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Donnerstag, 29. Januar 2009
Future Shorts - Das Festivalprogramm Oktober 2008
Future Shorts - ein Kurzfilmverleih, eine internationale Festivalreihe, eine Widerbelebung der Kurzfilmkunst. Internationale Kurzfilme, darunter auch prominente Preisträger, werden in ein ansprechendes Programm gebunden und aufgeführt. Ernsthaft, experimentell, komisch, modern und älter, Dokumentation, Musikvideo, animiert oder Realfilm. Hier findet sich alles wieder.
Vor über einem halben Jahr fand das letzte Mal in meiner Nähe ein solcher Future Shorts-Abend statt, diese Woche war es endlich wieder so weit. Statt des aktuellen Januarprogramms, voller aufheiternder, den grauen Winteralltag verjagender Kurzfilme gab es jedoch das Festivalprogramm aus dem Oktober 2008. Schade, dachte ich schon bevor es losging, denn was ich mir über die "aktuellen" Kurzfilme durchlas klang sehr vielversprechend und machte mich heiß auf einen unterhaltsamen und zugleich abwechslungsreichen Abend.
Aber gut, es sollte halt nicht sein, und so nahm ich ohne weitere Beschwerden das andere Programm an. Doch um es schonmal vorwegzunehmen: Mit diesem Programm hat sich das Future Shorts-Team keinen Gefallen getan. Nachdem sich in der Region herumsprach, dass solch ein Kurzfilmabend klasse sei, war die Erwartung entsprechend hoch, und einige der Future Short-Frischlinge werden wohl derbe enttäuscht gewesen sein und es sich mit einer Rückkehr nochmal überlegen... Da war das Premierenprogramm deutlich besser und vor allem auch repräsentativer für das Vorhaben dieses Projekts.
Die Stimmung unter den Anwesenden erhielt schon einen kleinen Dämpfer durch vorhandene Technikprobleme zu Beginn des Abends. Deshalb musste auch der Kurzfilm Die schiefe Bahn unterbrochen werden, erst nach einigen Minuten Wartezeit konnte die Vorführung weiterlaufen.
Die schiefe Bahn gehörte zwar nicht zum Programm von Future Shorts, sondern wurde eigenständig und unabhängig davon gezeigt, für das Stimmungsbild des Publikums war das jedoch unwichtig.
Der Kurzfilm war übrigens, von der Vorführungsschwierigkeiten abgesehen, wirklich super. Diese noch recht junge deutsche Stop-Motion-Produktion über drei ehemalige Bahnbeamte die nun zu Gangstern wurden verquickt eine klassische Kriminalhandlung mit zahllosen Seitenhieben auf die Deutsche Bahn und nostalgischen Gefühlen für die gute, alte Zeit vor der Privatisierung. Wirklich super, auch wenn das Ende etwas rasch kommt. Von dem Film hätte man sich glatt noch einiges mehr ansehen können, zumal das Produktionsniveau außerordentlich hoch war.
Danach ging's mit dem eigentlichen Programm los: Das Musikvideo Grip (2007) aus den Niederlanden eröffnete das Programm noch auf einem ganz passablen Niveau. Ein solch originelles, kunstvolles und zugleich simples Video bekäme der normale Kinogänger sonst nie zu Gesicht und ist definitv ein großer Pluspunkt von Future Shorts: Das Video wurde in nur einem Take gedreht und zeigt Trampolinartisten, die übliche Videoeffekte nachstellen. Sehr interessant und ein Beitrag, der Future Shorts so unvergleichlich macht. Es ist bei weitem kein Highlight oder eine Erleuchtung, sondern einfach etwas, das man sonst nie sehen würde, aber gut findet.
Sehr aktuell war der zweite Film des Abends: I love Sarah Jane, der Januar 2008 seine Premiere feierte. Ich persönlich konnte mit der in einer postapokalypstischen Welt fast ohne Erwachsene, in der ein 13-jähriger Junge versucht bei der etwas älteren Sarah Jane zu landen und dabei mit nervigen Rabauken und einem Zombie in Sarahs Hinterhof zu tun hat, nicht wirklich viel anfangen, da er mir doch ziemlich nichtssagend rüberkam, andere fanden den neuseeländischen Kurzfilm ganz interessant. Ich fand ihn für etwas dramatisches zu leichtgewichtig, für eine Komödie zu still und für Horror zu ungruselig, aber nunja, jeder tickt anders.
