Seiten
▼
Montag, 30. Juni 2008
Future Shorts - Das deutsche Premierenprogramm
Vor kurzem berichtete ich ja von Future Shorts, dem weltweit vertretenden Kurzfilm-Label, dessen Programm durch die Kinos der Welt tourt und einen Kurzfilmabend veranstaltet.
In Deutschland ist Future Shorts seit Oktober 2007 vertreten, jeden Monat gab es ein neues Programm, das in Köln, Berlin, München und anderen Städten des Landes aufgeführt wurde.
Am 23. Juni kam Aachen neu dazu, und zur "Einweihung" wurde nicht etwa das aktuelle Kurzfilmprogramm gezeigt, sondern das erste deutsche Kurzfilmprogramm aus dem Oktober.
Diese Auswahl sollte sich auch als eine sehr gelungene Heranführung an Future Shorts erweisen, die nicht nur mich überzeugte, sondern den Zuschauerreaktionen nach zu urteilen auch die meisten anderen im Publikum. Weiteren Future Shorts-Abenden in Aachen sollte also nichts mehr im Wege stehen.
Das Programm begann mit einer kleinen Anmoderation, die das Konzept von Future Shorts vorstellte und die Zuschauer auf die am Eingang verteilten Fragebögen zum Programm aufmerksam machte. Dann ging es auch schon los, übrigens, wie vorher erklärt wurde, in (guter) DVD-Qualität, was eine Folge von Kostengründen ist. Das Projekt Future Shorts ließe sich nämlich nicht finanzieren, wenn man für jeden Monat mehrere 35mm-Kopien ziehen würde. Doch auch die DVDs taten ihren Dienst und es gab eigentlich keinen Grund zur Klage. An Digitalkinos reichte es natürlich nicht heran, jedoch haben ja auch die wenigsten Kurzfilme eine Big-Budget-Optik, so dass Bild und Ton an diesem Abend völlig ausreichten. Es sei vielleicht noch gesagt, dass fast alle Filme deutsch (oder englisch) untertitelt waren - mit Ausnahme der verständlicheren englischen Kurzfilmen und den Filmen ohne Dialog.
Zu Beginn gab es ein fast 6-minütiges japanisches Musikvideo zu sehen: Sentimental Journey von dem Popstar Yuki (Regie von Nagi Noda). Das aus dem Jahr 2005 stammende Musikvideo war durchaus schön anzusehen, jedoch traf die Musik überhaupt nicht meinen Geschmack und den Reaktionen nach zu urteilen auch nicht den der meisten anderen im Publikum. Somit hinterließ der Einstieg in den Abend einen leicht schalen Nachgeschmack und ließ einen bereits befürchten, dass das Future Shorts-Projekt zwar eine tolle Idee ist, jedoch an der zu ungewöhnlichen und eigensinnigen Auswahl scheitern könnte. Doch bereits direkt im Anschluss wurden diese Sorgen zerstreuut. Es folgte nämlich City Paradise, ein origineller Mischfilm aus Frankreich. Er erzählt die Geschichte einer Japanerin, die nach London zieht und sich dort nicht einleben kann. Der Film ist eine aufwändige Mixtur aus Spielfilm, Zeichentrick und CGI, orientiert sich jedoch am typischen Claymation-Look und wusste dadurch optisch zu beeindrucken, auch wenn hier leider ein bisschen "Style over Substance" ging.
Mit dem dritten Kurzfilm Right Place legte das Programm dann aber richtig los und wusste Anspruch und Unterhaltung gekonnt unter einen Hut zu bringen.
Kosai Sekines Right Place erzählt mit viel Einfallsreichtum die Geschichte eines zwangsneurotischen Supermarktangestellten, der alles am richtigen Platz haben möchte. Der fast fünfeinhalb-minütige Film aus dem Jahr 2007 brachte den Saal lauthals zum lachen und blieb dabei zudem charmant.
Witzig ging es dann mit Tales of Mere Existence: Horny weiter, einem Kurzfilm der Sorte, die ich eigentlich nicht in diesem Programm erwartet hatte. Der eineinhalbminütige Clip in dem ein Animator erklärt, was ihn alles antörnt, und dies in einfachen Strichzeichnungen darstellt. Der Film repräsentierte all jene kleinen, kreativen Spaßvideos, die es bei Youtube und Co. zu entdecken gibt, und hat zwar keinerlei größeren Anspruch, war aber dafür unheimlich witzig und lockerte die Stimmung noch einmal auf.
