steuern sie doch keinen Song für Pirates of the Caribbean 4 bei, sondern für Disneys nächsten Tinkerbell-Film...
Tja. Und dann ist da ja noch der titelgebende erste Track, Leviathan. Benannt nach der mythologischem Riesenseeschlange erzählt uns der knarzende Alestorm-Sänger Christopher Bowes aus musikalische Weise, wie er und seine Crew sich auf die Suche nach diesem Ungetüm begaben um es zu erlegen und ein massives Kopfgeld einzusacken. Als sie ihm begegnen, bricht ein heftiges Unwetter aus und eine gewaltige Seeschlacht beginnt.
Mal davon abgesehen, dass sich die Schotten wohl gerne Abenteuerfilme ansehen (sie vergleichen den Mythos um den Leviathan mit dem um die Bundeslade und den Heiligen Gral *na, bei wem klingelt's?*), ist Leviathan der seetüchtigste Song dieser EP. Keine modernen Einflüsse im Text, kein Augenzwinkern und keine Saufhymnen-Melodie, die den Song gezielt zum Partykracher machen soll.
Stattdessen ist es ein waschechter Metalsong mit eigener Geschichte, die während der epischen Laufzeit von 6:04 Minuten ausgebreitet wird. Im Gegensatz zu den längeren Titeln vom Debütalbum, Captain Morgan's Revenge und Over the Seas (zwei meiner Lieblingslieder des Jahres 2008), verzichtet Leviathan allerdings auf die Eingängigkeit, die für mich bei Alestorm so unerlässlich ist. Dass rasante Drummereinsätze und rockige Gitarrenriffs mit einer im Kopf schnell heimisch werdenden Melodie gepaart werden machte für mich ihre besten Titel so herausragend. Leviathan dagegen beginnt zwar, ähnlich wie Over the Seas und Captain Morgan's Revenge, mit einem begeisternden Intro, welches die Künste von Metal, Rock und Filmsoundtrack vereint, danach stürzt die Nummer für mich aber ziemlich ab.
Zwar versucht man mit atmosphärischem Keyboardsound und vorantreibenden Drums während der nicht instrumentalen Stellen Atmosphäre zu schaffen, doch für mich bleibt die Musik in diesen Strecken wirklich einfach nur ein atmosphärisches Bewerk. Was das Lied bei dieser Laufzeit nur noch mehr in die Länge zieht und ziemlich langweilig wirken lässt.
Zwar ist der Versuch, eine etwas "dunklere", metallastigere und weniger an Filmmusik oder Fun-Metal mit Rockeinschlägen erinnernde Nummer auf die Beine zu stellen begrüßenswert, aber bei Leviathan fehlt es an markanten Strophen und dem "Wow!-Faktor" der anderen, von großen Abenteuern erzählenden Alestorm-Titeln.
Hier haben sich die Freibeuter ganz klar verhoben. Den Leviathan hätte man lieber weiter schlummern lassen sollen.
Die EP enthält also einen bemühten, aber ungenügenden, unstimmig dahinschwellenden, langen Titelsong, eine unterhaltsame Neuauflage eines grausigen Eurovisionsongs, eine deutsche Version eines bereist bekannten Songs und eine gelungene Version eines ursprünglich absolut trashigen Alestorm-Titels. Eine ziemlich schlechte Ausbeute im Vergleich zum Album. Vom Titeltrack abgesehen gibt es aber wenigstens zwei Mal sündigen Spaß und einmal einen Metal-Partykracher mit gegröhlten deutschen Texten, eines auf knarzigen Piraten machenden Schotten. Was ja schon spaßig ist.
Für's nächste Album muss aber dennoch dringend Besserung her.
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