Achtung! Diese Rezension enthält zahlreiche, heftige Spoiler zu WALL•E! Jeder, der sich den Film noch nicht angesehen hat, sollte diesen Artikel keinesfalls lesen. Geht stattdessen ins Kino und seht euch WALL•E an. Wirklich, es lohnt sich.
Die danach veröffentlichten Meisterwerke des Studios an diesen außerordentlich großen Erfolgen aufzuhängen ist zynisch. Cars korrespondierte naturgemäß aufgrund seiner Route 66-Nostalgie besser mit den amerikanischen, als mit den europäischen Zuschauern, während die malerischen Hintergründe des romantisierten Paris in Ratatouille, wie zu erwarten war, mehr den Geschmack des hiesigen Publikums traf. Davon sollte niemand als auftretende Müdigkeitserscheinungen sprechen.
Zahlreiche Kinogänger und Animationsliebhaber erkennen exakt diesen Fakt und halten von Bezeichnungen, Pixars Stern ginge bereits unter, weiten Abstand. Allerdings erhöht das auch stetig den Druck auf die Erfolgsschmiede. Pixars endlose Reihe von Erfolgen muss doch irgendwann einen Abbruch finden. Sogar der Trickfilmvisionär Walt Disney und seine ambitionierten Mitschaffenden scheiterten nach ihren ersten großen Erfolgen im damals noch so jungen Bereich des abendfüllenden Animationsfilms. So mancher mag spekulieren, wie Walt Disneys Pionierarbeiten verlaufen wäre, wenn der Zweite Weltkrieg sein Studio nicht in eine Notsituation gezwängt hätte, doch auch in diesem utopischen "Was wäre, wenn"-Szenario bleibt eine makellose Karriere Walts unwahrscheinlich.
Wann also muss sich Pixar geschlagen geben? Hoffentlich niemals, dafür sind die verspielten Künstler zu sympatisch, ihre Werke zu gelungen, als dass man es ihnen gönnen würde, mal eine Niederlage hinnehmen zu müssen.
Dennoch ist es nicht zu verleugnen, dass man sich innerlich bereits darauf einstellte, Pixar bald scheitern zu sehen. Das trifft auch auf mich zu. Jedoch mache ich es nicht aus Sensationsgier oder gar Schadenfreude, sondern weil ich mich seelisch vorbereiten möchte, um den Schock eines Pixarflops besser verarbeiten zu können. Und mit dieser Haltung bin ich wahrlich nicht alleine, wie ein Blick in die Disneyforen und Hollywood-Blogs dieser Welt zeigt.
Als sich langsam die Nachricht verbreitete, dass Pixars neuster Streich größtenteils auf Dialoge verzichtet um seine Geschichte zu erzählen machten sich bereits die ersten Befürchtungen breit, das Massenpublikum könnte sich vom Film ausgeschlossen fühlen (oder vielmehr sich selbst vom Film ausschließen). WALL•E erinnerte an Der Schatzplanet: Für die Animatoren, Designer und Regisseure ein wahrgewordener Traum. An der Kinokasse sollte dieses Meisterwerk jedoch katastrophal untergehen. Droht WALL•E ein ähnliches Schicksal? Wird ein weiterer anspruchsvoller Sci-Fi-Trickfilm mit ungewöhnlichem audio-visuellem Konzept seinem Studio schweren finanziellen Schaden zufügen?
"Möglicherweise nicht!", lautete die Antwort, als sich die Marketingkampagne für WALL•E langsam aber sicher bemerkbar machte. Der kurze Teaser zum Film, der in den USA vor Ratatouille lief, verriet nahezu gar nichts über WALL•E, kam aber trotzdem (oder gerade deshalb) bei den Zuschauern sehr gut an. Andrew Stanton plauderte in einem warmen Ton über ein mittlerweile legendäres Pixar-Meeting im Sommer 1994, während dem John Lasseter, Pete Docter, Joe Ranft und er über ihre Zukunft sprachen. Toy Story näherte sich seiner Fertigstellung und wenn die Pixar-Köpfe einen weiteren Film produzieren wollten, dann sollten sie sich langsam Gedanken machen.
Dieses Mittagessen prägte Pixars Weg an die Spitze des Animationsgeschäfts: Das große Krabbeln, Die Monster AG und Findet Nemo fanden hier ihren Anfang. Und die Geschichte eines Roboters namens WALL•E.
Der Teaser wirkt simpel, ist aber außerordentlich wirkungsvoll. Er hat eine melancholische Stimmung, hat dank der Konzeptzeichnungen für die genannten früheren Pixar-Erfolge einen Zauber an sich, den man in solchen Teasern sonst nie zu sehen bekommt. Erst mit dem Auftritt von WALL•E bekommen wir fertige Computeranimation zu sehen. Dadurch fällt der dem Zuschauer bislang unbekannte Roboter nicht hinter die beliebten Pixarhelden zurück, sondern übertrumpft sie sogar auf visueller Ebene.
Dass WALL•E der letzte Nachkomme dieses kreativ so ergiebigen Treffens ist, setzt ihn in einen erhabenen Status. Er ist ein Ahne des klassischen Pixargeistes. Das hebt die Erwartungen, auch ohne etwas über die Geschichte des Films zu verraten. Das liebenswürdige Material vom kleinen Roboter erledigt den Rest. Es ist witzig, süß und der sehnsüchtige Blick WALL•Es gen Himmel lässt Anspannung zurück. Wonach sehnt sich WALL•E, was erwartet den Zuschauer in diesem Film?
Für die Filmkenner findet sich ein weiteres Leckerbissen im Teaser: Die Hintergrundmusik im letzten Stückchen dieses Werbefilmchens stammt aus Brasil, einer fantasievollen und unterhaltsamen Dystopie. Subtiler kann man das Publikum kaum auf einen kommenden Film vorbereiten. (Seht euch den besprochenen Teaser hier an.)
Ein weiteres frühes Werbemittel für WALL•E stellte ein im Ratatouille-Konsolenspiel verstecktes Video dar, dass im Stile einer futuristischen Produktvorstellung herkam. Eine kühle Frauenstimme pries das neuste Produkt von Buy n Large an, den hochtechnisierten Müllroboter WALL•E. Der Spot enthielt alles, was zu einem solchen Spot dazugehört: Zahllose technische Daten, ins eigentliche Produkt hineinmorphende Blaupausen und natürlich ein nicht endenwollender Rechtshinweis. (Derzeit könnt ihr euch diesen Clip bei Youtube ansehen.)
Mit diesem Video zielte Disney deutlich auf ein älteres, mündigeres Publikum, als man es sonst von Disney-Werbevideos gewohnt ist. Junge Kinder sehen darin nur ein Video mit einem knuffigen Roboter, doch reiferen wird das volle Spektrum dieses Videos bewusst. Der fiktionale Konzern Buy n Large weckt Neugier, diese Form für einen Film zu werben, indem man seinen Inhalt als real darstellt penetriert Teile des Humorzentrums die Trailer sonst nie erreichen können. Vor allem aber erinnert dieser Stil, vor allem der Disclaimer am Ende des Videos, an Spots für frühere Anti-Utopien. Kurze Zeit später eröffnete sich dann die komplette Bandbreite hinter der Idee dieses Spots. Die Webseite von Buy n Large ging online und ergatterte sich den Rekord für die bis dato komplexeste und umfangreichste virale Webseite.
Die Firmen-Webseite ahmte täuschend echt und bis ins letzte Detail durchdacht den informellen, mit lächelnden Gesichtern und schmalzigen Firmenkredos bestückten Look solcher für Geschäftspartner und Wirtschaftsspekulanten gedachte Onlinepresänz großer Konzerne nach. Mit feiner Satire bestückt trieb die Webseite einen Keil in sämtliche Wunden der Großkonzerne, deckte ihre Scheinheiligkeit auf, indem deren Beteuerungen an die Familie und das Wohle der Menschheit zu denken bis ins lächerliche überzogen wurden, während abartig-rechtsverdreherisches Kleingedrucktes den Betrachter der Seite über's Ohr hauen soll.
Bissiger und weniger subtil, dafür mit fast schon abartigem Humor ausgestattet zeigte sich der Buy n Large-News-Sektor, der im Gegensatz zur restlichen Seite zu dem Zeitpunkt, an dem ich diese Zeilen schreibe auch noch in voller Pracht online zu bewundern ist und förmlich nach eurem Besuch schreit (die designtechnisch abgespeckte Version der BnL-Hauptseite gibt es hier, dank an Kevin für den Fund,).
Das humoristische und kreative Talent der Verantwortlichen für die dort stehenden Zeilen ist beneidenswert. Was habe ich Tränen beim lesen dieser so kühl und formell verfassten Meldungen gelacht. Es sind wahrliche Meisterwerke der zeitgenössischen Satirekunst, zugleich liefert dieser Part der Buy n Large-Webpräsenz zahlreiche Hintergrundinformationen über die Vorgeschichte zum Film WALL•E ohne zu spoilern.
Vergleichsweise harmlos, und vornehmlich zugleich den seriösen Schein wahrend und das futuristische Setting einführend, sind die dort vorzufindenden Meldungen über Flash Drives mit riesigem Arbeitsspeicher oder den Weltrekord für die größte Buy n Large-Fanartikelsammlung. Abstruser, witziger und vor allem bedeutungsvoller sind da schon solche Artikel wie der über die neue Musikbewegung, den Corporate Punk, der die Vorzüge großer Konzerne und der Konsumwelt besingt. Die Tournee der erfolgreichsten Corporate Punk-Band heißt natürlich Hostile Takeover ("Feindliche Übernahme"), wie denn auch sonst?
Vor dem geistigen Auge des Lesers schaufelt sich die dort geschilderte Menschheit ihr Grab, von Meldung zu Meldung wird es immer schlimmer, streckenweise bleibt einem das Lachen fast im Halse stecken. Schließlich steckt in den Pointen auf der Webseite, so übertrieben sie auch sein mögen, noch immer ein Körnchen Wahrheit. Zeitgleich zeigt uns Pixar über diese virale Webseite, die im Grunde genommen nur ein Marketing-Instrument für WALL•E ist, was in unserer Gesellschaft falsch läuft und wie es so weit kommen konnte, dass die Erde in Pixars Filmuniversum vollgemüllt von der Menschheit zurückgelassen wird. Buy n Large erfindet eine kleine, blaue Pille dank welcher das famose Gefühl, das man beim Einkaufen verspürt, nun jederzeit nachempfunden werden kann, Buy n Large kontrolliert mit seinen Lehr-Robotern das Bildungswesen, hat enormen Einfluss auf die Wirtschaft und kauft den Nordpol, während in Heiligendamm die G8-Staaten verkünden, dass sie sich zu einem großen Finanzkörper namens "The Big One" vereinigen.
Meine Lieblingsmeldung ist jedoch die über den von Buy n Large erschaffenen künstlichen Lebenspartner, einen Roboter aus den Buy n Large-Fabriken, der an von ihrem Partner entnervte Personen verkauft werden soll. Der von der Buy n Large-Presseagentur veröffentlichte Artikel berichtet über die öffentliche Präsentation und Testphase des 190-Pfund schweren "Hubby", dessen Prototyp an der bis dahin alleinerziehenden Mutter Julie Eggerston getestet wurde. Er sei genauso wie ein echter Lebenspartner, nur verfolge er das, was laut Buy n Large zum modernen Beieinandersein gehört. Die Menschlichkeit dieser Maschine demonstriert Buy n Large durch folgende Interviewaussage Hubbys, in der er sich über die Beziehung zu seiner"Frau" äußert: "Wir gründeten das Fundament für eine wahre, bedeutungsvolle Beziehung, eine die, wie ich finde, auch alles überdauern kann. Ich mein, klar, auch wir haben unsere Höhen und Tiefen, so wie jeder andere auch. Ich verrate euch Mal eine Sache: Ich werde ihr nie wieder sagen, dass sie in ihren neuen roten Pömps fett aussieht! Boah, war das eine anstrengende Nacht...!"
Hubby habe jedoch in seiner Testphase noch einige Programmfehler, wie seine "Ehefrau" erklärt: "Manchmal heult er in den unangebrachtesten Momenten, hämmert seinen Kopf gegen die Wand und schreit 'Bitte tötet mich!'. Aber dann starte ich ihn einfach nochmal neu, bevor er mir die Kinder verstört." Mit diesem Problemchen habe sie aber bereits gerechnet, und man wird das schon noch beheben. Klaro.
Ich kann mir diese Meldung nicht durchlesen, ohne bei dem Gedanken einer seelenruhigen, nahezu abgestumpften Frau, die einen manisch-depressiven, herumschreienden Roboter-Ehemann hat lauthals loszulachen. Kam jemals etwas abstruseres und verstörenderes unter dem Deckmantel Disneys ans Licht der Welt? Diese Vorstellung, wie der Roboter seinen Schädel gegen die Decke kloppt und um Erlösung durch den Tod bettelt...
Ähnlich bösartig-genial zeigt sich die Meldung über eine Studentenin, die sich in der riesigen BnL Business School verlief. Sie habe sich in den Westflügel verirrt, der so groß wie Rhode Island sei und mittlerweile kaum genutzt werde. Früher hätte man dort Soziologie und Wirtschaft unterrichtet.
Die Menschheit ist völlig verblödet und dem Giga-Konzern absolut hörig... Da frage noch jemand, wie es bloß so weit kommen konnte, dass die Menschen die Erde verlassen mussten...
Für das Verständnis von WALL•E sind diese und all die anderen Meldungen irrelevant, aber sie sind eine außerordentlich willkommene und originelle Vertiefung der Materie. Wenn doch nur alle "Fortsetzungen" oder "Spin-Offs", die dem ursprünglichen Film mehr Dimension verschaffen und ihn weitererzählen wollen solches Niveau hätten...
Die Buy n Large-Seite richtete sich vornehmlich an Geeks, seien sie dem Sci-Fi- oder Animations-Felde zugehörig. Das breite Publikum wurde niemals gezielt von Disney auf die Seite aufmerksam gemacht. Das war auch nicht ihre Aufgabe - es galt den knallharten Fans weiter einzuheizen. Für sie wurden auch zahlreiche Pixar-Anspielungen versteckt, doch hauptsächlich ging es darum, ihnen ohne Material aus dem Film zu zeigen bereits äußerst positive Assoziationen mit WALL•E einzutrichtern. Mission erfüllt. Bereits lange vor dem WALL•E-Kinostart schrie ich zum Beispiel bereits nach einer Fortsetzung, die sich im besten Mockumentray-Stil mit dem Aufstieg dieses fiktionalen BnL-Konzerns beschäftigt.
Wunschdenken, ich weiß...
Aber zumindest gibt es Buy n Large-Fanartikel.
Die selbe Zielgruppe haben auch die im Retrolook der 50er Jahre gehaltenen Poster, die den Futurismus dieser Dekade und deren Werbeanzeigen nachahmen. Sie sind wunderschön, haben eine nostalgische Ausstrahlung und vor allem ältere us-amerikanische Disneyfans fühlen sich nicht grundlos an Walt Disneys Vision des Tomorrowlands erinnert.
Wieder an ein breiteres Publikum gerichtet war dann die restliche Werbekampagne für WALL•E, und dies für einen solchen Film zu begeistern ist auch eine schwierigere und auch bedeutsamere Aufgabe. Das Gegenteil ist - zumindest meiner Beobachtungen nach - bei Bolt, der Fall, da viele Animations- und Disneyliebhaber diesem Film spätestens nach dem Abschied von Lilo & Stitch-Erfinder Chris Sanders das Todesurteil verhängt haben. Ein Schicksal, dass WALL•E nicht ereilte.
Im Oktober ging schließlich ein zweiter Teaser-Trailer zu WALL•E online, außerdem wurde er vor der deutschen Kinoveröffentlichung von Ratatouille gezeigt. Dieser Teaser beginnt mit dem kurz eingeblendeten, neuen Walt Disney Pictures-Logo, worauf das Pixar-Logo auf gewohnte Art und Weise erscheint. Die kleine Lampe Luxo jr. hüpft über das Bild und trampelt von lustigen Geräuschen begleitet das "I" in Pixar nieder. Hier allerdings nimmt das Logo eine ungewohnte Wendung, die Glühbirne brennt durch, woraufhin Luxo jr. völlig perplex hin- und herguckt. WALL•E kommt angerollt, bemitleidet Luxo jr. und tauscht seine Birne durch eine funktionstüchtige aus und möchte danach mit stolz über die erledigte Arbeit davonrollen. Jedoch wirft WALL•E das "R" um. Nach kurzer Panik duckt sich WALL•E in leichter Scham und versucht provisorisch das "R" durch sich selbst zu ersetzen.
All das wird allein durch gekonnten Einsatz von Toneffekten und wunderschöner Animation erzählt. Es ist süß, beweist das Talent der Pixar-Animatoren und bringt WALL•E erneut in Verbindung mit der erfolgsgetränkten Pixar-Historie. Der Rest des Teasers, der das bislang bekannte Material etwas mehr ausschmückt, ist da fast schon nebensächlich. (Zum Teaser)
Mit der gleichen Studiologo-Spielerei beginnt letztlich auch der im Dezember 2007 veröffentlichte Trailer, der dem Zuschauer auch etwas von WALL•Es Alltag zeigt. Der kleine Roboter rollt durch den Müll, spielt mit ihm und gibt sich als tollpatschiges und außerordentlich neugieriges kleines Kerlchen. Man merkt: Mit den frühen Teasern und Trailern versuchte Pixar vornehmlich den Film über seine Hauptfigur zu verkaufen, nicht etwa über seine Geschichte. Alles drehte sich darum, wie großartig animiert und liebenswürdig die Figur WALL•E ist. Worum es im Film gehen könnte wird in besagtem Trailer nur angedeutet: Ein Raumschiff landet und weckt WALL•Es Interesse. Aha, die Geschichte führt den Zuschauer also auch in die weiten des Weltalls... (Zum Trailer)
Die Animationsfans hatte Pixar spätestens hier komplett im Sack. Eintrittskarten waren eigentlich schon gesichert, weiteres Werbematerial schürte lediglich die Ungeduld. Von nun an galt es vornehmlich, WALL•E im Gedächtnis des etwas unkonzentrierteren Gesamtpublikums zu verankern. Zu diesem Zwecke gestaltete Pixar zahllose kleine Vignetten, in denen WALL•E Gegenständen begegnet und sich mit ihnen die Zeit vertreibt. Diese witzigen und knuffigen kurzen Spots wurden hauptsächlich für das Internet gestaltet, manche jedoch fanden auch ihren Weg ins Kino (z.B. WALL•Es Begegnung mit einem Staubsauger) oder ins Fernsehen (WALL•E trifft einen Magneten, einen Fußball, einen Basketball, einen Fußball,...) und die Staubsauger-Vignette wurde in den USA zum Superbowl mit einer Toy Story-Rahmenhandlung versehen, womit Pixar erneut Assoziationen zwischen WALL•E und beliebten Pixar-Klassikern erstellte.
Bemerkenswert ist, dass die Werbekampagne zu WALL•E aus dem Hause Pixar stammt, da sich das Studio aus Glendale über die Marketingmaßnahmen Disneys zu Ratatouille beschwerte und verlangte, beim nächsten Film selber die Zügel in die Hand zu nehmen.
Das Marketing verlief lange Zeit absolut vorbildlich, gen Ende der Kampagne verlor es zwar etwas an seiner Einmaligkeit, aber die generelle Qualität der Trailer ließ nicht nach. So war der zweite Trailer zwar weiterhin witzig und toll geschnitten, doch leider gab er es auf, sich gegen die Trailerkonventionen aufzulehnen und die Geschichte nur minimal anzuschneiden. Bloß der an 70er-Sci-Fi-Trailer erinnernde Sprecher war wieder ein eigenwilliger und origineller Touch. (Trailer in der Sci-Fi-lastigeren US-Version ansehen / Trailer in der internationalen Version auf Deutsch ansehen.) Dank des verwendeten Materials war dieser Trailer dennoch sehr gut, und dieses Mal wurde auch stärker deutlich, dass es im Film um WALL•Es Liebe zu EVE geht,
Auf Englisch gab es außerdem einen, für das Massenpublikum etwas durchschauberer gehaltenen, Buy n Large-Werbetrailer sowie einen actionreichen Zusammenschnitt, und auch die romantischen Elemente wurde in einem Trailer vom restlichen Filmmaterial losgelöst in den Fokus gerückt.
Versucht man anhand dieser, und all den anderen Werbematerialien, sich im vorraus ein Bild von WALL•E zu machen, so ergibt sich der Eindruck eines außerordentlich süßen, liebevoll animierten Sci-Fi-Abenteuers auf einer zerstörten Erde, das sich voll und ganz auf seinen charmanten Hauptcharakter stützt und dessen Kern eine unschuldige Liebesgeschichte ist, aber auch Gesellschaftskritik auszuteilen vermag.
Eine sehr komplexe Vorstellung. Jedoch ist man es als Verehrer der filmischen Kunstform auch schon längst gewohnt, dass Trailer einen falschen Eindruck erwecken könnnen.
Bei WALL•E war dies jedoch nicht der Fall. Die Trailer erschufen keine Handlungselemente aus dem nichts oder plusterten kurze Nebensächlichkeiten zu wichtigen Teilen des Films auf.
Tatsächlich formte Pixar mit der hervorragenden Werbekampagne zu WALL•E ein zutreffendes Bild von der Filmhandlung, ohne zuviel von ihr zu verraten.
WALL•E beginnt rund 800 Jahre in der Zukunft. Die Erde ist vertrocknet und mit Müll übersät. Dies und die verlassenen, gigantischen Städte sind die letzten Überbleibsel der Menschheit, die sich ihrer Verantwortung für den Planeten entzog und ins Weltall übersiedelte.
In der trostlosen Einöde geht jedoch ein einzelner Müllroboter namens WALL•E weiterhin tüchtig seiner Arbeit nach. Lediglich von einer ihm getreuen Kakerlake begleidtet rollt der rostige Kasten durch die staubigen Müllberge und presst den ganzen Schutt zu kompakten Würfeln zusammen, aus denen er riesige Müllwolkenkratzer erbaut.
Entgegen seiner Programmierung entwickelte WALL•E eine Persönlichkeit: Gutmütig kümmert er sich um seinen Kakerlakenfreund, mit kindlicher Neugiere spielt er mit auffälligem Müll, Dinge die ihm besonders gefallen nimmt er sogar in seinen Truck mit, wo er vor der gefährlichen Witterung geschützt ist und sich eine heimelige Umgbung geschaffen hat. Dort sieht er sich auch regelmäßig ein abgenutztes Videoband des Musicals Hello, Dolly! an, vor allem dessen Lieder Put On Your Sunday Clothes und It Only Takes A Moment faszinieren WALL•E. Er ahmt die Choreographie nach, nimmt sich kurze Ausschnitte aus den Liedern auf und spielt sie tagsüber ab, während er durch die verlassene Erde rollt. Den größten Einfluss auf WALL•E übt jedoch die Szene aus, in der Michael Crawford und Irene Molloy am Ende ihrer Liebesballade Hand in Hand durch den Park gehen. Dadurch blüht in dem kleinen Roboter die Sehnsucht nach Liebe und einer Partnerin, eine für WALL•E aussichtslose Hoffnung, die einzigen Roboter denen er begegnet sind andere, zerstörte WALL•E-Modelle, die bereits vor sehr langer Zeit inmitten des Mülls ihren Geist aufgaben.
Zu Beginn eines Tages, der auch wie jeder andere hätte verlaufen können, sollte WALL•Es Schicksal eine Wende nehmen: Ein alles überragendes Raumschiff landet mit viel Getöse auf der Erde und setzt nach allerlei mysteriösem Gesurre und sicherheitstechnischem Schnickschnack eine glänzend polierte, weiße Robotersonde namens EVE aus.
EVE zieht auf Anhieb WALL•Es Aufmerksamkeit auf sich, und so beobachtet er mit bewundernden Blicken das elegante, grazile und zugleich enorm kraftvolle Geschöpf. Heimlich.