Es folgte der britische Kurzfilm She loves me, she loves me not, dem visuell ansprechendsten Kurzfilm des Abends: Ein junger Mann sitzt in einem Pub und denkt über die Beziehung zu seiner Geliebten nach - ganz klassisch nach der Methode "Sie liebt mich, sie liebt mich nicht". Der aus dem Jahr 2003 stammende, vom Briten Jamie Rafn gedrehte Kurzfilm erzählt diese Liebesgeschichte mit viel Witz und visueller Ideenvielfalt, aber komplett ohne Dialoge.
Weiter ging es mit dem französischen Kurzfilm On S'embrasse? aus dem Jahre 2000. Der Sechsminüter von Pierre Ollivier ist eine nette, kleine Komödie über eine nervöse Schauspielerin, die in einem Café einen anderen Gast um Mithilfe beim Lernen ihres Textes bittet. Der zu lernende Text sorgt dabei jedoch für einige Verwirrung und heiteres Lachen beim Zuschauer. Der Kurzfilm hätte allerdings ein paar Sekunden weniger vertragen, da die Idee dann doch keine ganzen sechs Minuten füllt.
Direkt danach wurde Nash Edgertons Kurzfilm Spider vorgeführt, ein neuneinhalb-minütiger Film über ein Pärchen, dass sich während einer Autofahrt in die Wolle kriegt. Viel mehr gibt es über Spider eigentlich nicht zu sagen, da bei ihm nach viel sorgfältigem Aufbau eine herrliche, aber sehr kurze, Auflösung folgt, die man halt gesehen haben muss.
Einen völligen Richtungswechsel gab es im Anschluss mit dem faszinierenden 18 Minuten laufenden französischen Film Argent Content (Easy Money), der einen Bankraub und die folgende, spektakuläre Flucht durch Paris zeigt - und zwar auf Rollschuhen.
Der Kurzfilm stammt von 2000 und weist einige beeindruckende Kamerafahrten auf. Der Clou ist, dass zwischen den Actionsequenzen einige Statements der Bankräuber geschnitten wurden, was den Film von einem reinen Action-Streifen abhebt und einige Diskussionsansätze über Kriminalität liefert.
Nach einem Musikvideo mit Bildern verschiedener nordkoreanischer Jubelveranstaltungen folgte die schwedische Dokumentation Never Like The First Time, in der vier Menschen von ihren ersten sexuellen Erfahrungen erzählen. Das interessante an dieser Kurzdokumentation ist, dass die Interview-Auszeichnungen unter Zeichentricksequenzen gelegt werden, in denen das erzählte "nachgestellt" wird. Jede der vier Sequenzen ist dabei in einem andern Zeichenstil gehalten, der zur jeweiligen Erzählung passt. Never Like The First Time von 2005 gewann übrigens den Goldenen Bären in der Kurzfilm-Kategorie.
Nach Jonas Odells ungewöhnlicher Dokumentation folgte ein zweiter Film aus der Tales of Mere Existence-Reihe. Unter dem Titel Procrastination erzählt Animator Lev Yilmaz von seinem Versuch an einem völlig normalen Tag seinen ganzen Kram zu erledigen. Mit eher geringem Erfolg.
Mit La Vie d'un Chien wurde danach ein schwarz-weiß Fotoroman mit französischem Erzähler aufgeführt, in dem es um einen Pariser Hundeforscher geht, der eine sensationelle Entdeckung macht. Der Kurzfilm war sehr kurios und ist eindeutig ein Film, den die wenigsten außerhalb eines Kurzfilmabends wie Future Shorts sehen würden, doch irgendwie wusste er im Rahmen des restlichen Programms durchaus zu überzeugen.
Die zwei letzten vergnüglichen Kurzfilme des Abends waren die Animationsfilme Not Long Now (Zeichentrick, England, 2004) und Jojo in the Stars (CGI, England, 2003), die recht kurzweilig waren.
Zum Abschluss gab es noch einen kleinen Dämpfer, das seltsame Musikvideo Elephant Gun zu einem Lied der mir unbekannten, amerikanischen Band Beirut. Das Video war einfach nur schräg und zugleich uninteressant, und dem verhaltenen Applaus nach zu urteilen stehe ich mit dieser Meinung nicht allein da.
Insgesamt war es aber ein großartiger Filmeabend, der es einem ermöglichte ein ganzes Potpourri verschiedenster Filme kennen zu lernen und mit filminteressierten Menschen zu erleben. Sollte in eurer Nähe eine Future Shorts-Veranstaltung stattfinden, so solltet ihr diesem tollen Konzept eine Chance geben. Und wenn in meiner Nähe wieder so ein Abend stattfindet, bin ich mit Sicherheit auch wieder dabei.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen