Freitag, 9. Dezember 2016
BFG – Big Friendly Giant
Jedes Land hat seine favorisierten Kinderbuchautoren, deren Werke tief im kollektiven Gedächtnis verankert sind. In Deutschland etwa gibt es kaum ein Vorbeikommen an Erich Kästners Geschichten und den Schöpfungen der Schwedin Astrid Lindgren. Im englischsprachigen Raum wiederum schweben Dr. Seuss und Roald Dahl über allem anderen – zwei Autoren, die ein sehr fantasievoller Umgang mit Sprache verbindet. Möglicherweise ist dies einer der Gründe, weshalb Filmadaptionen der Kästner- und Lindgren-Bücher zumeist freundlicher aufgenommen werden als Verfilmungen ihrer angelsächsischen Kollegen. Zwar genießen im US-Raum der Grinch-Zeichentrickfilm aus den 60ern und das 1971 veröffentlichte Charlie und die Schokoladenfabrik-Kinomusical durchaus Kultstatus, diese Projekte scheinen aber mehr die Ausnahmen darzustellen, welche die Regel bestätigen – zumal beide Filme nur dort gefeiert werden, wo Leute mit ihnen aufwuchsen. In der Bundesrepublik wird es etwa schwer, Leute zu finden, die Gene Wilders Einsatz als Willy Wonka bis aufs Blut verteidigen.
Auch Steven Spielbergs Dahl-Verfilmung BFG – Big Friendly Giant rüttelt nicht am schlechten Gesamtschnitt der Leinwandproduktionen, die auf den großen, unumstößlichen Favoriten des englischsprachigen Kinderbuchmarkts basieren. Obwohl: Doch, das tut er. Er drückt ihn noch weiter nach unten. Denn selbst der Hollywood-Größe misslingt es, aus der eine ulkige Sprache verwendenden Vorlage eine bezaubernd-quirlige Filmerzählung zu formen. Wo ähnliche „Ein Kind und dessen Freund aus einer anderen Welt“-Geschichten, wie Spielbergs E.T. – Der Außerirdische, ihre magischen Eskapaden auf einer plausiblen Freundschaft zwischen zwei Figuren fußen lassen, schlagen einem der Oscar-Preisträger und seine Drehbuchautorin Melissa Mathison (Der Indianer im Küchenschrank) in BFG – Big Friendly Giant künstlich-zuckriges Pathos und endlose Pupswitze um die Ohren – sowie eine Fantasiesprache. Jede. Menge. Dieser. Fantasiesprache. So vielig Dantasiesprache, dass einem fast schon Sören und Hehen verkeksen.
Im Schmittelwunkt der Geschichte steht das verwaiste Zwinzling Sophie (Ruby Barnhill), das in seinem Waisenhaus mitten in London nachtigens den Wachhund spielen tuts. Als sie in einer ruhigen Nacht wieder einsmal allein durch die Gängse schluffert, schaut sie vor ihrem Fernster einen Riesen (Mark Rylance). Und ders, ja, ders schnappselt sich die winzligkleine Sophie und bringt sie ins Reich der Riesen. In dieser idyllischen Welt bereitet der greundliche Figant Träume zu – und wird von voll fiesigen anderen Riesen geschmärgert. Sophie hat Mitleid und sucht nach einem Weg, ihrem neuen Freundkumpel zu hilfigen. Was auch ihr zu Güte sommt, wimmergin sind die anderen Riesen verhungrig nach Menschenfleisch.
BFG – Big Friendly Giant hat durchaus seine Momente. Kameramann Janusz Kamiński (Gefährten) beweist in Spielbergs neustem Kinderfilm erneut sein Händchen für sanft ausgeleuchtete, märchenhafte Aufnahmen, in denen das bilderbuchartige Spiel zwischen Licht und Schatten eine zeitlose Stimmung kreiert. Wobei sich dieses Talent hauptsächlich im ersten Akt zeigt, der im Waisenhaus spielt. Zu dieser wohligen Atmosphäre tragen später nur vereinzelte, fantasievolle Fleckchen der Riesenwelt bei, darunter etwa ein Baum, an dem Träume (dargestellt durch bunte, durch die Luft tollende Partikelwolken) wachsen. Die farbenfrohen Details vor gedeckten Hintergründen stellen eine echte Augenweide dar – bloß, dass selbst die diesen Anblicken gewidmeten Sequenzen zerredet werden.