Es folgte der wohl prominenteste Vertreter des Abends, Wes Andersons Hotel Chevalier. Eine, wie ich finde, sehr zweifelhafte Auswahl. Für mich ist Hotel Chevalier ein untrennbarer Teil von seiner herrlichen, gefühlvoll-dramatischen und exzentrischen Komödie The Darjeeling Limited. Im Zusammenspiel mit diesem ist die originelle und im unverwechselbaren Wes-Anderson-Stil gehaltene Geschichte eines Mannes, der in einem Pariser Hotel überraschenden Besuch von seiner Ex (Natalie Portman) bekommt, unverzichtbar und zudem noch nachvollziehbar, so aus dem Kontext gerissen hinterließ der Film dagegen zahllose Fragezeichen beim Publikum.
Es folgte ein weiterer, stiller und künstlerischer Film über zwie geliebte: Der dialoglose Film To Build A Home (UK 2008) setzt wunderschöne Landschaftsbilder von Nordengland und die rührende Geschichte eines alten Liebespaares und deren Begegnung mit dem Tod vor den Hintergrund großer Klänge.
Was mich zu einem Hauptptoblem des aufgeführten Programmes führt: Der Kurzfilm wäre bei einer Vorstellung wie ich sie letztes Jahr besuchte sicherlich ganz gut angekommen, doch an diesem Abend war es der dritte stille, anspruchsvolle Film nacheinander und das Publikum, das während dem in der Originalfassung gezeigten Hotel Chevalier bereits an seine Grenzen stieß und Verständnisprobleme hatte, wäre spätestens an dieser Stelle über einen kurzweiligeren, humorigen und konventionelleren Kurzfilm sicherlich froh gewesen. An einem klaren Themenabend würde sich ja niemand beschweren, doch dieser Abend sollte mehr eine Überraschung sein (welches Programm läuft wurde ja nicht im Vorfeld groß angekündigt), sozusagen eine Wundertüte an Kurzfilmen. Und mit dieser Erwartung gingen auch die meisten Zuschauer in den Saal hinein. Bei solchen Veranstaltungen muss man für Abwechslung sorgen. Beim ersten Future Shorts in meiner Nähe klappte dies hervorragend, das Publikum applaudierte sowohl nach den "ernsten" als auch nach den "unterhaltsamen" Filmen energisch (je nach Qualität des Films natürlich mit schwankender Intensivität), und gab den anwesenden Organisatoren somit klar zu erkennen, dass sie eine gute Zusammenstellung vorführten.
An diesem Abend herrschte nach jedem Kurzfilm Totenstille...
Es blieb übrigens erstmal kunstvoll: The Life Size Zoetrope (UK 2007) zeigt mittels eines lebensgroßen Zoetrops die recht betrübliche Lebensgeschichte eines Mannes, der im Off über sich erzählt, während die gezeigten Bilder diese Erzählung visuell unterstützten. Der Film war sehr originell und wollte mir auch gefallen, allerdings war auch ich an diesem Punkt schon ein wenig ungeduldig, und da mir von dem Film auch ein bisschen schwindelig wurde, fühlte ich mich nach dem Film erstmal genervt und begann erst nach dem Kurzfilmabend ihn zu schätzen.
Es folgte der Oscar-nominierte I Met The Walrus (Kanada 2007), eine Visualisierung eines tatsächlich stattgefundenen Interviews zwischen John Lennon und dem damals 14 Jahre alten Jerry Levitan, der diesen per Hand und Computer animierten Film später auch produzierte. Die Originalaufnahmen werden durch eine wahnwitzige Zeichenkette zum Leben erweckt und sollen darstellen, was alles im Kopf des Kindes vorging, das gerade sein Idol interviewt. Visuell war dieser Film sehr ansprechend, allerdings hätte ich mir ob der Qualität des Tons spätestens hier den Einsatz von Untertiteln gewünscht, und so wie ich es rausgehört habe war ich nicht der einzige mit diesem Wunsch.
