Sonntag, 10. Februar 2008
Mr. Bill
In den 90er Jahren erreichte nicht nur der Ausstoß an musikalischem Müll neue Höhen, nein, auch der Ausstoß an Spielfilmen der Walt Disney Company sollte Mitte des Jahrzehnts neue Rekordhöhen erreichen, die bislang auch nicht mehr überboten wurden.
Denn nach einigen Rekordjahren Mitte der 90er, in denen mehrere Dutzend neue Spielfilme aus dem Disney-Hause ins Kino gelangten, sah man ein, dass mehr Filme nicht zwangsweise auch mehr Einnahmen bedeuteten.
Nun mag man denken, dass man neben den populären Spielfilmen aus den 90ern demnach wohl kaum mit erwähnenswerten Produktionen rechnen müsste. Doch weit gefehlt. Es wimmelt geradezu vor unentdeckten Filmen, die man gesehen haben sollte.
Einer dieser völlig vergessener Filme ist Mr. Bill, eine nachdenkliche, intelligente Komödie mit Danny DeVito in der Hauptrolle. Er spielt einen ehemals erfolgreichen Werbefachmann, der seinen Job verliert und vom Arbeitsamt einen Aushilfsjob als Lehrer in der Army zugeteilt bekommt. Dort soll er den dümmsten Rekruten das Denken beibringen. Jeder der acht Schützlinge (u.a. Marc Wahlberg in seinem Kinodebüt) hat seine eigenen Schicksalsschläge hinter sich und vergräbt sich in einfachsten Denkmustern. Doch ihr neuer Lehrer Bill Rago entstaubt ihre grauen Zellen. Auch wenn die strengen Regeln innerhalb der Army seinen Job nicht gerade erleichtern.
Wenn man die Handlung von Mr. Bill zusammenfasst, scheint es so, als würde der FIlm nur so von Klischees wimmeln und nichts anderes als eine unoriginelle weitere Fassung des altbekannten "Unkonventioneller Lehrer hilft sozial und geistig Minderbemittelten"-Musters abliefern.
Aber dem ist zum Glück nicht so. Die Schicksale der Schüler halten sich im Rahmen, sind nicht zu dick aufgetragen und drücken nicht zu sehr auf der Tränendüse. Und auch Bill Ragos Probleme mit dem System spielen nur eine untergeordnete Rolle, geben nur einen realistischen Rahmen. Viel mehr ist Mr. Bill ein heiterer und nachdenklicher Film über die Kraft des Wissens. Mittels Literaturwissenschaft und ausführlicher Gespräche über Interpretationsansätze (alles gelehrt am Beispiel von Shakespeares "Hamlet") bringt DeVitos Figur die Gehirne seiner anfangs recht dümmlichen Lehrlinge zum Laufen, bringt ihnen so neben gehobenem Englisch auch Selbstrespekt bei. Und das alles in realistischem Rahmen - von großen Übertreibungen, die die Aussage "Literatur begreifen kann euch helfen" unterstützen sollen, aber dann all zu sehr nach filmischer Theatralik schreien spürt man eher wenig. Sicherlich gibt es hier und da auch wieder Zugeständnis an die filmische Dramaturige, doch da sie den Sehspaß auch sichtlich fördern, möchte ich sie gar nicht angreifen.
Nach Kinostart wurde der Film von vielen Kritikern als gigantische Militärpropaganda verschrien. Diese Kritik kann ich zu keinem Zeitpunkt nachvollziehen - für die Protagonisten war die Army der allerletzte Ausweg, doch auch dort versagen sie, bis sie von "Mr. Bill" auf die Beine gebracht werden. Werbung für die Army wird hier definitiv nicht gemacht. Nur für Shakespeare.
Der Star des Films sind dann auch tatsächlich die Szenen, in denen es um Literatur und Theater geht. Man spürt diese Freude an der Thematik, die auch Lernfaulen glaubwürdig rübergebracht wird. Zum Großteil ist dies Danny DeVito zu verdanken, der mit viel Charme und einem Leuchten in den Augen aus Hamlet rezitiert und Drill Sargents veräppelt.
Die restlichen darstellerischen Leistungen sind sehr gut, aber nicht herausragend, das Skript bleibt stets auf hohem Level. Nur den einen oder anderen Subplot hätte man sich sparen können - so ist Bills Problem mit dem Berufswunsch seiner Tochter für den restlichen Film irrelevant und wird auch nur sehr oberflächlich behandelt.
Doch das trübt nur bei kritischem Auge den Blick auf diese Produktion. Und selbst dann nur ein klein wenig. Dass es nicht zum Klassenprimus heranreicht, liegt zum Großteil daran, dass es an Oscarreifen Darstellungen wie die von Robin Williams im "Club der toten Dichter" mangelt. Außerdem wäre Mr. Bill im Vergleich zum besagten Klassiker zu leichte Kost. Allerdings stört das beim Anschauen kein bisschen.
So wird dem "Schulfilm"-Genre ein schön anzusehender und eigenständiger Vertreter geschenkt, der sich tatsächlich zum Großteil auf den Unterricht konzentriert. Schade nur, dass Dramentheorie in Wirklichkeit nicht einmal halb so viel Spaß macht. ;-)
Die DVD zum Film (leider komplett ohne Extras) ist nun endlich im richtigen Bildformat in den Handel gekommen und auch zu Schnäppchenpreisen erhältlich. Uneingeschränkte Kaufempfehlung.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
1 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen