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Montag, 18. Februar 2008
There Will Be Film: Ein Blogeintrag in 3 Akten - Akt 2: There Will Be Blood
There Will Be Blood - eine Drohung, ein Versprechen, eine Ankündigung, eine Metapher? Was hat der Titel der großen Oscarhoffnung zu bedeuten, wieso betitelt man ein Drama über einen mürrischen, meistens wortkargen "Ölmann" wie einen Horrorthriller? Das fragt sich der Zuschauer noch vor Beginn der ersten Szene, doch alsbald erledigt sich diese Frage von selbst.
There Will Be Blood beginnt rau, kalt, beeindruckend: Einsam gräbt sich ein Mann durch seine staubige Silbermine, haut mit aller Gewalt auf den harten Fels ein. Eher zufällig stößt er auf Öl. Der Film bleibt still - beunruhigende Musik und das Geräusch von schwerem Metall, welches auf hartes Gestein trifft. Mehr bekommt man nicht zu hören.
So beginnt die Geschichte des einstigen Silberminenbesitzers und nun erfolgreichen Ölbohrer Daniel Plainview, der zusammen mit Adoptivsohn H.W. auf Grundstückfang geht. Plainview ist der führende im Ölgeschäft, niemand anderes geht mit mehr Leidenschaft und Energie in dieses Geschäft, niemand ist gerissener und ehrgeiziger als Plainview. Und so findet dieser nur einen Gegenspieler: Eli Sunday, einen streng gläubigen Christen, der seine religiöse Macht genauso besessen verstärken möchte, wie Plainview seine Macht im Ölgewerbe.
Diese von Beginn an auf Konfrontation ausgerichtete Konstellation spiegelt sich auch in der Darstellung wider: There Will Be Blood ist eindeutig Daniel Day-Lewis' Film, er spielt mit Kraft, Würde, Charme aber auch einer unheimlichen Aura den stets jenseits von gut und böse befindlichen Daniel Plainview. Nicht nur äußerlich erinnert er an seine Figur "Bill the Butcher" aus Scorseses hervorragendem Epos Gangs of New York, denn auch die Wirkung der Figuren ist die selbe. Nur ist Day-Lewis' Figur dieses mal der zentrale Dreh- und Angelpunkt des Films. Einzig Paul Dano (bekannt aus Little Miss Sunshine) kann sich gegen ihn behaupten und spielt seinen wahnsinnigen Prediger ähnlich beängstigend glaubwürdig, wie es der Star des Films tut. Und so heben sich die gemeinsamen Szenen konsequenterweise zu den Sternstunden dieses Films ab. Zuweilen brüllend komische, stets dramatische und beeindruckende Kämpfe der Titanen - das Aufeinandertreffen des rauen kapitalistischen und des streng gläubigen Amerikas.
There Will Be Blood ist keine Geschichte eines Auf- oder Abstiegs, was man möglicherweise vermutet, sondern eine Charakterstudie. Jedoch keine, die eine Charakterentwicklung erläutert, sondern eine, die den bestetigen Charakter anhand Beispielen festmacht.
Dem Publikum präsentieren sich sorgsam ausgewählte Stützpfeiler im Leben Plainviews, Momente die ihn besonders gut beschreiben. Wie er seine Geschäftspartner bedroht, ein gesamtes Dorf um den Finger wickelt, wie er entnervt eine Versammlung verlässt oder neue Bohrmethoden entwickelt.
So ist There Will Be Blood ein Film, der nach hinten raus erst seine volle Wirkung entfaltet. Wartet man zu Beginn noch auf eine eintretende Veränderung Plainviews, bemerkt man erst im Laufe der Spielzeit, dass es nicht um Veränderung geht. Plainview ist ein gegebener Charakter, er ist, was er stets war, und er wird es auch stets bleiben. Es geht mehr darum, wie er sich durch sein Umfeld bewegt, wie er sein Werk vollbringt. Deshalb steigert sich die Wirkung von There Will Be Blood von Szene zu Szene. Immer stärker wird man an Plainviews Persönlichkeit gewöhnt, ist von seinem Dasein beeindruckt. Es ist einem egal, ob er für eine Gemeinheit bestraft wird, oder für seine charmantere Seite belohnt wird. Man wartet einfach ab, was Plainview als nächstes macht. Der Spannungsbogen bleibt somit dezent im Hintergrund - was einen Großteil des potentiellen Publikums abstoßen wird. Wer sich aber darauf einlässt, wird belohnt, denn die Beziehung zwischen Plainview und Sunday entfaltet sich für den geneigten Zuschauer zu einem sich auszahlenden Konflikt. Und beim Abspann realisiert man, dass alles daraufhin gearbeitet hat.
Dem Regisseur Paul Thomas Anderson ist so eine tief gehende Romanverfilmung gelungen, die sich in den Verstand bohrt und die volle Entfaltung erst später entwickelt. Mit prächtigen Kamerafahrten in karger Landschaft zieht er den Zuschauer ins staubtrockene Kalifornien, überlässt einem den Schicksal Plainviews. Partei ergreift der Regisseur zu keiner Zeit. Sowohl Kirche als auch Geldgier werden kritisiert, Plainviews Handeln bleibt in den kritischsten Punkten undurchsichtig. Und so bleibt der Zuschauer stets von der Figur fasziniert, wird nicht durch eigene Wünsche für den Ausgang der Geschichte abgelenkt. Der steht so oder so fest, ist unvermeidbar, fast schon vorbestimmt.
Dieser Schachzug kann nur hier funktionieren - in vielen Fällen wäre es eine Todsünde, wäre dem Zuschauer die Zukunft der Hauptfigur egal. Doch wundersamerweise ist es in diesem Falle das Geheimnis des Films. Bedrückend, beeindruckend, düster, aber zugleich nicht ohne Witz. Ein feiner Milchshake, den Anderson da für uns zusammen gemixt hat.
Vielfach verglichen US-Kritiker There Will Be Blood mit Wells' Klassiker Citizen Kane. Dem vermag ich jedoch nur stückweit zustimmen. Vom Innovationsgrad her bleibt Andersons Psychogramm eines Ölmanns naturgemäß zurück. Neuartige Kameraperspektiven und innovative Fokussierung gibt es nicht zu sehen. Inhaltlich bietet sich der Vergleich jedoch an, ohne aber so etwas wie Ideenarmut oder Plagiatismus zu vermuten. Gemeinsam haben die Filme einzig, dass sie in aller Breite die Geschichte eines Magnaten erzählen, eine einnehmende Persönlichkeit, die über alle Verurteilungen steht.
Wie die Filme diese Geschichte erzählen, und was auf der Reise der Hauptpersonen geschieht ist jedoch gänzlich anders.
Nur mit einer kurzen Kameraeinstellung, einem Moment scheint Anderson Citizen Kane Tribut zu zollen - direkt darauf steuert There Will Be Blood wieder unaufhaltsam seinen eigenen Kurs an.
There Will Be Blood ist kein Film, den man auf klassische Weise liebt. Man wird von ihm überrollt, geblendet, denkt lange über bestimmte Szenen nach. Das macht großartiges Kopfkino aus. Und so liebt man den Film dann doch...
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