Nach dem Gnarls-Barkley-Musikvideo Who’s Gonna Save My Soul, der einem "herzzerreißenden Beziehungsaus" einen witzigen Twist gibt, holte das Programm endlich zwei amüsante Kurzfilme heraus, die man doch sehr gut zwischen die vorherigen Filme hätte mischen können, um so dem ganzen Abend mehr Abwechslung zu verleihen.
The Control Master (UK 2008) ist ein komplett aus CSA Images erstellter Animationsfilm, der sich an den Stil Roy Lichtensteins und 60er-Superheldencomics orientiert und letztere liebevoll parodiert: Eine friedvolle Metropole mit ihrer eigenen Superheldin wird von einem Superschurken heimgesucht, der die Superheldin in einen Hund verwandelt und ihren Vergrößerungsapparat stiehlt, sich selbst auf Hochhausgröße aufbläst und dann Amok läuft. Doch zum Glück wartet in der Nähe schon der nächste Superheld...
Der Abend endete mit The Lounge Bar (Neuseeland 1989), einer kurzen Komödie über einen Mann in einer Bar, der ein mächtiges Drahtgestell um den Kopf tragen muss und der einzigen anderen Kundin des Abends ins Auge fällt. Begleitet von einem ohrwurmverdächtigen Song lernen die zwei sich besser kennen und fangen an zu rätseln, ob sie sich nicht bereits einmal gesehen haben. Rückblicke geben uns Zuschauern einen kleinen Wissensvorsprung - sofern wir überhaupt bei all den witzigen Fällen, in denen die Musik der Handlung dreisterweise vorgreift überhaupt Lust haben groß zu kombinieren. Wieso der Film bei IMDb als Drama gelistet ist, kann ich beim besten Willen nicht verstehen.
Insgesamt waren die Kurzfilme dieses Mal zwischen "nett, muss ich jetzt aber nicht haben" (I Love Sarah Jane) bis gut (The Lounge Bar), doch die Zusammenstellung war überhaupt nicht harmonisch und es fehlte definitv an Filmen, für die man gezielt in so eine Vorstellung geht. Hotel Chevalier war ein netter Versuch, funktinoiert jedoch ohne den dazugehörigen Hauptfilm nicht wirklich.
Während mir einige Filme vom letzten Mal hängen geblieben sind und ganz allein den Kinobesuch wert waren, vermisste ich nun ein solches Gefühl. Es gehört zum Konzept von Future Shorts, so Filme wie Grip, The Control Master oder To Build A Home zu zeigen, und ich möchte sie keinesfalls missen. Es sind wirklich gute Kurzfilme, und ich freue mich solche Filme im Rahmen von Future Shorts kennenzulernen, aber das Programm dieses Mal bestand fast nur aus solchen Filmen. Dieses "es kommt zwischen absoluten Highlights, nach denen ich mich auch sonst umsehen würde, wenn man es im Medium Kurzfilm nur so einfach könnte" trägt nunmal keinen ganzen Abend.
Beim nächsten Future Shorts in meiner Nähe werde ich dennoch wieder dabei sein, und vielleicht bekommen wir dann auch Mal das aktuelle Programm.
Übrigens: Die erste Future Shorts-DVD ist nun erhältlich, wenn auch vorerst nur als UK-Import. Für 10 Pfund (zuzüglich Versand) könnt ihr euch fast zwei Stunden Kurzfilme nach Hause holen, und so weit ich das beurteilen kann zeigt die DVD Adventures in Short Film das Projekt Future Shorts von seiner besten Seite. Neben Schätzchen, für die man sich sonst nie interessieren würde (etwa der schräg-poetische La Vie d'un Chien) gibt es auch herausragende Highlights, die so nur als Kurzfilm funktionieren und perfekt vorführen, weshalb diese Kunstform weiterexistiert und worin sie sich vom Langfilm unterschiedet (zum Beispiel She loves me, She loves me not). Bei Gelegenheit werde ich mir die DVD vielleicht holen. Ich werde euch dann natürlich darüber informieren und ausführlich auf die enthaltenen Kurzfilme eingehen.
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