Das trifft natürlich auch auf das Hollywood-Kino zu, dem immer wieder neue Künstler ihren eigenen Stempel aufdrückten. Die 70er Jahre hatten die New-Hollywood-Bewegung, mit jungen, wilden und revolutionären Regisseuren. Aber auch die langsame Geburt des Blockbuster-Kinos fand in den 70ern statt: Steven Spielberg und George Lucas (oder auch der heute vergessene Richard Donner) prägten mit ihren Filmen für die gesamte Zuschauerschaft die 80er Jahre genauso, wie es die wild-blutigen Actionregisseure um John McTiernan taten. Letztere prägten zwar nicht gezwungenermaßen die höheren Box-Office-Weihen, aber ganz klar unser heutiges Bild vom 80er-Kino.
Ein ähnliches Phänomen ist in den 90ern festzustellen: Der Stil des Blockbuster-Kinos nimmt konkretere Formen an und beherrscht den Kinomarkt, der einen kleinen Boom erlebt. Die Schöpfer dieser Erfolge sind zuweilen länger bekannt oder geraten in den Schatten der Stars ihrer Filme.
Denkt man also an Regisseure der 90er, so denkt man an Neuentdeckungen der 90er Jahre, die einen direkten Impuls auf den Stil dieses Jahrzehnts hatten. Die prägenden Regisseure der 90er sind somit konsequenterweise die ersten groß gewordenen Kinder der Video-Generation. Regisseure, die ihr Handwerk nicht aus Filmschulen oder Kinos haben, sondern von zu Hause, wo sie sich mit Unmengen von Videokassetten eindeckten und die großen Klassiker, die Werke ihrer Vorbilder - aber auch jede Menge Schund - reinzogen.
Zu diesen 90er-Jahre-Kindern gehören ganz klar Quentin Tarantino und sein Kumpel/Zögling Robert Rodriguez, der kultige Kevin Smith und Paul Thomas Anderson. Weitere große 90er-Entdeckungen sind aber auch die weniger stark vom Video geprägten Regisseure wie Tim Burton (sein Stil brach in den 90ern erst richtig aus), Wes Anderson oder auch Michael Bay, der den Look eines 90er-Actionfilms (im Vergleich zu den 80er-Actionern) prägte.
Sie alle hatten ihre ersten großen Regiearbeiten in den 90ern (oder die ersten in dem Stil, der sie bis heute populär machte), und sie alle formten sozusagen aus dem Stand heraus unser Bild vom großen Kino der 90er Jahre.
Aber wer steht für dieses Jahrzehnt, welche Regie-Neuentdeckungen hatten in der Dekade ihrer Entdeckung einflussreiche Erfolge? Dieses Jahrzehnt dauert keine 18 Monate mehr, und es ist noch immer keine überdeutliche Prägung der derzeitigem Kinowelt festzustellen - zumindest nicht im Hinblick auf die Regisseure der 00er, sondern mehr in Richtung Technik und Genres.
Oder etwa nicht? Sind prägende Regisseure dieses Jahrzehnts sehr wohl in stattlicher Zahl vorhanden, nur ist es nicht auf den ersten Blick erkenntlich, da es schwer ist die Gesamtentwicklung dieser Dekade zu beurteilen, während sie noch weiter anhält? Einiges über das aktuelle Jahrzehnt ist noch ziemlich wage, und mit Sicherheit könnte man dieses Diskussionsthema als verfrüht betrachten, jedoch ist es bereits nun von Interesse. Um zu einem Schluss zu kommen, muss nun jedoch ein genauerer Blick riskiert werden. Wer regiert derzeit Hollywood, im Hinblick auf Erfolg an der Kinokasse, bei den Kritikerstimmen und bei dem so wählerischen, cineastisch veranlagten Publikum?
Die Fragen sind scheinbar schnell beantwortet, jedoch vermögen uns die Antworten nicht voran bringen. Die Regenten des Kino-Fandoms sind sicherlich Quentin Tarantino und Robert Rodriguez, zumindest im leicht "nerdigen" Terrain, während alte Hasen wie Steven Spielberg oder auch 90er-Helden wie Michael Bay die Einspielergebnisse beherrschen. Und die Kritiker sind weiterhin in ihre alten Lieblinge vernarrt.
Natürlich gibt es zahlreiche erfolgreiche Filme von Regisseuren, die erst dieses Jahrzehnt aufgetaucht sind, doch in den meisten dieser Fällen ist der Film selbst ein Erfolg, der Regisseur jedoch geht hinter dem Film unter. Oder wer weiß schon, wie zum Beispiel der Regisseur von Mr. & Mrs. Smith heißt? Kaum jemand, während Leute wie Spielberg und Tarantino durchaus auch Gelegenheitskinogängern bekannt sind.
