Ein riesiger Jenga-Turm. Humorvolle Promi-Gastauftritte. Viele,
schnelle Schnitte in hyperaktivster Musikvideomanier. Pfiffige
Erzählerkommentare. Fertig ist er, der Nachhilfekurs in Sachen
Weltwirtschaftskrise: Die außerordentliche, satirische Wirtschaftstragikomödie
The Big Short bedient sich exakt dieser Elemente, um in 130
äußerst kurzweiligen Minuten die frustrierende, aber auch absurde Geschichte
hinter dem Börsen-Zusammenbruch von 2007 zusammenzufassen. Die wahren Eckdaten
werden von Regisseur und Drehbuch-Koautor Adam McKay obendrein durch ein großes
(teils fiktives) Figurenrepertoire, eine exzentrische Kameraführung und
mehreren Links-Rechts-Kombinationen aus Selbstironie und tragisch-verbittertem
Galgenhumor ausgeschmückt. Unterm Strich ergibt diese einzigartige
Zusammenstellung an Gangarten einen erschöpfenden Blick in die marode Seele der
Wirtschaftswelt sowie ein denkwürdiges Stück Hollywood-Kino der anderen Art.
Diese nachdenklich-zynische Farce nimmt damit ihren Anfang, dass
Hedgefond-Manager Michael Burry (Christian Bale) zu einer Erkenntnis erlangt,
die ihm kaum jemand abkaufen will: Der frühere Neurologe, der unter
Asperger-Syndrom leidet, errechnet, dass im zweiten Quartal 2007 der
US-Börsenmarkt zusammenbrechen wird. Denn nur der Exzentriker, der ein Glasauge
hat und sich im Büro trotz Super-Spar-Haarschnitt wie ein Rockstar aufführt,
bedenkt die Konsequenzen dessen, dass das Anleihengeschäft großer Investmentbanken
auf faulen Krediten fußt. Nachdem sich das System jahrelang durch
Taschenspielertricks in eine Hochphase steigern konnte, muss der Kollaps folgen
– worauf Burry vorausschauend wettet.
Während ihn die Wirtschaftswelt nahezu geschlossen verlacht, kommt der
moralisch flexible Investmentbanker Jared Vennett (Ryan Gosling) Burrys Handeln
auf die Schliche – und wittert das große Geld: Er sucht Geschäftspartner, mit denen
er Gewinn aus der apokalyptischen Prognose schlagen kann. Eher zufällig gerät
er an Hedgefond-Manager Mark Baum (Steve Carell), der nicht zuletzt aufgrund
privater Schicksalsschläge zu einem harschen Kritiker des Bankenwesens wurde.
Nun will er mit seinen Vertrauten das System dazu bringen, in die Grube zu
stolpern, die es sich gegraben hat. Und dann wären da noch die aufstrebenden
Junginvestoren Charlie Geller (John Magaro) und Jamie Shipley (Finn Wittrock),
die dank einer Prise Glück vom ganzen Treiben Wind bekommen und mit Hilfe des
Ex-Bankers Ben Rickert (Brad Pitt) ebenfalls auf das Platzen der Finanzblase
setzen …
Klingt kompliziert? Ist es eingangs auch! Wären da nicht die
schelmisch-jovialen Kommentare des direkt in die Kamera sprechenden Jareds,
liefe The Big Short in den ersten Minuten Gefahr, in
reinstes Chaos auszuarten. Die Einführungen der diversen Figurengruppen werden
von McKay und Koautor Charles Randolph bunt durcheinandergewürfelt, darüber
hinaus hat Barry Ackroyds vor allem im ersten Akt stark auf Nahaufnahmen und
Handwackler setzende Kameraarbeit eine desorientierende Wirkung. Und das
Wall-Street-Vokabular? Das verwenden die Figuren wie selbstverständlich,
weshalb die ersten Filmminuten für all jene ohne fortgeschrittene Wirtschaftskenntnisse
einem heftigen Rätsel gleichen dürften.
