Foto: ZDF/Carmen Sauerbrei, RP-Online
Kaum jemand wird daran vorbeigekommen sein: Bei der Verleihung des deutschen Fernsehpreises zeterte Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki über die Qualität des deutschen Fernsehens, bezeichnete es als Blödsinn, und verweigerte es, seinen Ehrenpreis anzunehmen.
Ich hielt mich mit Aussagen über diesen so häufig als Skandal deklarierten Vorfall zurück, was möglicherweise auch manche Leser dieses Blogs erstaunt haben könnte.
Es war ein entschiedenes Schweigen. Reich-Ranickis vermeintliche Kampfansage ans deutsche Fernsehen war mir für sich allein betrachtet keine Meldung wert. Ein professioneller und leidenschaftlicher Kritiker, der misslungene Dinge mit Leib und Seele zerreißt (was ihm und seiner Sendung Das literarische Quartett auch zum Erfolg verhalf), beschwert sich über die allgemein vorherrschende Qualität und das niedrige Niveau der Fernsehlandschaft.
Dies ist nunmal sein Beruf, und Reich-Ranicki ist wahrlich nicht der erste, der sich über verblödende Sendungen kritisch äußert. Das deutsche Fernsehen, beziehungsweise seine übelsten Auswüchse, werden stets an den Pranger gestellt, und dies zu Recht.
Vielleicht hätte ich mich dennoch zu einem Kommentar bewogen, hätte Reich-Ranickis Reaktion nicht solche Wellen geschlagen. Die deutschen Medien machten einen viel zu großen Wirbel um die Aussagen Reich-Ranickis. Man vernahm viel Lob für den Mut, dass endlich jemand die Wahrheit ausspricht, Kritik, dass Reich-Ranicki weltfremd sei und keine Ahnung habe, die Diskussion nahm übelste Formen an. All dies wegen durchaus gerechtfertigter Kritik - es gibt zweifelsfrei viel Schwachsinn im Fernsehen - und einer möglichen Überreaktion in Form von Ablehnung einer Ehrenauszeichnung.
Boykott. Darüber wollte ich nicht berichten.
Jedoch kam ich nicht umhin, mir die halbstündige Diskussion zwischen Thomas Gottschalk und Reich-Ranicki anzusehen, die am späten Freitagabend im ZDF unter dem Titel Aus gegebenem Anlass ausgestrahlt wurde. Ich mag Gottschalk als Fernsehmoderator und kann über die dauernde Schelte ihm Gegenüber nur den Kopf schütteln. Ironischerweise bestätigt gerade diese Qualitätsdiskussion Gottschalks Status im deutschen Fernsehen. Mit weniger großen Gesten als sonst, immerhin galt es auch nicht eine randvolle Halle anzusprechen, konzentriert, mit charmantem Witz und thematisch vorbereitet plauderte Gottschalk mit Reich-Ranicki in einer gemütlich-edlen Sitzecke über die Qualitätsdiskussion, konnte eine moderationstechnische Glanzleistung seiner Karriere abliefern.
Reich-Ranicki dagegen unterschied sich im Gespräch nicht von seinem sonstigen Auftreten: Wütend, über alles herziehend und große Literaten zitierend zeterte er, Gottschalk gegenüber wohlgesonnen, über "primitive Menschen", faule Fernsehintendanten und dumme Fernsehprogramme. Seinem Gegenüber hörte er allerdings nur gelegentlich zu, meistens nahm er sich ein Stichwort aus den zuvor gesagten Sätzen Gottschalks und ließ zu diesem Punkt alles über seine Lippen laufen, was ihm dazu einfiel. So verpuffte ein gut gewähltes Beispiel Gottschalks völlig in der Luft. Gottschalk sprach an, dass bei all der gerechtfertigten Kritik am Fernsehen das jüngere Medium im Vergleich zu Büchern unfair behandelt wird. Aufgrund zahlreicher schlechter Sendungen wird gleich das gesamte Medium Fernsehen verteufelt, doch bei all der Schundliteratur kommt niemandem der Gedanke, sämtliche Bücher zu verurteilen.
In einem der wenigen Momenten, in denen sich Reich-Ranicki voll und ganz auf Gottschalk einließ führte das kurzweilige Gespräch einen Kompromiss an, der im Grunde die gesamten Probleme der Fernsehwelt an der richtigen Stelle trifft. Es sei völlig berechtigt in beide Extreme Nischensendungen und -sender zu bewahren, doch bei der breiten Unterhaltung solle man sich mehr Mühe nehmen, Niveau zu bewahren.
