Samstag, 15. November 2008

Die Geburt einer Fee (und einer Filmreihe): Disneys "TinkerBell"

Es liest sich wie aus dem Lehrbuch für Filme, gegen die man eine Abneigung entwickeln muss.
2005 drangen erste Gerüchte an die Öffentlichkeit, dass Disney einen Film über seine populärste Fee plant. Allerdings sollte sie nicht, wie einige Animatoren hofften, traditionell von Hand animiert werden. Stattdessen zwangen der damalige CEO der Disney Company, Michael Eisner, und der Vorstand der Animationsabteilung (verkörpert durch David Stainton) die kleine Fee in eine Computerform, unter lauten Protesten der kreativen Köpfe im Studio, die zuvor engagiert zahlreiche mögliche Konzepte präsentierten. Tinkerbell, selbst mittlerweile eine kleine Disney-Ikone geworden, verliere ihren Charme, der Geist des Klassikers Peter Pan von 1953 könnte nicht eingefangen werden.

Diese Aufschreie wurden allerdings abgeschmettert, da Computeranimation einträglicher sei. Im September kündigte Disney letztlich auf der Kinderbuchmesse in Bologna an, Bücher über die Feenwelt rund um Tinkerbell zu veröffentlichten. Später, ein paar Monate ins Jahr 2006 hinein, wurde Disneys Plan öffentlich: Die Merchandisingabteilung Disney Consumer Products plante eine riesige Produktpalette unter dem neuen Banner Disney Fairies, welche von Büchern, Magazinen und später auch einem Film unterstützt und popularisiert wird.
Ein Spielzeugwerbespot in Filmlänge, sozusagen.

In der Zwischenzeit ging die Konzernleitung jedoch große Änderungen durch: Eisner nahm seinen Hut, Bob Iger übernahm seinen Posten und zu Beginn von 2006 verleibte sich der Konzern (auf Vorschlag von Steve Jobs) die Pixar Studios. Daraufhin wurde John Lasseter mit zahlreichen wichtigen Ämtern bekleidet und auch die Disney-Trickfilmstudios fielen nun unter seine Obhut. Er stoppte sämtliche Arbeiten an DTV-Filmen, nur die Projekte unter Schirmherrschaft von Disney Consumer Products fielen nicht gänzlich in seinen Geltungsbereich, konnten von ihm nicht gestoppt werden.

Tinker Bell and the Ring of Belief (so der damalige Titel des Films) kam bei Lasseter so schlecht an, dass er aus Respekt und Verantwortungsbewusstsein für das Original dieses Projekt schärfer behütete. Einige Zeit verschwand er wieder in der Versenkung, nur um Ende 2007 wieder Reden von sich zu machen, als Jim Hill darüber berichtete, dass Disney wegen der mangelnden Qualität des Films ein 500-Millionen-Dollar-Problem vor sich hat. Der für Winter 2007 angekündigte Starttermin konnte nicht eingehalten werden, weil Lasseter eine komplette Neugestaltung verordnete, was zahlreiche Geschäftspartner verärgerte und fest geplant Einnahmen in dieser Saison unmöglich machte.

Zeit aufzuatmen? Nicht zwingendermaßen. Auch Lasseter hat kein goldenes Händchen, der unter seiner Aufsicht umgestaltete Triff die Robinsons lief unter den Erwartungen und konnte nicht völlig überzeugen und die ersten, zaghaft veröffentlichten Informationen und Bilder der Lasseter-Version von TinkerBell (wie der Film jetzt nur noch hieß) waren gelinde gesagt zuckrig-gräußlich. Unter Lasseter löste sich auch nicht eines der größten Probleme, das viele mit dem Film hatte: Tinkerbell (Disney schreibt die Figur auf Promotionmaterial vehement auf diese Weise, im Gegensatz zum Film) sollte sprechen! Ein Sakrileg für Disneyfans.

Zumindest wurde Brittany Murphy als Sprecherin aufgegeben, die sich nur wenige als Tinkerbell vorstellen konnten. Somit wurde zwar der Druck seitens der Geschäftspartner größer, da ein bekannter und promotionträchtiger Name wegfiel, aber einige gespannte Tinkerbell-Fans konnten aufatmen. Ein Tausch, der Lasseter ähnlich sieht.

Und trotzdem wurde ich nicht heiß auf diesen Film. Die Trailer die ich sah waren zu kitschig für ihr eigenes Wohl, die Feen sahen wie Plastikpüppchen aus (die sie ja verkaufen sollen) und je mehr ich sah, desto überzeugter war ich von meiner Meinung. Dass Disney gleich Mal zahllose Fortsetzungen plante, macht das ganze nur noch unerträglicher.

Am 13. November war es dann so weit, TinkerBell erschien auf DVD. Der Film, der so aussah als würde er Walt Disneys und Barries Erbe in der Luft zerreissen und auf den mickrigen Überresten hämisch Lambada tanzen, war nun in meinen Händen angelangt.