Dann aber offenbart sich mit einem Mal die wahre Natur dieser
28-Millionen-Dollar-Produktion: The Big Short zieht nach dem
gezielten Tohuwabohu die Notbremse und macht Platz für eine eingeschobene,
ulkige Erläuterung einiger wichtiger Wall-Street-Begriffe. Dargeboten wird
diese Mini-Schulstunde durch einen sexy-galanten Cameo, wobei die Wortwahl des
Skripts dem Publikum förmlich entgegenschreit: „Jepp, die Vokabeln so zu
erläutern, mag zwar ganz und gar nicht von flüssigem Storytelling zeugen, aber
wir können immer noch Spaß damit haben, nicht wahr?“ Und selbst wenn sich
Ackroyds Kameraführung erst später normalisiert, so ist die erste von mehreren
Wirtschaftsfachwörter-Schilderungen ein echter Befreiungsschlag für diesen
Film:
Ab diesem Moment liegt McKays Mentalität, die diese Sachbuchadaption
durchzieht, klar auf der Hand. Und die trägt diesen Film fast im Alleingang in
den Olymp der cineastischen Wirtschaftsgeschichten: Mit kessem Selbstbewusstsein
schildert The Big Short, welche Farce sich bis Anfang 2007
an der Wall Street abspielte. Damit ähnelt sie in gewissen Aspekten Martin
Scorseses The Wolf of Wall Street, bloß dass sich diese
Tragikomödie nicht dem Exzess der Finanzhaie widmet, sondern der Skurrilität
des Wall-Street-Geschäftsalltags. Allerspätestens wenn Goslings braun
gebrannter Charmebolzen (der die Erzählerpflichten zwischenzeitlich an andere
Figuren abgibt) mit einem Holzklotzturm die Fragilität des US-Hypothekensystems
vorführt, wird überdeutlich, wie naheliegend der Zusammensturz der
Weltwirtschaft eigentlich war. Hätten nur mehr Menschen das System rechtzeitig
hinterfragt und die Schall-und-Rauch-Taktik der Wall Street durchschaut. Da
McKay die bittere Wahrheit so pointiert schildert, ist [[The Big Short]] ein
kluger, verdichtet inszenierter Film, bei dem einem das Lachen wiederholt im
Halse stecken bleibt. All zu niederschmetternd ist das Ganze wohlgemerkt nicht:
Gosling, Carell und Bale gelingt es den tragischen Hintergründen zum Trotz, mit
ihrem perfekten komödiantischen Timing einige lupenreine Gags abzuliefern, ganz
ohne anschließenden „Schlechtes Gewissen“-Effekt.
Abgesehen von Steve Carells Rolle, die mit moralischem Kompass
ausgestattet ist und zudem das größte emotionale Päckchen zu tragen hat, sind
die Figuren in The Big Short zwar recht grob skizziert, doch
die zügige Erzählweise weiß davon gekonnt abzulenken. Da zudem Christian Bale
seinem Schlagzeug spielenden Exzentriker trotz skripttechnischer Leerstellen
eine vielschichtige Ausstrahlung verleiht, ist diese Tragikomödie auf
Figurenseite stabil genug aufgestellt, um ihre eigentlichen Schwerpunkte zu
stützen: Die originelle, an verrückte Kinospäße wie Crank erinnernde
Verpackung. Und deren Inhalt: Die genau beobachtende Schilderung des
unvermeidlichen Untergangs der Weltwirtschaft.
Weil McKay aufgrund vereinzelter, leiser Töne eine mehrdimensionale
Sentimentalität an den Tag legt, fällt es nicht schwer, es den zentralen
Figuren zu gönnen, dass ihre Vorhersagen eintreffen. Gleichwohl bleibt stets
bewusst: Mit ihrem Triumph über die verlogenen Wirtschaftsspekulanten werden
Millionen von Existenzen zerstört. Dieses moralische Dilemma kehrt der
Regisseur nie unter den Teppich, was aber nicht heißt, dass er sich gen Schluss
plötzlich pointierte Musikeinsätze und rasante Montagesequenzen verkneift. Und
das zurecht: Wie sonst sollte man die bittere, lachhafte Story der
Wirtschaftskrise aus der Sicht jener erzählen, die alles haben kommen sehen,
als in Form einer verqueren, dramatisch-verrückten Tragikomödie?
Fazit: The Big Short braucht
etwas, um in Gang zu kommen, und nicht alle Figuren in diesem satirischen
Wirtschaftsdrama bleiben lang in Erinnerung. Trotzdem ist Adam McKay mit dieser
geistreichen, bitteren Farce großes Kino gelungen: Der wilde Wolf of
Wall Street trifft die Dramatik von Der große Crash – Margin
Call, den Idealismus eines Michael Moore und den frenetischen Stil
der durchgeknallten Actionfilm-Posse Crank!
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