Vielleicht sollten wir auf der Suche nach den "Kindern" der 00ern nicht direkt die Könige Hollywoods durchgehen... Schließlich wäre das für "Newcomer" etwas zu viel verlangt. Blenden wir also die erfolgreichsten, berühmtesten und mit dem größten Fan-Hype versehenen Regisseure aus und gehen erneut Schritt für Schritt durch die Kinowelt der vergangenen Jahre.
Das Auge fällt dabei unter anderem auf Peter Jackson, und einige Leser werden sich sicher gefragt haben, weshalb ich ihn nicht bereits vorher erwähnt. Nun, während seine Gore-Produktionen aus früheren Tagen durchaus Kultstatus haben und bei Horror-Fans beliebt sind, weil sie eine ganz eigene Handschrift tragen, so stellt sich beim "neuen" Peter Jackson die Frage, ob die großen Kinoerfolge wirklich ihm zu verdanken sind.
Damit will ich nicht etwa Jackson seine Leistungen aberkennen, doch bei Der Herr der Ringe war weitgehend auch die Vorlage selbst der Zuschauermagnet. Es will ja auch niemand behaupten, dass die Leute in die Harry Potter-Filme gehen, weil sie von Daniel Radcliffe begeistert sind.
King Kong wieder lief leicht unter den Erwartungen und war zeitlich nah genug an der Ringe-Trilogie. Jackson muss also noch beweisen, ob er "allein" ohne gehypter Vorlage die Massen begeistern kann.
Aus einem ähnlichen Grund habe ich einen weiteren, sehr erfolgreichen Regisseur noch nicht genannt: Gore Verbinski, dessen Filme zwar mehrere Milliarden Dollar in die Kinokassen spülten, jedoch eindeutig im Schatten seiner Filme steht. Die Pirates of the Caribbean-Filme wurden zu Selbstläufern, und wenn Leute an diese Filme denken, dann kommt ihnen zunächst Johnny Depp in den Sinn. Weitere Leute, die fest mit diesen Filmen assoziiert werden (vielleicht nicht von der ganz breiten Masse, aber sicherlich immer noch von einer großen Gruppe) sind Erfolgsproduzent Jerry Bruckheimer (der es mit diesen Filmen tatsächlich schaffte, seine eh schon großartige Karriere erneut zu toppen), Hans Zimmer und Klaus Badelt (deren Musik zur Trilogie erstaunlich populär wurde), Geoffrey Rush, Keira Knightley, Orlando Bloom, die Walt Disney Studios und bei Gruppen, die sich stärker mit den Filmen befassen auch die Autoren Ted Elliott und Terry Rossio, die den Kontakt mit den Fans pflegen und stets über die Handlung Rede und Antwort stehen.
Bei all diesem Rummel geht Gore Verbinski vollkommen unter - dabei ist er ein talentierter Regisseur. Ohne ihn wären die Pirates-Filme sicherlich das reinste Chaos geworden und auch seine sonstigen Regiearbeiten zeugen von seinem Talent bei der Inszenierung.
Trotzdem muss er beweisen, dass er in seiner Post-Pirates-Zeit genügend Zugkraft aufweisen kann - vielleicht klappt es dann auch endlich mit dem ihm verdienten Ruhm, der auch erforderlich ist, um als prägender Regisseur dieser Dekade in die Filmgeschichte einzugehen.
Ein weiterer Regisseur, der mittlerweile dank eines Franchises höhere Box-Office-Weihen erreicht hat, aber im Gegensatz zu Verbinski auch eine große, eigenständige Fangemeinde erreicht hat ist Christopher Nolan - was ihn auch zu einem ernstzunehmenden Kandidaten für den Titel einer der Regie-Entdeckungen des Jahrzehntes macht.
Nach seinem Independent-Streifen Following von 1999 erlebte er 2001 seinen Durchbruch mit seiner ersten größeren Produktion, dem anspruchsvollen Thriller Memento, der Kritiker und Cineasten gleichermaßen begeisterte und zum DVD-Geheimtipp wurde.
2002 folgte dann Insomnia, in dem Nolan Robin Williams besetzte und ihm somit zu einet seiner bislang letzten guten Rollen verhalf.