Zum Inhalt passender hätte es nicht sein können, denn der Film beweist, dass die Disney-Magie nicht gestorben ist. TinkerBell ist nämlich wundersamerweise gut, erst Recht für eine DVD-Produktion, die einst in Auftrag gegeben wurde, um Spielzeug und anderen Krimskrams zu verkaufen. Diese Absicht ist zwar weiterhin spürbar, doch nun dank Lasseters Einfluss einen Schritt zurück, und hinter den Unterhaltungsfaktor und den Zauber des Films getreten. Zwar konzentriert sich TinkerBell leider weiterhin zu stark auf die Zielgruppe des Merchandisings (ich rate: Mädchen unter 10 Jahren), wodurch er naiver, simpler und weniger spannend ist, als er sein könnte. Doch wer sich auf den Film einlässt (und über die den Intellekt der Kinder unterschätzenden dauernden Wiederholungen einiger Handlungselemente und Aussagen hinwegsehen kann), wird auch jenseits des Kindesalters verzaubert sein und gut unterhalten.

Und das ist schon viel mehr, als ich dem Film jemals zutraute.

Die Handlung ist schnell erzählt: Als ein Baby lacht, wird die Fee Tinkerbell (die vor etwas mehr als fünfzig Jahren von Disney auf deutsch Naseweis getauft wurde und zwischendurch in Disneybüchern und -Comics auch mal Glöckchen genannt wurde) geboren. Im Nimmerland wird sie von anderen Feen begrüßt und bekommt ihre Aufgabe zugeteilt. Doch statt eine Gartenfee, Wasserfee, Lichtfee oder dererlei zu werden, wird sie den Tinkern zugeteilt. Diese Feen basteln dererlei Werkzeug und Apperaturen für andere Feen und sind deshalb nicht gerade ein Synonym für Magie oder Grazie. Und so kommt es, dass sich Tinkerbell trotz ihrer netten Kollegen Clank und Bobble umorientieren möchte. Die Lehre bei anderen Feen funktioniert jedoch nicht, wie sie es sich vorstellte.

Die Moral der Geschichte ist offensichtlich und vorhersagbar (jede Aufgabe ist etwas besonderes, Talente haben keine verschiedene Wertigkeiten, usw.) und nach nicht einmal der Hälfte der Laufzeit müsste Tinkerbell sie eigentlich längst selbst gelernt haben. Der Charakter und die Dramaturgie waren weit genug, nur ziehen Autor und Regisseur es vor, den Lernprozess etwas mehr in die Längezu ziehen. Ihr wisst schon, ist ja für Kinder, die müssen es was offensichtlicher und ausführlicher erklärt bekommen.
Davon abgesehen ist die Erzählweise von TinkerBell sehr galant (um nicht zu sagen feenhaft). Es gibt viele süße und magische Momente, die für sich genommen auch makellos erzählt werden, insgesamt in manchen Passagen jedoch wie gesagt langgezogen oder auch episodenhaft wirken. Darüber kann man aufgrund des Charmes allerdings problemlos hinwegsehen.
Das Figurenrepertoire ist ein wenig zu groß geraten (man wollte wohl unbedingt alle Spielzeuge, äh, Charaktere bereits in Teil 1 einführen), die präsenteren Charaktere sind dafür aber überraschend sympatisch und haben eine Funktion im Film, sind also entgegen der Erwartungen keine reine Produktwerbung. Auch Tinkerbell durfte, trotz ihrer neuen Sprachfähigkeit, ihre ursprüngliche Persönlichkeit behalten. Bloß an einer einzigen Stelle wäre es so viel besser gewesen, wenn man die Charakteranimation für sich allein gelassen hätte. Ansonsten gewöhnte ich mich schnell daran, dass sie spricht, da es einfach zum gesamten Film passt und man in ihrem Dialog auch nicht die eigentliche Figur betrügte.
Ich hätte mir auf deutsch zwar passendere Sprecherinnen vorstellen können, aber die Hermine-Sprecherin Gabrielle Pietermann ist trotzdem ganz okay für Tinkerbell. Lobenswert sind, nebenbei gesagt, Christian Tramitz (sprach schon Marlin in Findet Nemo)als witzig-liebenswerter Bobble, Beni Weber als Terence (von dem ich denke, dass er in den Fortsetzungen noch eine größere Rolle spielt) und Dagmar Dempe (Meryl Streeps Stammsprecherin, auch bekannt als deutsche Stimme von Jill aus Hör mal, wer da hämmert) als Königin.