Während EVE die gesamte Umgebung durchsucht und mit ihrem eingebauten Scanner durchleuchtet, versucht WALL•E vorsichtig EVEs Interesse auf ihn zu lenken. Seinen naiven und je nach Sitauation viel zu unauffälligen oder arg plumben Versuchen schenkt EVE vorerst keine Beachtung, doch eines Abends gelingt es WALL•E endlich und er kommt mit EVE ins Robotergespräch, das vornehmlich aus Gepiepse, Gesurre, Geklacker und kurzen Wortfetzen besteht. Noch bevor sie ihre Beziehung vertiefen können, braut sich wieder eine Staubfront auf, weshalb WALL•E sich und seine neue Bekanntschaft in seinen Truck rettet, wo er ihr seine geliebte Ansammlung an kurzweiligem und hübschen Müll vorführt. Darunter befindet sich auch eine Pflanze - EVEs Programmierung gewinnt beim Anblick dieser wieder an Oberhand: Sie hat die Aufgabe nach pflanzlichem Leben auf der Erde zu suchen und es sich einzuverleiben, bis sie wieder von einem automatisiert gesteuerten Raumschiff eingesammelt wird.
WALL•E, der sich alledem natürlich nicht bewusst ist, gerät in Panik und Besorgnis, als er mit ansieht, wie EVE nach der Pflanze greift und sich sofort danach abschaltet. Zunächst vermutet er, dass sie sich wieder aufladen muss und versucht auf allerlei Wege seine große Liebe wieder mit Energie zu versorgen. All seine Versuche bleiben fruchtlos, und so bemüht er sich, die sich im Stand-By-Modus befindliche EVE zu amüsieren. Nach langer, ergebnisloser Zeit muss WALL•E langsam einsehen, dass er EVE wohl für immer verloren hat. Sichtlich betrübt, versucht WALL•E weiterhin seinem Tagwerk nachzugehen, als das Raumschiff, das EVE absetzte, zurückkehrt und sie wieder einsammelt.
WALL•E krallt sich an dem Raumschiff fest und findet sich nach einer langen, wunderschönen und eindrucksvollen Reise durchs Weltall im AXIOM wieder, der exorbitant kolosallen Weltraumsiedlung, die seit nunmehr 700 Jahren der Lebensraum der Menschheit ist.
Dort verkam die so genannte Krone der Evolution mittlerweile zu einem großen Haufen übergewichtiger, unbeweglicher Riesenbabys, deren Leben nur noch aus Schlafen und virtuellem Sport oder digitaler Kommunikation besteht. Den ganzen Tag über lassen sie sich von Schwebeliegen durch die Mutter aller Raumschiffe kutschieren und jeden ihrer Wünsche von Robotern erfüllen. Augen für die luxuriöse Umgebung, in der sie sich befinden, haben sie ebenso wenig wie einen eigenen Willen. Über riesige Hologrammbildschirme und direkt vor ihren Köpfen ausgestrahlten Mini-Interfaces werden sie von Werbebotschaften und Systemmeldungen der AXIOM gesteuert. Sie sind, von ihrem Gewicht und ihrer Unbeweglichkeit abgesehen, kaum noch von den Robotern auf der AXIOM zu unterscheiden. Auch diese zeigen, im Gegensatz zu WALL•E, keinerlei Eigeninitiative, verfolgen stur ihre Programmierung und bleiben stets auf den ihnen vorgegebenen Strecken.
Über allem wacht der Kommandant der AXIOM, wobei seine Stellung kaum weniger Lethargie mit sich zieht, als es im Alltagsleben der restlichen Passagiere des Schiffes gibt. Der Bordcomputer und die zahlreichen Roboter kontrollieren die Funktionen und Bereiche des Schiffes, allmorgendlich wird der Kommandant durch seine Kommandozentrale gefahren, um auf den Bildschirmen die sich niemals verändernden Werte und Zahlen zu überblicken. Lediglich die Morgenansprache hält er selbst, hier darf er ausnahmsweise handeln. Und auch, wenn es wenig zu berichten gibt, so ist ihm dieses bisschen an selbst getaner Arbeit lieb und teuer.
EVEs Ankunft bringt einen unerwarteten Punkt auf seine Tagesordnung: Der Befund, es gäbe wieder Pflanzen auf der Erde bedeutet, dass dort wieder Leben möglich ist. Wie die vor 700 Jahren aufgezeichnete Videobotschaft des alleinigen Buy N Large-Geschäftsführers Shelby Forthright vorschreibt, soll der Kommandant nun die Heimreise antreten. Dafür müsse er lediglich die Pflanze in eine für diesen Fall vorgesehenen Sonde legen, die AXIOM trete daraufhin automatisch die Heimreise an.
WALL•E (der stets von M-O, einem kleinen Desinfizierungsroboter, verfolgt wird) hat auf der AXIOM nur eins im Sinn: Er muss unbedingt zu EVE. Doch immer wieder wird er durch Zufälle oder Missverständnisse von ihr getrennt. Als er sich in der Kommandozentrale endlich wieder mit ihr vereint sieht, muss der Kommandant feststellen, dass sich in EVE keine Pflanze befindet. EVE verdächtigt WALL•E, daran Schuld zu haben und straft ihn ab, indem sie ihm die kalte Schulter zeigt.
WALL•E ist deshalb zutiefst verletzt und möchte sich wieder mit EVE versöhnen, während die beiden auf Befehl des Kommandants in die Reperationszone gebracht werden, EVE allerdings geht nicht auf die Gebarden des unendlich in sie verliebten Roboters ein.
Dort angekommen begegnet WALL•E mehreren Robotern mit Fehlfunktionen, während EVE repariert wird, was WALL•E allerdings nicht klar wird, da es für ihn so aussieht, als würde seine Angebetete gefoltert. Tapfer möchte er sie befreien, womit er aber nur für weiteres Chaos sorgt. Schon zuvor brachte er bei der Suche nach EVE vieles aus dem Takt, befreite Menschen aus ihrer Monotonie, doch mit der außer Kontrolle geratenen Befreiungsaktion EVEs (und allen anderen Robotern auf der Station) stellt er das gesamte AXIOM auf den Kopf. Das Sicherheitssystem klassifiziert WALL•E und EVE als bedrohlich und eröffnet die Hetzjagd.
EVE schleppt WALL•E aufgrund dieser Ereignisse zu einer Raumkapsel, die ihn zurück zur Erde bringen soll, doch darauf lässt er sich nicht ein, er möchte bei EVE bleiben.
Vor den Toren der Raumkapsel beobachten die Zerstrittenen, wie ein Roboter des Modells GO-4, die "rechte Hand" des Autopiloten "Auto", die verschollen geglaubte Pflanze in die Raumkapsel stellt, was auf einen Schlag das Misverständnis zwischen WALL•E und EVE aus der Welt schafft und wieder Hoffnung auf eine Wiederbesiedelung der Erde entstehen lässt, wenn auch nicht für lange. Denn noch bevor WALL•E und EVE die Pflanze holen können, startet die Raumkapsel mit aktivierter Selbstzerstörung und nur mit WALL•E an Bord auf seinen Weg ins Weltall.
WALL•E kann der explodierenden Kapsel mittels einem Feuerlöscher entkommen, den er nun auch voller Spielfreude dazu benutzt durch das Weltall zu düsen. Außerdem rettete er die kleine Pflanze, die er stolz EVE präsentiert, die davon ausging, dass WALL•E in der Explosion umkam. Anstatt erneut stur ihrer Programmierung zu folgen, fällt sie WALL•E um den Hals und gibt ihm, froh dass er noch lebt, einen Kuss und schwebt mit ihm um das AXIOM, wobei sie zufällig von zwei der Menschen beobachtet werden, denen WALL•E zuvor begegnet ist und die durch diese Begegnung ausgelöst langsam eine individuelle Persönlichkeit entwickeln.
Während dessen ist der Kommandant, ebenfalls durch WALL•E inspiriert, in die zahllosen Informationen über das Leben auf der Erde versunken, die der Bordcomputer auf der Festplatte hat, die er aber nie zuvor abfragte. Von seinem neuen Wissen gebannt und begeistert, lässt ihn der Gedanke zur Erde zurückzukehren nicht mehr los.
Als WALL•E und EVE wieder an Bord der AXIOM zurückkehren, versucht WALL•E mehrfach EVEs Hand zu halten, doch EVE denkt wieder an ihre Aufgabe und heckt Pläne aus, wie sie zurück zum Kommander gelangen kann. EVE gelangt wieder zum Kommandanten, während WALL•E auf sie warten soll, und überbringt dem begeisterten Kommandanten die Pflanze. Er lässt sich EVEs Erinnerungen zeigen, von denen er sich erhofft, seine neu gewonnene Neugierde stillen zu können. Schockiert muss der Kommandant feststellen, dass die Erde nicht so wie in seinen Vorstellungen aussieht. Diese Erkenntnis stachelt seinen Ehrgeiz, endlich etwas verändern zu können nur weiter an. EVE sieht derweil die Videos aus der Zeit, als sie sich im Stand-By-Modus befand und erkennt, was WALL•E alles für sie getan hat.
Der Kommandant möchte alles für die Rückkehr zur Erde vorbereiten, doch nun zeigt der Autopilot Auto sein wahres Gesicht.
Zusammen mit GO-4 verletzt er WALL•E und EVE, bevor er sie und die Pflanze auf das Mülldeck werfen lässt, und auch den Kommandanten verschont Auto nicht, allerdings erläutert er diesem auf Befehl sein Verhalten. Er folgt der Direktive A113, einer vom Buy N Large-CEO Shelby Forthright versandten Geheimnachricht. Laut dieser soll Auto die Rückkehr zur Erde verhindern, da Buy N Larges Pläne, die Erde wieder in einen bewohnbaren Zustand zu bringen, kläglich scheiterten.
Auf dem Mülldeck kann sich die um ihren Freund besorgte EVE problemlos neustarten, doch WALL•E ist schwer angeschlagen. Dank M-O entkommen die zwei knapp der Entsorgung. Kaum in Sicherheit, durchsucht EVE das gesamte Deck nach einer neuen Plantine, um WALL•E zu retten, doch dieser besteht darauf, dass EVE ihre Aufgabe erfüllt, auf der Erde gäbe es genügend Ersatzteile für ihn.
Der Versuch, die Pflanze zum für sie vorgesehenen Scanner zu bringen wird von Auto jedoch mit aller Macht vereitelt, wobei der ohnehin schon schwer beschädigte WALL•E endgültig zu einem Klumpen Metall zerdrückt wird. Vom Anblick des schrottreifen WALL•Es schockiert und hoch erzürnt nimmt der zuvor von Auto niedergestreckte Kommander all seine Energie zusammen, und steht ohne fremde Hilfe, aus eigener Kraft vom Boden auf und bekämpft Auto erfolgreich.
Das AXIOM tritt endlich die Rückreise zur Erde an. Sofort nach der Ankunft düst EVE mit WALL•Es Überresten in ihren Armen zu WALL•Es Truck, wo sie ihn eiligst wieder zusammenbaut. Nur ist es nicht mehr der alte WALL•E - statt EVE entgegenzurollen, verfolgt WALL•E mit starrem Blick seine Aufgabe, EVEs Versuche ihn mit Stücken seiner umfassenden Sammlung an alte Zeiten zu erinnern scheitern. EVE folgt WALL•E, der sich auf den Weg macht seine Aufgabe zu erfüllen und hofft, ihn mit den Musikaufnahmen auf seinem Speicher wieder an sie zu erinnern, aber als sie auf die Play-Taste drückt ertönt nur rauschen.
Niedergeschlagen möchte EVE sich von WALL•E verabschieden und küsst ihn, während sie seine Hand hält. Durch den Kuss "wiedererweckt" justiert sich WALL•E neu und erlangt seine Erinnerung an EVE wieder.
WALL•E, EVE, die "kaputten Roboter" die zuvor an der Seite der beiden gegen die Sicherheitsroboter kämpften und M-O leben von nun an glücklich auf der Erde, die wieder von den Menschen bevölkert wird.
Der Film beschließt mit dem Neubeginn der menschlichen Zivilisation und der ewig glücklichen Liebe zwischen WALL•E und EVE, visualisiert durch Zeichnungen in sich weiterentwickelnden Kunstformen, von simpelster Höhlenmalerei über Mosaiken bis zu Bildern im Pinselstrich berühmter Maler oder auch pixelige 80er-Videospieloptik. Es ist ein malerischer, bedeutungsvoller Abspann, der eine innerliche Ruhe ausstrahlt, unterstützt von Peter Gabriels schwärmerischen, für den Film geschriebenen Song Down to Earth.
Beim Betrachten dieses seelenruhigen Abspanns, der WALL•E auf der genau richtigen Note zum Abschluss bringt, möchte man fast sagen, dass Pixar erwachsen geworden ist. Mit den von Drehpannen und anderen witzigen Clips begleiteten "Closing Credits" von Das große Krabbeln, Toy Story 2, Die Monster AG und Cars hat dieser Abspann nichts mehr gemein, auch der ruhige, aber weiterhin witzige Abspann zu Findet Nemo oder der visuell beeindruckende, an Konzeptzeichnungen angelehnte Schluss von Die Unglaublichen oder Ratatouille erfüllt den Zuschauer nicht so sehr wie dieser.
Dennoch ist WALL•E nicht Pixars Reifezeugnis - das hat das Trickstudio nämlich schon längst abgelegt. Pixar produziert Filme, hinter denen die dafür verantwortlichen Künstler mit vollem Herzen stehen, und das spürt man als Zuschauer auch. Das Publikum wird von Pixar ernst genommen und nicht als mögliche Wirtschaftsausbeute betrachtet. Oder wie Andrew Stanton sagte: Pixar sind Musiker in einer Garage, die so spielen, wie sie wollen. Nur dass sie danach ihre Alben veröffentlichen.
Paradoxerweise ist es gerade diese juvenile Herangehensweise, die allein von künstlerischen Ambitionen gesteuert wird, die Pixar zum derzeit reifsten Animationsstudio in der westlichen Filmwelt macht. WALL•E ist kein Reifezeugnis, sondern die vorläufige Bestnote auf selbigem.
Obwohl Pixar die Luft nach oben auf der Qualitätsskala schon längst hätte ausgehen müssen, übertrafen sich die hingebungsvollen Trickfilmmagier erneut selber. Vor allem aber wirkt diese unglaubliche Leistung bei WALL•E wie eine kleine Fingerübung, eine solche Leichtigkeit strahlt das Meisterwerk aus. Bedenkt man, welche komplexen Themen in WALL•E angesprochen werden und dass der Film nahezu ohne menschliche Dialoge auskommt, ist es um so erstaunlicher, dass Andrew Stanton und sein Team dieses Kunststück vollbringen konnten.
Was mich besonders beeindruckt ist, dass bei WALL•E dieser versprühende Frohsinn, die Lockerheit mit der er die zahlreichen Themen behandelt werden, mit einer wichtigen Aussage des Films konform geht. Die vermeintliche Simplizität der Filmemacher im Umgang mit den aufgezeigten Problemen unserer Gesellschaft ist nämlich kein aus kommerziellen Gedanken getroffenes, verkrümmtes Eingeständnis gegenüber dem familiären Massenpublikum, sondern ein beachtenswerter Kunstgriff. Es ist eine ehrlich gemeinte Einfachheit, dank welcher Form und Aussage des Werkes vereinheitlicht werden.
Der Film WALL•E zeigt sich streckenweise sehr simpel, es gibt keine komplexen Dialoge oder den Zuschauer überfordernde, wissenschaftliche Erklärungen, auch die Bildsprache des Films bleibt trotz aller sich anbietenden, tieferen Interpretationsansätzen selbst einem unaufmerksamen Publikum in den wesentlichen Elementen leicht verständlich. Doch wie jeder erkennen sollte, der sich mit Filmen im Allgemeinen, und Animation im Besonderen beschäftigt, ist WALL•E das Ergebnis eines komplexen Gedankenprozesses. Diese mühevolle Arbeit macht sich dem nach Unterhaltung suchenden Zuschauer jedoch nicht bemerkbar, WALL•E trägt keine offen erkennbaren "Lasten", wirkt nicht kompliziert. Allein das hohe Qualitätsniveau deutet auf eine lange, genau durchdachte Produktion hin.
Oder anders gesagt: Mit WALL•E nimmt sich Pixar einer schweren Aufgabe mit wichtigen Themen auf eine scheinbar leichte, und angenehme Art an. Womit sich die Handlung an ihre eigenen Aussagen hält.
Als der Kommandant der AXIOM, der sich genau wie der Rest der Menschen bislang nur mit seiner Schwebeliege fortbewegte, unter den staunenden Augen sämtlicher Passagiere aufsteht und auf seinen eigenen zwei Beinen zum Autopiloten geht um ihn zu besiegen, wird dem Publikum zu verstehen gegeben, dass die aussichtslosesten Situationen nur gelöst werden können, wenn der Mensch auf seinen eigenen zwei Beinen steht, wortwörtlich und auch bildlich gesehen.
Mit einer für uns völlig alltäglichen Handlung bringt der Kommandant eine Kette von Ereignissen in Gang, die letztlich in die Lösung zahlreicher, verfahrener Probleme resultiert. Der Kommandant bricht aus seinem monotonen Leben aus und kann sich endlich selbstverwirklichen, er wird zum Vorbild der Menschen und hilft bei der Rettung WALL•Es, der Erde und der menschlichen Zivilisation. Das alles, ausgelöst durch eine simple, natürliche Bewegung.
Dabei schildern die Autoren des Films, Andrew Stanton und Jim Reardon, diesen Moment keineswegs als die sofortige Lösung sämtlicher Probleme, bis dorthin führt noch ein schwieriger Weg. Aber der Anfang sämtlicher Problemlösungen liegt im ersten Schritt, ohne diesen einen Impuls würde sich gar nichts zum besseren wenden. Der entscheidende Kern einer jeden noch so komplexen Situation liegt in etwas einfachem, selbst wenn es einem nicht immer so naheliegend erscheinen mag wie es in Wahrheit ist.
Das Aufraffen des Kommandanten gehört zu meinen Lieblingsszenen in diesem vor rundum gelungenen Szenen nur so strotzenden Film, allein schon weil sie reibungslos auf zwei Ebenen zugleich abläuft. Einerseits ist diese plötzliche Wende, der unerwartete Versuch wieder zu laufen dramatisch und hochspannend, ein idealer Konterpunkt zu WALL•Es kurz vorher gezeigten Beinahezerstörung: Man fiebert mit dem Kommandanten mit, da er WALL•E retten möchte, doch auch sein eigenes Schicksal ist von Bedeutung, man fiebert mit, möchte dass der Mensch (wieder) das Laufen lernt.
Andererseits ist diese Sequenz eine der witzigsten Stellen im gesamten Film, eine kongeniale, zutiefst abgedrehte Verbeugung vor Stanley Kubricks Genreklassiker 2001: Odyssee im Weltraum, die verständlicherweise nur ein Bruchteil des Publikums verstehen wird. Dessen Wissen wird von Stanton fürstlich entlohnt. Das Timing dieser Szene ist perfekt, die Kameraführung und der Einsatz von Richard Strauss' Also sprach Zarathustra sind optimal auf den Kommandanten abgestimmt. Zu köstlich und allein für diese Pointe lohnt es sich 2001 zu sehen, um mal kurz etwas filmhistorische Blasphemie zu verbreiten.
Auf Kubricks Klassiker wird in WALL•E auch an anderen Stellen angespielt, so lautet der Name der Kakerlake "Hal", in Anlehnung an den bösen Bordcomputer HAL-9000 aus 2001, dessen glühend rotes Auge im Design von Auto Verwendung findet. Außerdem findet sich bei der Morgenkontrolle des Kommandodecks eine weitere Anspielung auf 2001: Als der Kommandant mittels seines Stuhls zur Kontrolle der Schiffswerte durch das Deck gefahren wird, ertönt der Walzer An der schönen blauen Donau, welcher in 2001 als musikalische Untermalung der Andocksequenz dient, in der auch zu sehen ist wie eine Raumfahrt-Stewardess, wenn auch mit Mühen, der Schwerelosigkeit trotzt. Die Verwendung des Stückes in WALL•E ist herrlich subtil und ironiegetränkt - und für Nichtkenner der Vorlage keineswegs störend oder langweilig. Dieser Moment beweist somit nicht nur das humoristische Feingespür Stantons, sondern wieder einmal auch, wieso Pixar soviel besser ist als die Konkurrenz. Andere, von Popkultur-Anspielungen durchtränkte Animationsfilme, sind in wenigen Jahren wieder inaktuell, und die Zuschauer, die diese Pointen nicht verstehen sind einem Leerlauf im Film ausgesetzt. Wer aber 2001 nicht kennt, wird in WALL•E keinerlei Verständnisprobleme haben.
Der Kommandant ist jedoch mehr als nur ein Anlass, Kubrick-Referenzen in den Film einzubauen. Er ist auch, nachdem seine gelangweilte Schale völlig geknackt wurde, ein Spiegelbild WALL•Es: Genau wie WALL•E geht er tagein, tagaus die selbe monotone Arbeit nach, erfüllt seine sinnlose Aufgabe. Während WALL•Es Aufräumaktionen niemandem dienen, wird dem Kommandanten jegliche Verantwortung abgenommen, bis eine zufällige Begegnung mit einem Relikt der Vergangenheit (das Hello, Dolly-Videoband / der rund 700 Jahre alte Müllroboter WALL•E) die Sehnsucht nach einer Bestimmung im Leben weckt. So wie WALL•E zurückgelassene Objekte der Menschen sammelt, sammelt der Kommandant nach seinem Treffen mit WALL•E Informationen über seine Urahnen. Und beide bringen die Menschen zur Erde zurück und lassen deren Kultur neu auferblühen, auch wenn es nur eine Nebensache ist. Der Kommandant möchte einfach nur ein eigenes Leben führen - was nur auf der Erde möglich ist - und WALL•E möchte für immer und ewig glücklich mit EVE vereint sein. Dennoch kann man beide nicht als egoistisch bezeichnen, es ist nicht so, dass die Rückkehr zur Erde für sie ein hinnehmbares Übel ist. Sie sind sich den Auswirkungen ihres Handelns bewusst (beim Kommandanten ist dies offensichtlich, bei WALL•E ist es aus der Szene auf dem Mülldeck der AXIOM zu schließen, da dort deutlich wird, dass er EVEs Aufgabe verstanden hat und sie auch in Verbindung mit seiner einzigen Überlebenschance bringt), aber sie sehen sich nicht als Helden. Es geht ihnen einfach um Selbsterfüllung durch augenscheinlich einfache Dinge: Einen sinnvollen Arbeitsposten oder auch die große Liebe.
In diesem Film, der hauptsächlich von Robotern handelt, ist der Kommandant die wichtigste menschliche Figur. Dementsprechend repräsentativ steht er in diesem Film für die menschliche Rasse. Sollte er misslungen sein, so würde das gesamte Menschenbild in WALL•E leiden. Glücklicherweise verlernten die Animatoren und Storyschöpfer bei Pixar ob all dieser Arbeit an Maschinen nicht, wie sie sich einem animierten Menschen nähern sollte.
Gerade aufgrund der kleinen und unbeweglichen Rolle, die die Menschen in WALL•E spielen, ist hier jeder Fehler tödlich. Neue Wunder in der Charakteranimation kann man verständlicherweise nicht erwarten, schließlich liegen die Menschen nahezu den gesamten Film über bewegungslos wie klopsige Riesenbabys in ihren futuristischen Luxussesseln. Trotzdem vermeidet Pixar eine plumpe Darstellung - mit einigen wenigen, vor allem sehr kleinen Nuancen schaffen die Animatoren effizient einen glaub- und liebenswürdigen Charakter, dessen Gefühlsregungen auf visueller Ebene vornehmlich duch die Darstellung der Augen gezeigt werden. Noch wichtiger bei der Übermittlung dieses Charakters ist jedoch seine Stimme, mit der er all jenes vermitteln kann, was sein klobiger Körper nur ansatzweise zum Ausdruck bringen vermag. Zudem trägt der Sprecher des Kommandanten die schwere Bürde, dass er den Löwenanteil des menschlichen Dialogs spricht.
Dass in Deutschland ein TV-Komiker diese Aufgabe übernimmt, jagt so manchem sicherlich im ersten Moment einen Angstschauer über den Rücken, wenn auch zu Unrecht. Erneut bewies Disney auch international ein sicheres Händchen bei der Sprecherwahl: Unter der Regie von Timmo Niesner (der auch WALL•Es deutsche Stimme in all den Szenen spricht, in denen der O-Ton eine Übersetzung verlangte) sprach Markus Maria Profitlich den Kommandanten. Bereits bei Die Unglaublichen erwies sich Profitlich als riesiger Glückstreffer, und auch im nur mäßigen Himmel und Huhn gab er eine gute Performance ab. In WALL•E überzeugt er nun auf der ganzen Linie, verleiht seiner Figur eine herzliche Wärme und zu Beginn auch eine liebenswürdige Unwissenheit. Dank Profitlichs Tonfall wirkt die Szene, in der er ahnungslos ein Buch in den Händen hält nicht lächerlich, sondern bleibt rein witzig. Man empfindet in keinem Moment Verachtung für ihn, erkennt in ihm ein Opfer der Entwicklung, die die Menschheit durchmachte.