2003 folgte dann eine große Überraschung: Warner Bros. wollte tot geglaubtes Batman-Franchise reaktivieren und engagierte niemand geringeres als Christopher Nolan. Dieser sollte sich für den Film Batman Begins als Autor und Regisseur verantwortlich zeichnen. Dass ein weithin noch eher unbekannter Regisseur, der bislang nur unter Kinofans als Insider-Tipp bekannt war nun eine Mammut-Blockbuster-Produktion delegieren soll, erschien manchen als ungewöhnlich. Doch Warners Mut machte sich bezahlt: 2005 kam der Film in die Kinos und begeisterte Kritiker, Fans und das allgemeine Publikum gleichermaßen, brachte Nolan zu höheren Box-Office-Weihen und machte ihn weiteren Leuten bekannt.
Bereits im Jahr darauf folgte das fesselnde Zauberstück Prestige, welches ebenfalls hervorragend ankam. Da der Film jedoch weniger massentauglich ist, konnte natürlich keine Steigerung gegenüber den Zahlen von Batman Begins erreicht werden, doch das hat auch keiner erwartet. Dennoch entwickelte sich Prestige zu einem DVD Geheimtipp und schaffte es in den DVD-Verkaufscharts zu hervorragenden Ergebnissen.
Nolan hat bereits seine eigene Fangemeinde und liefert durchgehend von der Kritik gefeierte Filme ab. Nur mit der Bekanntheit beim breiten Publikum hapert's noch. Selbst nach dem Start von The Dark Knight, der in den USA zahllose Rekorde pulverisierte und auch international gefeiert wurde und die Einspielergebnisse von Batman Begins weit hinter sich ließ.
In der Branche hat sich Nolan übrigens genug Respekt erarbeitet, dass er tatsächlich erfolgreich verfügen konnte, dass der Film in keinem Land aufgrund seiner Freigabe gekürzt werden darf. Eine lobenswerte Bedingung, an der sich viele Regisseure ein Beispiel nehmen sollten.
Nolan ist zweifelsfrei eine der Regie-Entdeckung dieses Jahrzehnts, auch wenn die Frage nach seinem Einfluss auf die Kinoindustrie noch nicht gänzlich beantwortet werden kann. Aber wer einen Blockbuster fast schon Titanic-hafter Ausmaße abliefert, wird schon noch viel zu sagen haben.
Einem weiteren Regisseur, den ich in diesem Zusammenhang nennen möchte, wird schon seit einigen Jahren ein solch beeindruckender Erfolg prognostiziert, wie ihn Nolan mit The Dark Knight erlebte. Doch immer wieder, nachdem er sich in das Bewusstsein des allgemeinen Publikums katapultierte und seine Werke gute Zahlen machten, fällt er wieder ab und verbleibt als Geheimtipp unter den Genießern im breiten Zuschauerfeld.
Die Rede ist von J.J. Abrams, dessen Werke kurzzeitig weites Aufsehen erregen und von den Medien als riesige Hits gefeiert werden. Leider jedoch zeigen sich die Zuschauer nach der anfänglichen Begeisterung viel zu schnell von Abrams' Schaffen überfordert. Der Andrang lässt nach und es bleibt ein harter, ambitionierter aber leider auch kleiner Zuschauerkern. Dennoch schafft es Abrams immer wieder die Menschen hinter den Schalthebeln der Studio-Macht von sich zu überzeugen, und so gestattet man ihm immer wieder große Budgets und gestalterische Freiheit.
Einige von euch werden nun sicherlich stutzig. Immerhin ist Abrams (trotz seiner Ausflüge auf die große Leinwand) bislang hauptsächlich für seine Fernseharbeit bekannt. Was hat er also schon in dieser Übersicht der Regiewunderkinder dieser Dekade zu suchen?
Nun, die Medienwelt ändert sich in gewissen Abständen. Was früher einem Medium vorbehalten blieb, wird nach einiger Zeit auch von anderen Medien in Beschlag genommen, mal mehr und mal weniger erfolgreich.
Das Fernsehen hat im Laufe dieser Dekade endgültig, nach langen und erfolgreichen Jahren seiner Existenz, Kinoformat angenommen. Fernsehserien sind nicht mehr auf kleine Dramen, übersichtlichen Humor oder eine soaphafte, vielleicht sogar campige Natur beschränkt. Große Straßenfeger wie Dallas mag es aufgrund des breiten Angebotes nicht mehr geben, doch dafür haben Fernsehserien mittlerweile die Optik und auch die inhaltliche Stilistik von Kinofilmen für sich entdeckt. Die Serie mit Kinoformat - das ist zweifelsohne keine Erfindung dieses Jahrzehnts, aber definitiv ein dauerhafter Trend. Was wir unter anderem JJ Abrams zu verdanken haben. Deshalb findet er sich auch hier wieder.
Doch während seine Serien-Schöpfungen Alias und Lost bereits ihre Plätze in den TV-Annalen einnahmen, und auch seine neuste Serie Fringe sicherlich populär wird, ist seine Kinokarriere noch nicht das gelbe vom Ei. Mission: Impossible 3 wurde heiß erwartet, lief dann jedoch bei weitem nicht so erfolgreich wie erwartet - und Cloverfield wird zwar fest mit ihm verbunden, jedoch war er hier nur als Produzent tätig. Mit seinem Star Trek-Film könnte sich dies jedoch ändern.
Ob auch Guillermo del Toro in diese Liste gehört? Nun, seine ersten Filme, darunter der Insekten-Horror Mimic, erschienen bereits in den Neunzigern, seine bekanntesten Filme schuf der Mexikaner erst in diesem Jahrzehnt. Mit Blade II hatte er einen respektablen Erfolg, während die Fanreaktionen auf Hellboy genügten, um der an der Kinokasse nur schwach laufenden Comicadaption eine Kinofortsetzung zu gönnen. Del Toro qualifizierte sich endgültig als Regiewunderkind, als er die Filmkritiker und -fans weltweit mit Pan's Labyrinth überraschte. Die düstre Mär wurde gefeiert, wie kaum ein anderer Film und eroberte zahllose Bestenlisten.
Vom jetzigen Standpunkt aus fällt es mir jedoch schwer, del Toro auch Einfluss auf die Filmwelt zuzusprechen. In dieser Hinsicht wird er sich definitiv noch bewähren müssen, ganz im Gegensatz zu M. Night Shyamalan.
Ich weiß, ich weiß, viele von euch werden nun aufschreien, da Shyamalan bereits in den 90er-Jahren aktiv war und dort auch seinen Durchbruch mit The Sixth Sense hatte. Dennoch sehe ich ihn mehr als einen Filmemacher der 00er. Seine Pre-Sixth Sense-Filme kennt kaum jemand, und erst in diesem Jahrzehnt hatte er die Gelegenheit sich als jemand zu beweisen, der mehr als nur einen einzigen Hit landen kann.
Der Einfluss Shyamalans auf die Filmlandschaft ist unmöglich zu ignorieren, Filme die in letzter Minute mit einem gewaltigen Plottwist aufwarten sprießen seit nunmehr neun Jahren wie Pilze aus dem Boden, ganz besonders im Horror- und Thriller-Genre. Leider fungieren diese abschließenden Handlungswendungen in diesen dahin geschluderten Filmchen einzig und allein als bloße Schocker und können keinerlei Substanz aufweisen. Zuvor werden im Film keinerlei Hinweise auf diese Wendung geliefert, und jeder, der sein Gehirn noch benutzen kann und auch möchte wird in solchen Schrott-Produktionen mehr Logiklöcher finden als einem lieb ist.
Diese, zu meist auch noch hastig von größeren Erfolgen abgekupferten. Produktionen werfen ein schlechtes Licht auf Plottwists im Allgemeinen, was Shyamalans ohnehin schon geschädigten Ruf weitere Nägel in den Sarg schlägt. Wirklich schade, wie ich finde. Von Das Mädchen aus dem Wasser abgesehen wussten mich sämtliche Shyamalan-Filme seit The Sixth Sense zu überzeugen und ich kann mir nur schwer erklären, weshalb ihm nahezu jeder Filmkritiker (egal ob aus der Presse, Internet-Portalen oder TV-Sendungen) den Rücken zukehrt. Shyamalan kleidet ohne jegliche Sensationsgier oder oberflächlicher Blutlust anspruchsvolle, vielschichtige Geschichten in ein packend gestaltetes Kleid der Spannung, wobei er sich dem nur zu oft im heutigen Kino zu unrecht geschundenen Kunstgriffes der dramatischen Langsamkeit bedient. Vor allem hat Shyamalan im Gegensatz zu vielen anderen bemühten Vertretern des Anspruchs auch wirklich was zu erzählen, während er in mitunter lyrischen Bildern voller Stille schwelgt.
Verständlicher ist mir hingegen die Abkehr des gemeinen Publikums (hier in jeglichem Sinne des Ausdruckes zu verstehen), schließlich lässt sich selbst der trotteligste Tüppes nicht mehrmals ein Laib Brot für eine Büchse Bier vormachen. Während Unbreakable noch ziemlich gut, wenn auch unter den nach The Sixth Sense unerreichbar hoch gesteckten Erwartungen, lief und Signs nochmal ein richtig großer, weltweiter Erfolg wurde, folgte bereits nach Kinostart von The Village nahezu flächendeckend Enttäuschung. Einen solchen Film darf man einfach nicht als Horror-Thriller vermarkten. Solche Filme hat Shyamalan noch nie gemacht, und mir leuchtet es nicht ein, wieso die Studios es immer wieder versuchen seine Werke als genau das zu verkaufen. Wie die Zuschauer auf solche Methoden reagieren sieht man doch an Shyamalans Absturz.
Doch trotz aller Unkenrufe hatte Shyamalan Erfolg und die Kinowelt geprägt. Und ganz am Boden ist er ja auch noch nicht, The Happening spielte mehr ein als die scharfen Kritiker vermuteten (und auch hofften). Shyamalan ist zwar angeschlagen, jedoch noch nicht am Boden. Vielleicht rappelt er sich wieder auf. Ich würd's ihm wünschen.
Ähnlich wie M. Night Shyamalan das Mystery- und Horror-Thriller-Genre prägte, begründete Michael Moore in den letzten Jahren die Welt des zeitgenössischen Dokumentarfilms. Vor allem, aber nicht nur, politische Dokumentationen richten sich immer mehr nach Moores Stilistik.
Und das sogar mit großem Erfolg. Dokumentationen im Michael-Moore-Stil erfreuen sich derzeit großer Beliebtheit, locken regelmäßig viel größere Publikumsgruppen ins Kino als "normale" Dokumentationen. Der gewagte Mix aus klassischer Dokumentation, deutlich erkennbarer Ironie und weiteren eingewobenen komischen Elementen und einem Schuss kontroverser Polemik, die aber auch deutlich als Kommentare und Stellungsnahme des Regisseurs von den Fakten abgehoben werden, scheint nah am Puls der Zeit zu liegen und wecken in vielen wieder die Lust am Wissen.
Moore ist zwar nicht der Erfinder der lockeren und sich zugleich wichtig nehmenden Dokumentation, aber sicherlich ihr stärkster und erfolgreichster Vertreter. Bereits 1989 übte er sich darin, damals mit Roger & Me, einer Dokumentation über die Schließung eines General-Motors-Werkes in Flint und der daraus resultierenden Arbeitslosigkeit, deren zahlreichen Nachfolgen sowie Moores verzweifelte Versuche, ein Interview mit General-Motors-Chef Roger Smith zu ergattern.
Der internationale Durchbruch gelang Moore jedoch mit dem 2002 erschienenden und sämtliche Doku-Kinorekorde brechenden Bowling for Columbine über den Waffenwahn Amerikas. Seither ist Moore weitläufig bekannt und baute sich große Fan- und Hassgemeinden auf, die ihre Einstellung auch passioniert verteidigen. Fahrenheit 9/11 toppte dank des gesteigerten Ruhms von Michael Moore, der brandaktuellen Thematik und zahlreichen Kontroversen um die Kinoveröffentlichung diesen Erfolg nochmals und auch der weniger kontroverse Sicko konnte sich als großer Erfolg feiern lassen.
Ebenfalls erfolgreich liefen u.a. Super Size Me von Morgan Spurlock, der einen ähnlichen Stil aufwies wie Moores Filme, sich jedoch mit Fast Food und McDonalds' Einfluss auf die amerikanische Lebensweise beschäftigte, und auch Borat, der dem Moore'schen Dokumentationsrezept eine zusätzliche Dosis schwarzen Humor und geskriptete Sketche und einen Schuss Versteckte Kamera hinzufügte, im Kern jedoch nicht anders als Moores Filme funktionierte.
Michael Moore ist deshalb für mich definitiv ein Regisseur, der seine Fußspuren klar erkennbar in der Filmgeschichte hinterließ und diese Dekade mit seinem Stil eindeutig prägte.
Im nächsten Teil der neuen, unregelmäßigen Artikelreihe Filmhistorische Fußspuren geht es ein weiteres Mal um die aktuelle Dekade und was sie kennzeichnet.
Weiterführende Artikel:
- Störfaktoren im Kino
- Wie der Kinobesuch wieder reizvoller wird
- The Dark Knight-Rezension
- Hintergrundwissen: Was ist das "R"-Rating?
- Hintergrundwissen: Muppet-Projekte, die nie waren (Teil I und Teil II)
- The Happening-Rezension
- Die Lage des deutschen Films
- Darjeeling Limited-Rezension
- Untote Filmtechniken
- Promisynchros
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