Diese Forderung besagt eigentlich alles, was man in dieser Diskussion beachten muss. Die ganz große Unterhaltung darf nicht völlig verblöden, sondern muss bei ihrer Kurzweiligkeit einen gewissen Anspruch bewahren. Wenn man dort ansetzt, erledigen sich mit der Zeit die ärgsten Auswüchse des Krawall- und Idiotenfernsehens (*9live*) von allein. Sobald sich der Zuschauer wieder stärker an Niveau gewöhnt, wird er solche Sendungen abstrafen.
Nicht alles muss enorm anspruchsvoll sein, nicht alles soll reines Programm zum entspannen sein. Das ist des Pudels Kern.
Die restliche Diskussion lenkt davon bloß ab. Dass Gottschalk behauptet, viele Intellektuelle wären arrogant mag sicher für Aufruhr sorgen, doch Reich-Ranickis Abstrafungen, das Publikum bestehe aus vielen primitiven Menschen liefert Gottschalk Zündstoff. Gleichermaßen igeln sich die gewöhnlicheren Sichten ein, wenn sie, wie Gottschalk ansprach, selbst bei Sendungen wie Wetten, dass...? fliehen, sobald nur ein Hauch von Anspruch angeflogen kommt.
Die Extreme wird man in einer Niveaudiskussion nie vereinen können, was, wie mir scheint, viele in den letzten Tagen vergessen haben.
Für das restliche Publikum wäre es aber sicherlich ein Segen, wenn die Sender den Mut hätten gänzlich verblödete Formate gar nicht erst anzusetzen und nicht sämtliche Programme mit kulturellen Inhalten sich sofort in rein intellektueller Präsentation verklauslieren.
Gottschalk traf es auf den Punkt, ohne seine Sendung als perfektes Beispiel zu bezeichnen: In Wetten, dass...? bringt er Herrenwitze, zeigt alberne Wetten, spricht aber auch mit Geistlichen oder Vertretern der bildenden Künste. Was Gottschalk ansprach: Für diesen Versuch wird er regelmäßig laut und ausgiebig kritisiert, ohne ihn auch nur für das von ihm angestrebte Ziel mit Lob anzuerkennen . Was er jedoch nicht mit der verdienten Betonung ansprach: Gerade dieser Kompromissversuch erreicht mehr Zuschauer als die meisten anderen Sendungen in diesem Lande.
Mit ironischem Ton möchte ich da Reich-Ranickis oft wiederholten Ausruf zitieren: "Ich verstehe das nicht!"
Ich hielt mich mit Aussagen über diesen so häufig als Skandal deklarierten Vorfall zurück, was möglicherweise auch manche Leser dieses Blogs erstaunt haben könnte.
Es war ein entschiedenes Schweigen. Reich-Ranickis vermeintliche Kampfansage ans deutsche Fernsehen war mir für sich allein betrachtet keine Meldung wert. Ein professioneller und leidenschaftlicher Kritiker, der misslungene Dinge mit Leib und Seele zerreißt (was ihm und seiner Sendung Das literarische Quartett auch zum Erfolg verhalf), beschwert sich über die allgemein vorherrschende Qualität und das niedrige Niveau der Fernsehlandschaft.
Dies ist nunmal sein Beruf, und Reich-Ranicki ist wahrlich nicht der erste, der sich über verblödende Sendungen kritisch äußert. Das deutsche Fernsehen, beziehungsweise seine übelsten Auswüchse, werden stets an den Pranger gestellt, und dies zu Recht.
Vielleicht hätte ich mich dennoch zu einem Kommentar bewogen, hätte Reich-Ranickis Reaktion nicht solche Wellen geschlagen. Die deutschen Medien machten einen viel zu großen Wirbel um die Aussagen Reich-Ranickis. Man vernahm viel Lob für den Mut, dass endlich jemand die Wahrheit ausspricht, Kritik, dass Reich-Ranicki weltfremd sei und keine Ahnung habe, die Diskussion nahm übelste Formen an. All dies wegen durchaus gerechtfertigter Kritik - es gibt zweifelsfrei viel Schwachsinn im Fernsehen - und einer möglichen Überreaktion in Form von Ablehnung einer Ehrenauszeichnung.
Boykott. Darüber wollte ich nicht berichten.
Jedoch kam ich nicht umhin, mir die halbstündige Diskussion zwischen Thomas Gottschalk und Reich-Ranicki anzusehen, die am späten Freitagabend im ZDF unter dem Titel Aus gegebenem Anlass ausgestrahlt wurde. Ich mag Gottschalk als Fernsehmoderator und kann über die dauernde Schelte ihm Gegenüber nur den Kopf schütteln. Ironischerweise bestätigt gerade diese Qualitätsdiskussion Gottschalks Status im deutschen Fernsehen. Mit weniger großen Gesten als sonst, immerhin galt es auch nicht eine randvolle Halle anzusprechen, konzentriert, mit charmantem Witz und thematisch vorbereitet plauderte Gottschalk mit Reich-Ranicki in einer gemütlich-edlen Sitzecke über die Qualitätsdiskussion, konnte eine moderationstechnische Glanzleistung seiner Karriere abliefern.
Reich-Ranicki dagegen unterschied sich im Gespräch nicht von seinem sonstigen Auftreten: Wütend, über alles herziehend und große Literaten zitierend zeterte er, Gottschalk gegenüber wohlgesonnen, über "primitive Menschen", faule Fernsehintendanten und dumme Fernsehprogramme. Seinem Gegenüber hörte er allerdings nur gelegentlich zu, meistens nahm er sich ein Stichwort aus den zuvor gesagten Sätzen Gottschalks und ließ zu diesem Punkt alles über seine Lippen laufen, was ihm dazu einfiel. So verpuffte ein gut gewähltes Beispiel Gottschalks völlig in der Luft. Gottschalk sprach an, dass bei all der gerechtfertigten Kritik am Fernsehen das jüngere Medium im Vergleich zu Büchern unfair behandelt wird. Aufgrund zahlreicher schlechter Sendungen wird gleich das gesamte Medium Fernsehen verteufelt, doch bei all der Schundliteratur kommt niemandem der Gedanke, sämtliche Bücher zu verurteilen.
In einem der wenigen Momenten, in denen sich Reich-Ranicki voll und ganz auf Gottschalk einließ führte das kurzweilige Gespräch einen Kompromiss an, der im Grunde die gesamten Probleme der Fernsehwelt an der richtigen Stelle trifft. Es sei völlig berechtigt in beide Extreme Nischensendungen und -sender zu bewahren, doch bei der breiten Unterhaltung solle man sich mehr Mühe nehmen, Niveau zu bewahren.
Diese Forderung besagt eigentlich alles, was man in dieser Diskussion beachten muss. Die ganz große Unterhaltung darf nicht völlig verblöden, sondern muss bei ihrer Kurzweiligkeit einen gewissen Anspruch bewahren. Wenn man dort ansetzt, erledigen sich mit der Zeit die ärgsten Auswüchse des Krawall- und Idiotenfernsehens (*9live*) von allein. Sobald sich der Zuschauer wieder stärker an Niveau gewöhnt, wird er solche Sendungen abstrafen.
Nicht alles muss enorm anspruchsvoll sein, nicht alles soll reines Programm zum entspannen sein. Das ist des Pudels Kern.
Die restliche Diskussion lenkt davon bloß ab. Dass Gottschalk behauptet, viele Intellektuelle wären arrogant mag sicher für Aufruhr sorgen, doch Reich-Ranickis Abstrafungen, das Publikum bestehe aus vielen primitiven Menschen liefert Gottschalk Zündstoff. Gleichermaßen igeln sich die gewöhnlicheren Sichten ein, wenn sie, wie Gottschalk ansprach, selbst bei Sendungen wie Wetten, dass...? fliehen, sobald nur ein Hauch von Anspruch angeflogen kommt.
Die Extreme wird man in einer Niveaudiskussion nie vereinen können, was, wie mir scheint, viele in den letzten Tagen vergessen haben.
Für das restliche Publikum wäre es aber sicherlich ein Segen, wenn die Sender den Mut hätten gänzlich verblödete Formate gar nicht erst anzusetzen und nicht sämtliche Programme mit kulturellen Inhalten sich sofort in rein intellektueller Präsentation verklauslieren.
Gottschalk traf es auf den Punkt, ohne seine Sendung als perfektes Beispiel zu bezeichnen: In Wetten, dass...? bringt er Herrenwitze, zeigt alberne Wetten, spricht aber auch mit Geistlichen oder Vertretern der bildenden Künste. Was Gottschalk ansprach: Für diesen Versuch wird er regelmäßig laut und ausgiebig kritisiert, ohne ihn auch nur für das von ihm angestrebte Ziel mit Lob anzuerkennen . Was er jedoch nicht mit der verdienten Betonung ansprach: Gerade dieser Kompromissversuch erreicht mehr Zuschauer als die meisten anderen Sendungen in diesem Lande.
Mit ironischem Ton möchte ich da Reich-Ranickis oft wiederholten Ausruf zitieren: "Ich verstehe das nicht!"
1 Kommentare:
Wäre Reich-Ranicki nicht so, wie er ist, würde ihn vielleicht sogar jemand ernst nehmen. Ich mag den alten Papagei zwar, aber er krächzt immer das selbe, das beeindruckt niemanden mehr.
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