Ganz besonders gelungen sind die Szenen rund um die neu gewonnene Wissensbegierde des Kommandanten. Profitlich schafft es, ein breites Gefühlsspektrum auszubreiten, wenn der Kommandant den Bordcomputer nach weiteren Informationen über die Erde ausfragt. Seine Verwunderung und Begeisterung werden von einem erstaunten, ehrerbietenden Tonfall begleitet, es ist zugleich eine stille und laute Neugier, die der Kommandant zum Ausdruck bringt.
Auch die anderen Menschen mit nennenswerter Sprechrolle sind vom Gemüt her ganz sympathische Leutchen. Johns und Marys Charakter kann kein Wässerchen trüben, sie unterhalten sich offen, wenn auch verwirrt, mit WALL•E und freuen sich wie kleine Kinder, als sie ihn aus einem riesiegen Fenster blickend durchs Weltall düsen sehen.
Nun werden sich manche Zuschauer sicher fragen, ob eine solche Charakterzeichnung denn auch angebracht sei, schließlich erzählt WALL•E eine Geschichte, die auf einer durch die Menschen zerstörten Erde beginnt. Schneidet sich Andrew Stanton mit urplötzlich auftauchenden, freundlichen menschlichen Randcharakteren nicht ins eigene Fleisch?
Tatsächlich wird von manchen Zuschauern und Kritikern diese Entscheidung verurteilt, womit diese Kritiker meiner Meinung nach den springenden Punkt versäumen.
Sicherlich ist es naheliegend, in einem solchen Handlungskonstrukt wie dem von WALL•E, die meisten Menschen als Antagonisten darzustellen, ihnen Arroganz und Ignoranz vorzuwerfen, so wie es häufig in neuerer Satire zu beobachten ist.
Wie ich finde, ist es gerade diese Differenzierung zwischen naiver Dümmlichkeit und bösartiger Ignoranz, die den satirischen Ansatz von WALL•E zu einer Glanzleistung werden lässt.
Bevor WALL•E auf sie trifft, sind die Menschen lethargische, in einem muskelarmen, fetten Riesenkörper gefangene Babys, die sich von Robotern verhätscheln lassen und die ihre Entscheidungen von bunten Blinklichtern und anpreisenden Werbestimmen abhängig machen. Sie sind aber keine egozentrischen Ignoranten, die von den Problemen ihrer Umwelt wissen und diese zu Gunsten ihres eigenen Vergnügens aus ihrem Blickfeld ausblenden.
Eine solche Charakterzeichnung passt nicht zur Stimmung des Films und vor allem auch nicht zu seiner Geschichte. Die Menschen auf der AXIOM sind nicht die Verursacher der Umweltkatastrophe auf der Erde, nichtmal ihre Großeltern könnte man dafür verantwortlich machen. Sie waren weder vor der Zerstörung der Erde zugegen, noch entschieden sie sich für eine Umsiedelung ins Weltall. Insofern sind sie Opfer des verschwenderischen und zerstörerischen Lebensstil ihrer Ururururururahnen, die sich die Welt von den kommenden Generationen geliehen haben und zu Grunde richteten.
Trotzdem äußert sich auch sehr viel Gesellschaftskritik durch die Darstellung der AXIOM-Passagiere: Sie mögen nicht das Schicksal der Erde besiegelt haben oder bösartig sein, doch sie verrennen sich in kleine, naheliegende Bequemlichkeiten, zum Schaden ihrer Umgebung und vor allem zu ihrem eigenen Schaden. Die Passagiere der AXIOM sind gelangweilt, wissen nichts mit ihrem Tag anzufangen (was durch die Gesprächsfetzen klar wird, die zu hören sind, als WALL•E zu Beginn seiner Odyssee durch das Raumschiff an mehreren Menschen vorbeisaust), dabei leben sie in einem künstlichen Vergnügungsparadies mit Sport- und Freizeitanlagen. Die AXIOM ist keineswegs ein echtes Paradies, doch Kurzweil ließe sich mit offenem Kopf problemlos finden. Dass die Menschen aber nicht einmal dies auf die Reihe kriegen, ist eine sehr traurige Feststellung, und dabei ist sie nur die Spitze des Eisberges.
Das in WALL•E gezeichnete Zukunftsbild unserer Gesellschaft ist sehr wohl düster, bloß die Persönlichkeit der meisten Menschen nicht. Sie ist nicht bösartig, sondern schockierend außer Ruder geraten. Die breite Masse lässt sich von Konzernen überrumpeln und versinkt in einem maßlosen, unreflektiven Umgang mit der Technik sowie der Unwissenheit über ihre Kultur oder Vergangenheit. Sie entwickeln sich zu unmündigen, seelenlosen Klecksen aus Bindegewebe, Fett und Organen. Der Moment, als der Kommandant die verrottete Erde sieht und erst dadurch den Ernst der Lage erkennt, mit seinem Unglauben kämpft, dass das gezeigte die Erde sein kann, äußert eine viel deprimierendere Wahrheit, als jedes "Mensch-kehrt-sich-einen-Dreck-um-das-Wohl-anderer"-Szenario sein könnte. Eine solche Kritik betrifft nur einzelne, durchtriebene Individuen, dieser Gedanke betrifft dagegen die Gesellschaft an sich: Wir lassen uns blenden, verlieren den Blick für das wesentliche und übersehen die naheliegendsten Problemlösungen. Widerstandslos nehmen die Menschen ihre aufgezwungene Rolle an.
Überdeutlich ist auch die Botschaft, die dieses Zukunftsbild aussendet: Nur weil wir nicht der Ursprung des Übels sind, dürfen wir uns nicht aus der Verantwortung ziehen. Jeder ist dafür zuständig, dass er selbst nicht zu einer verstandsarmen Hülle verkommt, die Menschen allgemein müssen mehr eigene Entscheidungen treffen. Auch im Bezug auf den Umweltschutz ist klar, worauf der Film hinauswill. Wenn es so weitergeht wie bislang, wird uns der Müll bis zum Halse stehen. Diese Katastrophe zu verhindern mag beschwerlich sein, aber ein Anfang ist schnell gemacht.
An der Allgemeinheit wird in WALL•E keine verurteilende Kritik über unverbesserliche Menschen geäußert, sondern eine konstruktive Kritik an argen Problemen.
Aber auch bissige, zutiefst schwarze Kritik findet in WALL•E ihren Platz, nämlich in Form des bereits aus dem eingangs geschilderten Werbematerial bekannten Konzerns Buy n Large.
Anders als auf der viralen Fake-Webseite über den Großkonzern, bleibt BnL im endgültigen Film weitesgehend im Hintergrund. Zwar gibt es die gesamte Laufzeit über in fast schon regelmäßigen Abständen irgendwo das Buy n Large-Logo zu sehen (sogar nach dem Abspann), doch eine erheblichere Rolle spielt der Grokonzern vor allem in den ersten paar Minuten des Films, noch bevor EVE in WALL•Es Leben tritt. Deshalb äußert sich die schwarzhumorige Konsum- und Konzernkritik auch nur nebensächlich, schließlich ist es WALL•Es Film. Er spielt die zentrale Rolle und muss im Auftakt eingeführt werden.
Dennoch ließen es sich die kreativen Köpfe von Pixar nicht nehmen, wohl dosierte Schreckensvisionen eines übermächtigen und raffgierigen Konzerns in den Film einfließen zu lassen. WALL•E fährt durch die menschenleere Einöde, und völlig beiläufig fängt die Kamera Einkaufszentren, die sich bis zum Horizont erstrecken, oder Wirtschaftszentren ein, die unter der Kontrolle dieses Konzerns standen. Zerfetzte und verdreckte Geldscheine mit aufgedrucktem BnL-Logo liegen auf dem Boden, und obwohl die Zielgruppe (nämlich sämtliche menschlichen Wesen) längst verschwunden ist, machen die Hologramm-Werbewände für Buy n Large weiterhin ihren Dienst: Zum Beispiel preisen sie den Notfallplan für die Rettung der Menschheit als luxuriösen Erholungsurlaub an oder weisen auf dem Mond auf einen großen Lagerverkauf hin, während ein Banner im Buy n Large-Superstore für den "Evacuation Sale" wirbt.
Die bittren Angriffe auf den ausufernden Kapitalismus tragen mit dazu bei, dass der Beginn von WALL•E trotz des süßen und witzigen Roboters außerordentlich düster und deprimierend wirkt, der schwarze Humor verstärkt die Gefühle, die bereits von den schockierend real wirkenden Bildern der verlassenen und zerstörten Erde losgetreten wurden.
In diesem Zusammenhang die stärksten Gefühle auslösend ist für mich allerdings der Moment, als der Protagonist an anderen, nicht mehr funktionierenden WALL•Es vorbeirollt, die teilweise inmitten ihres Schaffens ausgingen. Es sind keine erschreckenden Bilder, Stanton zeigt sie wie selbstverständlich und ohne geschmacklos zu werden, doch wie sie inszeniert werden, als regungslose Schatten um "unseren" WALL•E herum, mit dieser erdrückenden Kameraarbeit, hinterlassen sie beim Zuschauer ein unkomfortables Gefühl, womit der Film eine verstörende, grimmige und alarmierende Erdung erhält. Wie sich WALL•E dann mit Ersatzteilen der kaputten Kameraden in Schuss hält ist zugleich zynisch und makaber, als auch von Pixar gewitzt eingesetzt. So bleiben die unangenehmen Elemente des Filmopenings im Hals hängen, überlagern aber nicht den restlichen Film. Es ist eine ganz eigene, ungewohnte Mischung, die sich hier präsentiert.
Dies trifft ebenfalls auf die Darstellung des alleinigen Geschäftsführers von Buy n Large zu, der im Laufe des Films dreimal mittels Videoaufzeichnungen zu sehen ist. Genau wie die Statisten in den Buy n Large-Werbespots ist auch er nicht am Computer animiert worden, sondern wurde von einem Schauspieler verkörpert. Der Buy n Large-CEO Shelby Forthright wird von Fred Willard gespielt, der unter anderem durch die Mockumentary This is Spinal Tap bekannt ist und sich mit seiner Mockumentary-Erfahrung auch perfekt für diese Rolle eignet.
Seine abschließenden Worte im BnL-Werbespot für die Reise in der AXIOM sind mit einer Herzensgüte ausgesprochen und einem ehrlichen Lächeln auf den Lippen, zugleich machen die Absurdität dieses Werbespots und das klischeehafte Versprechen des Firmenchefs am Ende des Spots (nach dem Motto: "Dafür steh' ich mit meinem Namen!") klar, was für einen scheinheiligen und raffgieren Verein Forthright leitet. Er scheint vom Typus des lächelnden Gebrauchtwagenverkäufers zu sein, doch seine zwei weiteren Auftritte vertiefen den schwarzen Humor dieser Rolle. Die Videobotschaft an den Kommandanten der AXIOM hält Fortright in einer Kulisse, die frappierend an US-Präsidentschaftsreden erinnert und Fred Willard verkörpert hier die Rolle eines nach außen so liebenswürdig und charmant wirkenden Mannes im besten Alter, dem die dumme, große Masse aus der Hand frisst, was ihm bei seinen geldgierigen und wahnsinnigen Machenschaften freies Geleit gibt. Fortright spielt nur den liebenswürdigen Onkel mit der großen Firma, und das wird im letzten Auftritt dieser Figur noch deutlicher. In der geheimen Botschaft an Auto, die vermutlich kurz vor seiner Flucht von der vor'm Kollaps stehenden Erde aufgezeichnet wurde, versucht er weiter seine Rolle zu spielen. Mit lieb aufgesagten Ratschlägen versucht er selbst den Robotern gegenüber sein Image aufrecht zu erhalten, stellt es so dar als hätte er niemals damit rechnen können, dass das alles so kommen wird. Doch in der Hektik und dem Chaos um ihn herum (er trägt eine Atemmaske, seine perfekte Kulisse hängt schief) bröckelt die Fassade, und der barschere Forthright mit dunklerem Tonfall bricht immer wieder durch.
Fred Willard spielt eine nahezu perfekte, bitterböse Satire auf doppelmoralische, scheinheilige Polit- und Wirtschaftsführer, es ist lustig und schockierend zugleich. Aufgrund der eher geringen Größe seiner Rolle müssen wegen ihm zwar nicht die Geschichtsbücher neu geschrieben werden, aber ich sehe in ihm zumindest den besten George W. Bush-Impersonator aller Zeiten, seien die Parallelen nun von ihm beabsichtigt oder nicht.
Was in WALL•E dagegen nicht kritisiert wird, ist entgegen zahlreicher Behauptungen in Rezensionen teils sehr prominenter Zeitungen, sinnlose Völlerei. Übergewichtigkeit wird in WALL•E zwar durchaus gezeigt, aber keinesfalls mit erhobenem Zeigefinger behandelt. Es ist eine simple Gleichung, der Andrew Stanton und seine Produktionsdesigner gefolgt sind: Wenn die Menschen sich der geringeren Schwerkraft in den Weiten des Weltalls und dem so auftretenden knochenverlust aussetzen und zudem nicht mehr bewegen, werden sie übergewichtig. Die ungesunden Proportionen der Menschen in WALL•E ist eine rein logische Entscheidung, es wäre ein Fehler gewesen die AXIOM-Passagiere als schlank darzustellen. Von verfressenen Trampeln ist in diesem Film dagegen nichts zu sehen. Zwar verteidigt WALL•E den ungesunden Lebensstil vieler Menschen nicht, allerdings ist der Film auch nicht die harsche Denunzierung, die einige in ihm sehen. Dass eine solche Ungelenkigkeit wie sie hier gezeigt wird Probleme mit sich bringt, weiß jeder. Dazu benötigt es keinerlei satirischer Mittel. Und tatsächlich ist der einzige "Dicken-Witz" in WALL•E klassischer Slapstick: Der Kommandant bleibt in einer engen Öffnung stecken. Restliche Witzchen auf Kosten der Menschen beruhen dagegen vielmehr auf deren Lethargie (sie schlafen weiter, während ihnen Atemhauben auf den Kopf gestülpt werden) oder auf deren Faulheit, durch die sie ihren Gleigewichtssinn verloren (weshalb sie anfangs nur sehr unsicher gehen) und an Gewicht zunahmen. Das Übergewicht ist genauso eine - üble -Folge dessen, aber keineswegs explizit als Auslöser gekennzeichnet.
Ebenso wenig äußert WALL•E Warnungen gegenüber Technik und Fortschritt im Allgemeinen. Manche konservativen Artikel machten aus WALL•E eine Abrechnung mit der Moderne, was mit Abstand die abwegigste Deutung dieses Films ist, die ich bislang gelesen habe. Die zwei Protagonisten dieser Produktion sind Roboter, die Titelfigur ist eine der liebenswürdigsten und friedliebensten Figuren die es im Kino je zu sehen gab - ein herzensguter, naiver und völlig unschuldiger Romantiker, durch den sich Roboter und Menschen gleichermaßen zum besseren wenden. In diesem Film tragen zahlreiche Roboter mit Seele dazu bei, der Menschheit auf den richtigen Weg zu helfen. Im Abspann wird sogar gezeigt, wie die Zivilisation mittels der Roboter schneller vorrangebracht wird.
Es ist nicht die Technik, die in WALL•E an den Pranger gestellt wird, sondern der kopflose Umgang mit eben jener. Durch unreflektierten Umgang mit den Errungenschften mit ihr nahm der Fortschritt in diesem Zukunftsbild die falsche Abzweigung. Es war nicht die Technik, die den katastrophalen Zustand der Erde oder die Verdummung der Menschen auf der AXIOM verursachte. Die AXIOM-Passagiere entschieden sich dazu, ihre Roboter für sie Tennis oder Golf spielen zu lassen., nicht etwa die Roboter selbst.
Pixar propagandiert mit WALL•E keineswegs konservative, anti-fortschrittliche Parolen, sondern lediglich gesunden Menschenverstand. Eine simple, aber leider auch dringende und wahre Botschaft.
Zweifelsfrei verhelfen die gesellschaftskritischen Elemente zur großen Klasse dieses Films, da sie ihn bedeutsam machen und das ältere Publikum auf einem angenehm hohem geistigen Niveau ansprechen, dennoch ist WALL•E unleugbar in erster Linie eine Liebesgeschichte. Die Umweltkatastrophe und die schockierende Entwicklung der Menschheit sind in all ihrer komplex durchdachten, tiefsinnigen Form lediglich Notwendigkeiten und Ausschmückungen für die zentrale Romanze, mehr oder minder zufällig entsehende, aber definitiv kluge Aussagen.
Mit WALL•Es Liebe zu EVE steht und fällt der gesamte Film, doch Pixar hat alles richtig gemacht. Bereits die anderen Facetten dieser Geschichte wurden mit viel Liebe zur Sorgfalt ausgearbeitet, mit dem romantischen Plot übertrafen die Verantwortlichen jedoch sämtliche Erwartungen. Für mich sind WALL•E und EVE das romantischste Paar der Filmgeschichte, ihre Liebe zueinander wird ergreifend ehrlich und unverdorben dargestellt, ohne jemals übertrieben oder kitschig zu werden. Pixar präsentiert mit ihnen die für mich reinste und emotional realistischste Form von wahrer Liebe, die das Kino bislang zu bieten hatte.
Sowohl die Darstellung dieser Liebesgeschichte, als auch ihr Verlauf sind makellos, es gibt nichts, was ich daran geändert sehen möchte. Es ist immer wieder erstaunlich, welche emotionale Tiefe die Animatoren und der Sounddesigner Ben Burtt hier mit Geräuschen, kurzen Wörtern und liebevoller Charakteranimation kreiert haben. Das gesamte Filmgeschäft wird somit vorgeführt. Sämtliche musikalischen, dialoglastigen, altmodischen, klassischen und modern-derben Romanzen werden von einem Vertreter des Animationsfilms deklassiert, einem Medium das Vertreter des Publikums sowie der professionellen Kritikerzunft noch immer fälschlicher Weise als Kinderfilmgenre verhöhnen.
Bereits die Paarung ist ideal: Ein rostiger, klobiger und kleiner Müllroboter, dessen Äußeres rein praktischen Maßstäben folgt, verliebt sich in eine kraftvolle, glänzend weiße Roboterdame, deren Mechaniken unter einem modernen und ansprechenden Design versteckt sind. Nach konventionellen Kriterien bewertet verliebt sich hier das Biest in die Schöne, doch die magischen Hände (und Animationsprogramme) der Pixar-Animatoren verwandeln WALL•E in einen Publikumsliebling, durch seinen Charakter gewinnt die "Karosserie" des Müllroboters an Anziehungskraft, was vor allem in der Szene deutlich wird, wo WALL•E rein nach seiner Programmierung arbeitet. Hier ist er nicht weiter süß und aussagekräftig, sondern eine leere Maschine.
Den restlichen Film über jedoch empfindet das Publikum auch WALL•E als (seeeeeehr) ansprechend, eben da sein Charakter so viel ausmacht. Dadurch lässt sich auch nachempfinden, weshalb sich EVE im Laufe des Films ebenfalls in WALL•E verliebt. Anderweitig wäre es ziemlich unrealistisch - wieso sollte sich eine hochmoderne Maschine im Stile der Apple-Ästhetik in einen kleinen Kubus vergucken, wenn nicht wegen dessen Charakter?
Zugleich ist es auch vollkommen nachvollziehbar, dass sich WALL•E Hals über Kopf in EVE verliebt, repräsentiert sie doch all jenes, was er in seiner verdreckten Welt nicht kennt. Sie ist sauber, elegant sowie voller Inbrunst und Kraft. Was besonders zu gefallen weiß: Mag WALL•E der neu auf der Erde angekommenden EVE bei ihrem ersten Erkundungsflug noch neugierig und bewundernd hinterherschauen (was sein Interesse an EVEs äußerem bekundet), so wird er erst wirklich schwach, als er ihren Charakter erlebt. Wenn EVEs technische Überlegenheit zum Tage kommt, etwa ihre bessere Sprachausgabe oder ihre Laserkanone (wenn auch erst beim zweiten Mal, anfangs erschrickt WALL•E ja vielmehr), dann lässt WALL•E ein so knuddeliges "Ohhhh" ertönen und klimpert jauchzend mit den Augen, dass es keiner weiteren Erklärungen benötigt um zu erkennen, wie sehr er ihr nun verfallen ist.
Eine der schönsten Szenen des gesamten Films folgt kurz darauf im Anschluss: WALL•E zeigt seiner Angebeteten einige seiner wertvollen Sammelstücke, voller Begeisterung endlich jemandem die Früchte seiner Leidenschaft vorzuführen und sicherlich auch in der Hoffnung, EVE zu beeindrucken. Nachdem EVE die anfänglichen Aggressionen gegenüber neuem (etwa dem singenden Fisch, den sie sogleich mit ihrer Kanone bedroht) abgebaut hat, zaubert WALL•E immer schneller weitere Entdeckungen hervor, möglicherweise weil es ihn so sehr freut, dass EVE seine spielerische Neugier zu teilen scheint. Als EVE dann ein Feuerzeug anzündet, richtet sich die Kamera gegenüber von WALL•E auf die wie hypnotisiert ins Licht starrende Roboterdame, während der ebenfalls vom Feuer faszinierte WALL•E nur unfokussiert zu erahnen ist. Langsam ändert sich der Fokus der Kamera, die nun WALL•E scharf stellt, dessen Blick bedächtig und klammheimlich vom Feuer zu EVE rüberwandert. Schüchtern und am gesamten Leib zitternd versucht er ihre Hand zu halten. Dieser stille Moment ist pure, aus dem Leben gegriffene Kinomagie und sagt viel mehr über WALL•Es Gefühle aus, als es tausend Worte könnten. Der krönende Abschluss dieser kurzen Szene zeigt, wie EVE sich nur minimal rührt, woraufhin WALL•E völlig ruckartig gen Boden blickt und mit der Perforierung des Bodens spielt, als ob er die gesamte Zeit über den Boden bewundert hätte und sich über dessen Muster wundert: "Oh, hey... EVE... also, boah, das ist vielleicht ein Boden, oder? Mh, war was? Nein, ich hab' dich nicht angeguckt, neiiiiiiin, und deine Hand wollte ich erst Recht nicht halten... der Boden ist sooo viel interessanter... ja.. guck' doch auch Mal! Hübsch, nicht?!" Allerspätestens während dieser Szene müsste jedem Zuschauer bewusst werden, dass WALL•E nicht bloß eine Maschine mit Verstand und Seele ist, wie wir sie zuhauf im Kino erleben, sondern wirklich menschlich ist.
In den romantischen Plot wurden noch viele weitere solcher Momente eingebaut, in denen WALL•E durch seine Reaktionen auf EVE noch mehr menschelt, als im restlichen Film. Die Reinheit seines Wesens und die so naiven Annäherungsversuche zu Beginn lassen ihn wie einen kleinen, tollpatschigen Schuljungen wirken, der sich in das schönste Mädchen der ganzen Schule, ach, der ganzen Stadt verliebt hat. Mangels Erfahrung ist er sich der Aussichtslosigkeit seiner Versuche gar nicht bewusst und so kommt es, dass er trotz andauerndem Misserfolg immer wieder neue Ansätze ausprobiert. Dies führt letzten Endes nicht nur zum Erfolg, sondern auch in einer so echt wirkenden Charakterzeichnung, dass man zeitweise völlig vergisst, einen Film über Roboter zu sehen. WALL•E lädt zum identifizieren ein, er zieht die Sympathien eines jeden, der sich in Liebesdingen schonmal tölpelhaft angestellt hat magisch an. Man lacht über ihn, über sich und als Animationsfan lacht man auch aus schierer Freude an der exzellenten Animation. Denn WALL•E ist voll und ganz als Maschine konzipiert, beim Design achteten Regisseur Andrew Stanton und der leitende Charakterdesigner Jason Deamer darauf, dass sämtliche Bauelemente dieser Figur auf seine Aufgabe ausgerichtet sind. Sie legten sich selbst Steine in den Weg, indem sie ihm zum Beispiel einen Mund versagten um so den Realismus zu wahren. WALL•E sollte keine dieser Figuren werden, die danach ausgerichtet wurden, wie man es dem Zeichner oder Animator leicht macht. Doch es ist diese Imperfektion, die WALL•E reizvoll macht, seine Menschlichkeit umso bewundernswert wirken lässt. Ja, sie definiert sich sogar aus seiner Makelhaftigkeit.
Kurioserweise kann WALL•E mit seiner rein maschinellen Optik nonverbal mehr Emotionen vermitteln, als die auf einer ästhetischen Außenschale ausgelegte EVE, die hauptsächlich mit ihren Augen und ihrer elektronischen Stimme kommuniziert. Sie ist in ihrer Körpersprache stärker eingeschränkt als WALL•E, wodurch die Szenen, in denen sie ihre Gefühle deutlich macht, umso mehr überraschen und erfreuen.
Die Weltallsequenz, in der EVE denkt, WALL•E sei in der Raumkapselexplosion zu Tode gekommen ist unter anderem auch deshalb der vorläufige Höhepunkt in EVEs und WALL•Es Beziehung. EVEs schockierte und ungläubige Reaktion auf die Explosion macht sie für den Zuschauer erst richtig traurig, anderweitig wäre man nur kurzzeitig schockiert, da die Auflösung ja bald darauf angebraust kommt. WALL•E rast mit unbändiger Freude durchs Weltall, und die nach ein paar schlecht abgestimmten Wiedervereinigungsversuchen jubiliert man für WALL•E, als EVE ihn glückselig umarmt und küsst. Der darauffolgende Tanz durchs die Schwerelosigkeit ist wunderschön gestaltet und rührend. Dass sich in dieser Sequenz die Musik vornehmlich zurückhält, und der Komponist Thomas Newman an dieser Stelle auf eine laute, schmalzige Tanzmusik verzichtet muss von mir noch gesondert erwähnt werden, da es eine nicht gerade naheliegende, aber hervorragende Entscheidung des Komponisten war. Vor allem in Disney-Trickfilmen haben sich Liebesballaden immer wieder als sehr passend und beim Zuschauer beliebt erwiesen, aber in dieser Szene hätte es viel zu erzwungen gewirkt. Durch diese Zurückhaltung des Scores gewinnt der spaßige und zugleich romantische Tanz an Kraft und Eleganz, wird wahrlich poetisch. Man kann mit den Figuren mitfühlen, wie in ihren Augen für einen kurzen Moment alles andere an Bedeutung verliert, förmlich verschwindet. Für WALL•E und EVE gibt es nur noch den jeweils anderen. Mit leichtem Instrumenteneinsatz vermittelt Newmann zudem auf akustischem Wege das Gefühl der Schwerelosigkeit.
Newmanns Hintergrundmusik ist auch den restlichen Film über sehr gelungen, Michael Giacchinos Pixarmelodien übertrumpft er meiner Meinung nach allerdings nicht ganz, sofern man das beurteilen kann. Denn der Score für WALL•E ist auch in anderen Sequenzen zurückhaltender, die schönen Melodien Newmanns unterstreichen den Film vorsichtig, statt musikalisch einzufärben. Zwei unterschiedliche Herangehensweisen, beide sind perfekt für die jeweiligen Filme. Ein gerechtes Urteil kann ich da kaum fällen.
Nun aber zurück von der Filmmusik zur Liebesgeschichte, genauer gesagt zu deren Abschluss, welches zugleich auch die packende und rührende Schlusssequenz des Films darstellt.
Normalerweise sind solche Gedächtnisschwund- oder "Totgeglaubt und dann doch noch lebendig"-Kniffe eher ein Zeichen für eine Schwache Erzählweise. Unzählige Soaps schufen mittels dieser Handlungswendungen künstliche Spannung, die vom geistig wachen Zuschauer gerne durchschaut wird und vor allem Trickfilme sind mittlerweile für den inflationären Gebrauch von Momenten, in denen eine Figur als tot gilt, nur um kurz darauf triumphal zurückzukehren, berüchtigt. Ausnahmen gibt es nur wenige, etwa am Ende von Das Dschungelbuch, wo Balu der ganzen Situation eine komische Seite abgewinnen lässt. Oder von nun an halt auch in WALL•E.
Das Timing dieser Sequenz ist brillant, gebannt hoffte ich als Zuschauer mit EVE mit, dass WALL•E wieder funktioniert. Nachdem sich seine Energie wieder voll auflud, folgt eine kurze Phase der Erleichterung, bis man durch WALL•Es starre Haltung, leblosen Augen und anhand der mangelnden Reaktion auf EVE zur traurigen Erkenntnis kommt, dass WALL•E nicht mehr der selbe ist.
Ja, ich traute Pixar zu, dass sie dieses Ende durchziehen, als WALL•E Teile seiner Sammlung zum Würfel zusammenprisst machte sich Gewissheit breit, dass es kein Scherz WALL•Es ist oder eine kurzfristige Verwirrung, dafür dauerte es zu lange. Doch dann folgte der rührende Abschiedkuss EVEs, der wunderschön inszeniert wurde, und innerlich fing ich bereits an, mich zu freuen. WALL•E erlangt seine Erinnerung zurück, und der Zuschauer wird mit einem gefühlvollen Abschluss mitsamt charmanter, kleinerer Gags am Rande belohnt. Zum Glück.
Ich wollte nicht, dass ausgerechnet mit diesem Film der Welt ein Non-Happy-End-Trickfilm präsentiert wird, dafür wuchs mir die Figur zu sehr ans Herz, und zum Film gepasst hätte ein so trübes Ende auch nicht.
Ich erwähnte es ja bereits, dass WALL•E trotz seiner ernsten (und angemessen behandelten) Themen, dem grimmen Unterton einiger Szenen und dem generell sehr reifen Ansatz, mit dem Pixar an diesen Film heranging, stets auch ein lockerer, froher Film bleibt. Er spricht Herz und Verstand zugleich an, seine Hauptfigur versprüht Optimismus und Inspiration. Stürbe WALL•E am Ende des Films (oder würde zum reinen Arbeitsroboter verkommen), gingen weite Teile des Films völlig zu Grunde. Seine Wirkung bliebe dabei nicht die selbe, wäre sicherlich weniger stark und nachhaltig. Denn durch den Märtyrer-Tod WALL•Es wäre dies keine Romanze mehr, nichtmal eine Liebestragödie, sondern eine aufopferungsvolle Heldengeschichte über die Neubesiedelung unseres Planeten. Zumindest das Ende schließe darauf. Damit dies aber auch funktioniert, müsste der gesamte Film umgeschrieben werden, da viel mehr Zeit in die Liebe zwischen WALL•E und EVE investiert wird, sie allein auch WALL•Es Handeln motiviert. Vom Verlust des Motors, welcher die von mir so gelobten gefühlten Leichtigkeit des Films im ergänzenden Kontrast zur gedanklichen Schwere am laufen hält, ganz zu schweigen. Ein solch depressiv endender WALL•E verlöre sämtliche inhaltliche und künstlerische Homogenität, was ein viel zu hoher Preis für ein mutiges Ende wäre.
Zusätzlich zu diesen "praktischen" Gründen, die der Qualitätssicherung des Films zu gute kommen, gibt es weitere Argumente, die für dieses Ende sprechen. Durch diesen Abschluss der Handlung verlässt uns dieser großartige Film nämlich mit einer vielschichtigen Sequenz. Durchaus ist es möglich, in WALL•Es Todeserfahrung und anschließender Amnesie eine allegorische Herangehensweise an den Verlauf üblicher Liebesbeziehungen zu sehen. Selbst bei den unschuldigsten und reinsten Paaren kann es wegen äußerer Umstände dazu kommen, dass das kindliche Glühen, der als unerschütterlich geltende Optimismus abstirbt, weshalb einer der beide Partner dazu gezwungen wird, den jeweils anderen zu vergessen. So etwas kann in einer Beziehung niemand völlig ausschließen, und es liegt an dem weniger verletzten Partner, nicht aufzugeben, für die Liebe zu kämpfen.
Die Schlusssequenz ließe sich jedoch auch abstrakter interpretieren. Demnach gülte die Liebe als der gewisse Funke im Leben, der selbst größte Barrikaden zu überbrücken weiß und einen Menschen (oder auch eine Maschine) zu einem eigenständigen, besonderen Wesen macht. Zwar ist WALL•E nach dem Kuss mit EVE nicht endgültig in seinen Urzustand zurückversetzt (obwohl die Play-Taste an ihm weiterhin eingerastet ist, läuft keine Musik), doch sein Charakter und seine Erinnerung an EVE setzen langsam wieder ein, was für die Beziehung beider auch die wesentlichsten Bestandteile sind.
Durch den Kuss wandelt sich der unheimlich maschinenhafte WALL•E wieder in ein Wesen mit Seele und Persönlichkeit. Eine ähnliche Wandlung machen im Laufe des Films, wie weiter oben bereits erwähnt, auch andere Figuren durch, bei denen ist allerdings ein langsamerer Entwicklungsprozess festzustellen. Sei es EVE, die sich ungefähr die halbe Laufzeit des Films über Stück für Stück von ihrer Programmierung löst und eigene Entscheidungen immer selbstsicherer und mit ansteigender Überzeugung trifft oder M-O, der zu Beginn ganz strikt seinen zwei Aufgaben (der weißen Linie Folgen und säubern) folgt, durch die Begegnung mit WALL•E ausgelöst erst eine der beiden Einprogrammierungen ignoriert, später darüber hinaus weitere eigene Persönlichkeitszüge entwickelt, zusätzlich zu seinen wunderbar animierten Wutanfällen und schockierten Reaktionen. M-O säubert nicht mehr nur, sondern befreundet sich mit WALL•E und verjagt dessen anderen Roboterkumpane, damit er und EVE zum Schluss des Films erstmal unter sich bleiben können.
Diese und andere Charakterentwicklungen in diesem Sci-Fi-Romantikabenteuer benötigen ihre Zeit, und wir können nur mutmaßen wie viel Zeit WALL•E anfangs benötigte um sein Gemüt zu prägen. Der Kuss zwischen WALL•E und EVE wirkt dagegen viel schneller, lässt die Liebe noch stärker als WALL•Es Freundlichkeit und zuvorkommenes Verhalten erscheinen.
Der erlösende Kuss wahrer Liebe verleiht dem Ende von WALL•E zudem einen märchenhaften Charakter, der wiederum unterschwellig vermittelt, dass WALL•E und EVE von nun an für immer und ewig glücklich miteinander vereint sind. Diese Assoziationen werden durch das letzte Bild vor dem Abspann, einem funkelnden Stern, vertieft. Zugleich formt sich so auch ein hübscher Kreis zum Beginn des Films, sowohl zum Intro des eigentlichen Films, als auch zu den vor dem Film gezeigten Studiologos. Vor WALL•E wird erstmals bei einem Pixar-Film das 2006 eingeführte neue Walt Disney Pictures-Logo verwendet, welches mich mit seiner fantasievollen Opulenz immer wieder neu verzaubert. WALL•E ist dazu prädistiniert, die Pixar-Version des Disney-Logos abzuschaffen, passt der ins romantisierte abdriftende Realismus des neuen Logos doch perfekt zu Pixars neustem Geniestreich, mögen Nostalgiker deshalb noch so grämen.
Ferner sehe ich in dem Ende von WALL•E neben dem abrundenden, märchenhaften Gefühl, das es verleiht, noch eine Funktion, die erzähltechnisch sogar von hoher Bedeutung ist. Denn durch EVEs Versuche, WALL•E an sie zu erinnern und ihrer ehrlichen Trauer darüber, dass er von nun an wohl ein starrer Arbeitsroboter bleiben wird, offenbart sie endgültig ihre wahren Gefühle. Bereits während der Tanzsequenz wird deutlich, dass sie für WALL•E Gefühle hat, und dass es ehrliche Liebe ist wird spätestens deutlich, als sie die Videos von ihm sieht, wie er reagierte, als sich EVE ausschaltete. Doch der kritische Zuschauer könnte ihr noch immer vorwerfen, dass sie den Beweis schuldig bleibt, dass sie WALL•E genauso sehr liebt, wie sie von ihm geliebt wird. Denn WALL•E gab trotz sämtlicher Abweisungen nicht auf, kümmerte sich um die abgeschaltete EVE, folgte ihr ins Weltall. Dass EVE ihren freundlichen Begleiter vor dem Tode bewahren möchte, könnten manche Zuschauer als bloßes Pflichtbewusstsein sehen, oder als Freundschaft, aber nicht zwangsweise als Liebesbeweis. EVEs Reaktionen auf den "neuen" WALL•E sprechen dagegen deutlich ihre Liebe aus. Sie macht nun eine ähnliche Situation durch wie zuvor WALL•E, was die zwei zu ebenbürtigen Liebespartnern macht, zu einem perfekten Paar, das gute wie auch schlechte Zeiten übersteht.
Pixar wäre nicht Pixar, wenn die großartige Geschichte ihres neusten Meisterwerkes nicht mit bahnbrechender Technik in Szene gesetzt wurde. WALL•E übertrumpft optisch mit spielerischer Leichtigkeit (da haben wir sie wieder) und großem Abstand sämtliche bisher veröffentlichten Pixar-Filme. Der Fotorealismus von WALL•E ist atemberaubend, was sich vor allem im ersten Akt, vor dem Betreten der AXIOM, bezahlt macht. Die verlassene Erde ist schockierend echt, das Weltall dagegen wunderschön. Beide Umgebungen haben gemeinsam, dass Pixar erfolgreich gegen den unrelistisch perfekten Stil ankämpft, nach dem die Computeranimation automatisch strebt. Jeder einzelne Fehler in dieser digitalen Welt musste mit voller Absicht und genau durchgeplant eingestellt werden, denn es ist die Imperfektion in der Optik von WALL•E, die den Film so echt aussehen lässt. Seien es die zahllosen Staubpartikel auf der Erde oder auch vermeintliche Fehler in der Kameraarbeit, wie optische Verzerrungen oder Lichtbrechungen. Dank dieser Feinarbeit sieht der Film aus wie die großen auf 70mm-Film gedrehten 70er Jahre Sci-Fi-Epen. Um diesen realistischen Look zu erzielen, erhielen der Kameramann Jeremy Lasky und die Beleuchterin Danielle Feinberg Rat von gleich zwei Spielfilm-Veteranen. Kameramann Roger Deakins, der an mehreren Coen-Filmen mitwirkte, darunter auch an No Country for Old Men, sowie Special-Effects-Maestro Dennis Muren (Star Wars, E.T.), die den Pixar-Künstlern detailgetreu erklärten, wie sie vorgehen würden, wäre WALL•E ein Spielfilm, für den sie engagiert wurden.
Die ambitionierte Kameraarbeit resultierte jedoch nicht nur in einen noch nie im Animationsgenre dagewesenen Fotorealismus, sondern auch in sehr liebevolle und vielsagende Bilder. So beunruhigend die Kamerafahrten durch die zerstörte Erde auch sein mögen, sie versprühen auch einen unwohlen Charme, ziehen den Zuschauer in ihren Bann. Es ist die Poesie des Zerstörten, die aus ihnen spricht. Trotz des Mülls und der wüsten Witterung glüht den Zuschauer (und WALL•E) tief unter dieser Oberfläche noch immer das paradiesische Gefühl der Heimat an. Es ist leicht, sich in diesen Bildern zu verlieren, genauso leicht wie von den bezaubernden und fantastischen Ausblicken auf der Reise durchs Weltall überwältigt zu werden. Wenn WALL•E die Ringe des Saturns berührt, bekomme ich eine gewaltige Gänsehaut, allein wegen der Schönheit dieses Moments.
Auch die Szenen in der AXIOM sind weiterhin fotorealistisch, auch wenn sie weniger beeindruckend echt wirken. Noch immer könnte man glauben, die Roboter und ihre Umgebung anfassen zu können, nur kennt man die sterile Welt der AXIOM noch nicht, so dass sie mehr wie die täuschend echte Animationsversion eines perfekten Sci-Fi-Sets aussieht. Bloß noch sauberer, als es sein echtes Pendant sein könnte. Die Menschen dagegen wirken in WALL•E nicht weiter realistisch, was hier jedoch zur Geschichte gehört. Der CG-Look der auftretenden Menschen unterstützt die Handlung, macht sofort klar, dass diese Menschen nicht mehr wie wir sind. Da sie in einer sterilen Welt leben und sich selbst niemals schmutzig machen, nichtmal Grund zum schwitzen haben, und sie stets von Robotern verhätschelt werden ist ihre Haut glatt und porentief rein, nur bei extremen Nahaufnahmen erkennt man kleinere Hautrötungen. Ihr Gummiklops artiger Körperbau tut sein übriges.
In WALL•E hat der typische Look von CG-Menschen, den fast alle Schöpfer von Computeranimationsfilmen stets zu bekämpfen versuchen, seine optimale Plattform gefunden, nirgends war er so stimmig. Fast könnte man sagen, dass WALL•E allein die Kreation dieses Mediums bezahlt macht. WALL•E funktioniert als Computeranimation viel besser, als er es in jedem anderen Medium tun würde, nur in diesem Medium kann er seine ganze Klasse ausleben.
Im Zeichentrick fiele der Fotorealismus weg, als reiner Spielfilm könnte WALL•E niemals so ausdrucksstark und das AXIOM nicht so futuristisch-steril, mit bunten Hologrammen überfüllt sein. Lediglich ein kruder Spielfilm-CG-Hybrid mit teils echten Hintergründen, teils Mattezeichnungen und am PC erweiterten Landschaften, CG-Robotern, echter Ausstattung und Requisiten, täuschend echten, zugleich abartig-übertriebenen Gummianzügen für die Passagiere der AXIOM und jede Menge Farbkorrektur und -filtern könnte die volle Breite von WALL•E nachempfinden, wäre aber selbst bei gigantischer Sorgfalt und enormen Budget noch immer zu sehr zusammengepuzzelt. In WALL•E stammt alles aus dem PC (bis auf die Menschen im BnL-Werbespot, den Botschaften des CEOs und Hello, Dolly). Auch wenn WALL•E und die AXIOM-Passagiere einer komplett anderen Stilistik angehören, passen sie zusammen, wirken nicht einander deplatziert. WALL•E schöpft durchgehend aus dem vollen, holt das beste aus seinem Medium heraus.
WALL•E ist schlicht und ergreifend wunderbar, ein vorbildiches Paradebeispiel für die Symbiose aus familiengerechter Unterhaltung und künstlerischem Anspruch. Paradox, dass ausgerechnet eine in der fernen Zukunft angesiedelte Roboterromanze Hollywood zurück zu seinen Wurzeln führt, dem Charme und Witz der alten Stummfilmklassiker neues Leben einzuhauchen vermag, obwohl seine Protagonisten unentwegt miteinander kommunizieren.
Aber gerade diese Widersprüche sind der Ritterschlag für diese ohnehin herrausragende Glanzleistung der Filmkunst, sei es, dass eine futuristische Geschichte mittels bereits in Vergessenheit geratener und stets unterschätzter filmischer Mittel erzählt wird, oder auch dass eine Maschine die Menschheit lehrt, menschlich zu sein und - auf filmtechnischer Ebene - optische Perfektion durch gezielte Platzierung von Irritationen und Fehlern erreicht wird.
Andrew Stantons Intuition ist es zu verdanken, dass WALL•E einen im Anblick dieses sich durch den gesamten Film ziehenden Konzepts auch einen gebührenden Anfang findet. Früh entschied er sich, dass sein Projekt mit einer Aussicht auf den Weltraum beginnen soll, zu der ein altes Musicallied geschnitten wird, da ihn ein solcher Gegensatz faszinierte. Zufällig traf er bei der Suche nach dem passenden Song auf Put on Your Sunday Clothes, das mit der Zeile Out there... beginnt, was ideal für den neuen Verwendungszweck dieses Liedes ist. Der strahlende Optimismus dieses Liedes verstärkt die erzielte Wirkung, da nun nicht nur altmodische Musik Weltraumbilder unterlegt, sondern auch die darauf folgenden deprimierende Kamerafahrt durch die verdreckte Erde. Zudem passt der Inhalt des Liedes zum Protagonisten dieses Films, der ähnlich wie die Figur des Sängers seinen Alltag hinter sich lassen möchte, um für einen Kuss ein weite Reise aus seinem Heimatdorf in die nächste Stadt zu sich zu unternehmen.
Es ist ein völlig unerwarteter, unkonventioneller Anfang für einen Film wie WALL•E, doch er funktioniert grandios. So etwas kann in einer solchen Konsequenz derzeit auch nur von Pixar kommen. Zu keiner Zeit wirken die Pointen erzwungen oder die Thematiken aufgesetzt und oberlehrerhaft. Alles in WALL•E gehört an seinen Platz und erfüllt seinen Sinn mit Perfektion.
Pixar prägte wieder einmal die gesamte Filmlandschaft und setzt mit WALL•E neue Maßstäbe. Normalerweise wäre nun ein gewaltiger Qualitätseinbruch zu erwarten, schließlich ist es unmöglich dieses hohe Niveau konstant zu halten. Aber wir sprechen von Pixar. WALL•E in kürzester Zeit zu übertrumpfen sollte ein gewaltiger, schwerer Kraftakt werden. Doch mit weiteren sehr guten Filmen darf man jedenfalls mit Sicherheit rechnen.
Denn WALL•E ist kein glücklicher Zufall oder einmaliger Glückstreffer. Er ist das gefeierte Ergebnis jahrelanger, ambitionierter und liebevoller Arbeit von zu Recht erfolgreichen Künstlern, die ihre Berufung beherrschen.
Noch ist die düstere Prophezeiung dieses Films also nicht eingetroffen.
Weiterführende Artikel:
- WALL•E und seine Oscar-Chancen (Teil I, Teil II, Teil III, Teil IV, Meine erste Oscar-Prognose für 2009, Die Kampagne startet)
- WALL•E und seine hervorragenden Kritiken (Teil I, Teil II, Teil III, Teil IV)
- Pixars momentan Zweitbester: Ratatouille
- Andrew Stanton spricht über die symbolhafte Bedeutung EVEs
- Interpretation des Satzes "Definiere Mehr"
- Analyse der subtextuellen Symbolik in Disneys Rapunzel
4 Kommentare:
Chapeau! Mehr ist zu dieser außergewöhnlichen Rezension kaum zu sagen. Genial - dem Film angemessen!
Habe gerade deine wunderbare Rezension fertig gelesen und ich kann nur sagen: Wahnsinn! Gibts auch 'nen Oskar für die beste Filmrezension? Den hättest dir auf aufjedenfall verdient! :) Weiter so!!! :) Das Wall-e klasse ist, muss man hier ja nicht mehr erwähnen xD
das Lesen dieser Rezension fesselt, eben wie der Film, denn mit eigenen Worten hätte ich wohl nie eine solche geniale Rezension geschrieben - wohl weil ich zu viel Sinneseindrücke in wenige Sätze pressen wollte ..... -- -- ABER es gibt dann doch einen Kritikpunkt, der mich am ansonsten Perfekte Meisterstück von Pixar enorm stört: Die deutsche Synchronstimme von Wall-E. gerade in der Szene, wo Eve in den Stand-By-Modus fällt und Wall-E verzweifelt ihren Namen schreit. ich frage mich, warum das überhaupt synchronisiert wurde. vor allem, weil die deutsche Stimme nicht annähernd so verzweifelt klingt wie das orginal!
Ich spreche nicht oft von Zufällen oder Schicksal - in diesem Fall ist es mir nicht einmal wichtig, wie es passierte, doch diese Rezension am morgen zu lesen - zu einem Film, der mich beeindruckt hat wie selten einer vor ihm, das ist einfach wunderbar.
Manche Sätze sind einfach nur als Endlossätze angemessen. ;)
Ich selbst bin durchaus in der Lage viele Worte zu Filmen zu finden und nicht selten sogar solche, die höheren Ansprüchen genügen. Hier jedoch ist soviel mehr (Das beziehe ich nicht zwingend auf den Umfang - den ich völlig angemessen finde! ;) ) - Wissen, Erfurcht, Liebe zum Film, als Medium und Wall E im besonderen - das verdient Lob und Anerkennung!
Ich glaube sie haben einen neuen Leser ihres Blogs gefunden!^^
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