Sprechende Feen funktionieren demnach...
Chip & Chap erlebten in ihrer TV-Serie einen viel größeren Stilbruch - und schon der funktionierte. TinkerBell bleibt im Gegensatz zu den beiden Hörnchen auch weiterhin Kanon zum Original.
Viel ärgerlicher als die Stimme ist da die Computeranimation. Es funktioniert zwar und hat auch viel Ausstrahlung, nur schreien die Bilder geradezu nach einem Bilderbuch-Zeichenstil, der viel besser zum Inhalt gepasst hätte. Entgegen der Erwartungen sind die CGI-Bilder kein Verbrechen, sondern bloß nicht das optimale Medium für die Geschichte... Schade, aber kein Grund für Morddrohungen an Disneys Geschäftsleitung (wenn, müsste man eh die alten Bosse bedrohen).

Wieviel Potential noch in der Filmreihe steckt, beweist übrigens der großartige Prolog, der in stillen und malerischen Bildern die Geburt Tinkerbells erzählt. Die Landschaftsbilder sind großartig und die Kamera fängt diese magisch ein. Es ist ein schöner, märchenhafter Anfang der groß und klein gleichermaßen zu begeistern weiß. Der restliche Film kann nicht ganz daran anschließen, da er sein Publikum unterschätzt und manche Stellen nicht ganz zu Ende gedacht wurden. Unlogische oder unsinnige Passagen gibt es zwar nicht, aber genug Momente aus denen mit etwas Bedacht mehr hätte werden können. Deshalb schafft er es auch nicht, von einem süßen, magischen und recht guten Direct-to-Video-Streifen zu einem sehr guten Film für die ganze Familie zu werden.

Ganz besondere Hoffnungen für die Zukunft weckt aber die Optik. In manchen Momenten sind Charakterdarstellung und Animation hervorragend, meistens jedoch wirkt dank Beleuchtung und Oberflächenstruktur das ganze bloß passabel, in den schlechtesten Momenten sehen die Feen wie (besser gestaltete und mit Charakter versehene) Plastikpüppchen aus den Barbie-Filmen aus. Dass es möglich ist, viel aus den Bildern rauszuholen wurde bewiesen, und vielleicht schaffen es die DisneyToon Studios in den kommenden TinkerBell-Filmen, das Niveau die gesamte Spieldauer über zu halten.
Und damit ist auch die inhaltliche Qualität gemeint. Denn der Film, den wir jetzt auf DVD bestaunen dürfen hat eigentlich gar nichts mehr mit dem 2005 gestarteten Projekt gemeinsam. Die Handlung wurde vollständig unter Lasseters Regentschaft innerhalb von zehn Wochen hurtigst entworfen, wovon 5 Wochen für den ersten Entwurf und die restlichen fünf Wochen für die finale Fassung draufgingen. Vor Jeffrey M. Howards Drehbuch gab es mindestens ein Dutzend anderer Entwürfe und ähnlich oft wechselte der Regieposten.
Für die Fortsetzungen steht viel mehr Zeit zur Verfügung, und Lasseters stetigem Einfluss darf man ebenfalls nicht vergessen.

Den nächsten Filmen dieser Reihe stehe ich tatsächlich optimistisch gegenüber. Wer hätte das schon gedacht?
Bis zum nächsten Film wünsche ich mir eine Soundtrack-CD vom Score des Films. Denn im Gegensatz zu den schnell vergessenen Liedern setzt sich die Hintergrundmusik von Joel McNeely im Ohr fest. McNeely ist ein kleiner Disney-Veteran und schrieb unter anderem den Score für Iron Will, Mulan 2, Lilo & Stitch 2 und Neue Abenteuer in Nimmerland, aber auch für die TV-Serie Dark Angel. Für TinkerBell schrieb er eine magische Musikuntermalung, die sich an irischem Folk orientiert. Nur mit einer zeitloseren, zauberhaften Note. Wirklich gut und das heimliche Highlight dieses Films.

Siehe auch: Meine Rezension der Fortsetzung und meine Kritik zu Teil 3

2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Hallo Sir. D!

Ich hatte ja schon im Forum gesagt, dass der Film so schlimm wohl nicht werden wird, aber auch ich war positiv überrascht.
Einige der Hintergründe sahen schon fast wieder wie handgezeichnet aus, etwas das mir gerade bei der DVD Kung-Fu Panda auch positiv aufgefallen ist.
Leider habe ich schlimmste Befürchtungen, was die Merchandise-Lawine angeht. Gerade wenn man, gezwungenerweise, von dem ganzen Prinzessinen-Kram schon einiges gewohnt ist. Und jetzt hat meine Tochter auch noch Hannah Montana für sich entdeckt. . .

WBK

Sir Donnerbold hat gesagt…

Ja, du hast dich schon früher positiv geäußert, das muss ich dir zugestehen. Ich hab mich dagegen erst später umstimmen lassen. Hatte ich wenigstens wieder Mal eine schöne Überraschung.

Prinzessinen UND Hannah Montana? Euer Haus müsste bald in Pink ersaufen, kann das sein? Du hast mein Beileid (ich habe mein Elternhaus als Kind mit Donald Duck überflutet, das ist doch viel ansehnlicher *g*).

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