Der optische Zwauber dieses Films wird von der Bantasiesprache der Riesen übertöncht. Wimmer und wimmer dieder. Kurzfristig mag es einen Reiz haben, den von Rylance überaus sensibel gespielten, in seiner Begeisterungsfähigkeit vielleicht zu wirr gearteten, Riesen in einer Regeln widersprechenden Spreche reden zu hören. Aber die Silbenvertauscherei, das Konsonantenwirrwarr und die gelegentlichen Fantasie-Vokabeln werden in Mathisons Skript arg überreizt: Da die Geschichte für lange Zeit stillsteht, und auch Charakterentwicklung selbst mit der Lupe kaum aufgespürt werden kann, stellt das sprachliche Rumgeschwubsel des BFGs über meite Schwrecken des Films den alleinigen Fokus dar. Und dafür sind die Wortschöpfungen schlicht nicht gewitzt genug. Eher im Gegenteil. Da dieses „Gobblefunk“ so erklärt wird, dass der mild gestimmte Gigant die „normale“ Sprache nie zu Ende gelernt hat, und er auch trotz Sophies Korrekturen munter weiter sein Sprachchaos abfeuert, hat dieser Aspekt des Films etwas Despektierliches an sich: Der BFG ist einfach nicht der Hellste, und wir als Zuschauer sollen uns gemeinsam mit Sophie darüber amüsieren, was der Naivling so radebrecht.
Untermalt werden die einen verschwindend geringen Spannungsbogen aufweisenden Erlebnisse des (immer wieder von der dem Skript zum Trotz gut aufspielenden Jungdarstellerin mit gellender Stimme als „BFG!“ titulierten) Hünen von John Williams‘schwächster Arbeit als Komponist: Der Maestro des Hollywood-Sounds kleistert das Geschehen mit quakenden Klarinetten- und Flötentönen zu, welche jede noch so kleine Bewegung doppelt und dreiundachtzwigfach unterstreichen. Die raren zauberhaften, dialogarmen Momente werden obendrein durch eine fast schon lachhafte Attacke an Harfengezupfe im Keim erstickt.
Dass die Riesen obendrein auf technologischer Seite eher an frühe Shrek-Filme erinnern und das nichtssagende Dialogbuch vor Wiederholungen platzt (so! viele! Pupswitze!), stellen die Höhepunkte dieses im Kauderwelsch ersaufenden Kinderfilms ausgerechnet die Abstecher in die Menschenwelt dar – was für einen Fantasyfilm fast einer Kapitulationserklärung gleichkommt. Bedeutet dies doch, dass die Verlockungen der im Mittelteil lang und breit zelebrierten, andersartigen Welt äußert gering ausfallen. Ob Sophies Überwachungsrundgang durch ihr Waisenhaus oder ein mit Situationskomik gefülltes, wenngleich arg ausgewalztes royales Dinner: Wenn Spielberg das „Staunt, wie anders die Riesenwelt ist!“-Pathos runterfährt und Williams‘ kitschig-kindlicher wegwerfscore Pause hat, entwickelt sich wenigstens Kurzweil. Das holpernde und polternde Finale und eine Wagenladung an meilenweit gegen den Wind riechenden Pupsgags ersticken die Schmierkung dieser sympaflischen Szenen aber mast schon im Deim. Und so ein Schmais murde in den USA lon Disney mausgekracht! Ätz und stöhbeldöhbel!
Fazit: Wer allein schon bei dieser mit sprachlichen Verbrechen keineswegs geizenden Kritik aggressiv wurde, sollte tunlichst den Kinobesuch vermeiden. Wer aber kindliches Sprachdurcheinandergewirbel für das Zauberhafteste hält, wo geben tun täten tat, der darf einen Blick riskieren sein. Denn nahezu der glanze Fim besteht aus lungeschmeuerdichen Dialogen, befleitet von metwas digitalen Schmudensauber. Na dann: Gute Nacht.
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