Stephen Frears zählt zu den ganz
Großen unter den britischen Regisseuren. Der zweifache Oscar-Anwärter
bereicherte die Filmwelt mit solchen Kleinoden wie Mein wunderbarer
Waschsalon und auch mit Kultfilmen wie High Fidelity.
Und auch mit Dramen basierend auf wahren Begebenheiten kennt sich der
Regieveteran aus. Man denke nur an die Nacherzählung einer Woche voll adliger
Darstellungsprobleme namens Die Queen. Auch in The
Program betätigt sich Frears als dramatisierender Chronist eines
Stücks Zeitgeschichte: Basierend auf dem Enthüllungsbuch „Seven Deadly Sins“
des Sportjournalisten David Walsh erzählt diese britisch-französische
Koproduktion von der Radsportkarriere Lance Armstrongs. Und somit zwangsweise
von dessen massivem Missbrauch leistungssteigernder Mittel:
Die Erzählung setzt 1993 ein, als
Sportreporter David Walsh (sympathisch, aber zu wenig zu sehen: Chris O‘Dowd)
für die Londoner Sunday Times einmal mehr über die von ihm geliebte Tour de
France berichtet. In diesem Jahr lernt er einen 21-jährigen Ehrgeizling aus den
USA kennen: Lance Armstrong (Ben Foster), der trotz seines unvorteilhaften
Körperbaus ganz groß rauskommen möchte. Walsh traut ihm zwar keinen Gesamtsieg
zu, rechnet aber damit, dass er auf bestimmten Etappen bestechen könnte. Und
tatsächlich: Armstrong wird schon im selben Jahr Straßenweltmeister. Der
allmähliche Aufstieg Armstrongs im Radsport nimmt 1996 aber aufgrund einer Schockdiagnose ein
vorzeitiges Ende: Der Amerikaner hat Hodenkrebs im fortgeschrittenen Stadium.
Dies stoppt ihn jedoch nicht: Mit eisernem Willen und aggressiver Chemotherapie
besiegt er die lebensbedrohliche Erkrankung – bald danach schwingt er sich
wieder auf den Drahtesel. 1999 gewinnt der Texaner seine erste Tour de France,
Jahr für Jahr wiederholt er seinen Triumph.
Während ihn die Weltpresse
aufgrund seiner unfassbaren Comebackstory feiert, hat Walsh Zweifel an dieser
wundersamen Leistungssteigerung. Und so beginnt er, gegen Armstrong zu
recherchieren. Womit er auf der richtigen Fährte ist, denn Armstrong und sein Team
US Postal machen sich in abartigem Ausmaße des Dopings schuldig. Armstrongs
strenggläubiger Teamkollege Floyd Landis (als einziger im Cast ansatzweise
vielschichtig: Jesse Plemons) hat daher Gewissensbisse …
Armstrongs
ausuferndes Doping bei der Tour de France zählt längst zum Allgemeinwissen und
die Details dieser in ihren Ausmaßen wohl beispiellosen Betrugsstory sind
mittlerweile sehr gut dokumentiert. Daher ist es nicht notwendig, das Geschehen
in Form einer nachgestellten Dokumentation auf die Leinwand zu bringen.
Entweder weiß der Kinogänger bereits, was wann passiert ist, oder er kann
seinen Informationsdurst mit rein faktenorientierten Sachbüchern, Artikeln und
Dokumentationen stillen. Ein auf gemeinhin bekannten, wahren Begebenheiten
basierendes Drama hat viel mehr die Aufgabe, das zu bieten, was eine nüchterne
Chronik nicht leisten kann. Sie kann das Vergangene in einen größeren Kontext
setzen, auf eine brennende Frage herunterbrechen oder den Fokus auf die
Emotionen der handelnden Personen legen.
Frears leistete dies einst mit Die
Queen: Dass Lady Di, „die Prinzessin der Herzen“, 1997 verstorben ist
und sich das Königshaus eingangs mit Trauerbekundungen schwer getan hat, wurde
damals in den Medien breit getreten. Ein einfaches Eckdatenabklappern hätte
daher in einen wenig reizvollen Spielfilm resultiert. Frears aber lenkte die
Aufmerksamkeit des Publikums auf den inneren Konflikt der Queen und schuf so
ein ergiebiges, durchaus auch berührendes Drama.
So
sehr Die Queen ein Positivbeispiel für diese Form der
Kinounterhaltung darstellt, dient The Program – Um jeden Preis
jedoch als Negativbeispiel. Das Drehbuch von John Hodge (Trance)
konzentriert sich darauf, die wichtigsten Punkte der Karriere Lance Armstrongs
in einer Laufzeit von weniger als zwei Stunden abzuklappern. Und selbst wenn
Hauptdarsteller Ben Foster alles gibt, um sich in seine Rolle
hineinzuversetzen, gelingt es ihm aufgrund der einseitig geschriebenen
Skriptvorlage nicht, den Sportler zu einer bemerkenswerten
Leinwandpersönlichkeit zu erheben. Foster, der während des Drehs zu Recherchezwecken
leistungssteigernde Mittel zu sich genommen hat, spielt effektiv und
wirklichkeitsgetreu die Note „egozentrischer Prahler“, mit nur verschwindend
geringen Akzenten von Einfühlsamkeit. Einblicke in die Gedanken- und
Gefühlswelt Armstrongs bleiben indes aus.
Dies wäre vernachlässigbar, würde
die Koproduktion der Häuser Anton Capital Entertainment, StudioCanal und
Working Title andere Aspekte in den Vordergrund rücken. Etwa den durchaus
spannenden Rechtsstreit zwischen Armstrong und seinem einstigen Befürworter
Walsh, der im Zentrum sehr weniger Szenen steht. Oder den Adrenalinrausch des
Radsports – die Faszination der Tour de Force wird aufgrund der handwerklich
soliden, doch den nötigen Reiz an Geschwindigkeit missenden Inszenierung aber
nicht nachvollziehbar. Kurzum: Alles, was etwa Ron Howards Formel-eins-Drama Rush
– Alles für den Sieg ausgemacht hat, fehlt hier. Also atemberaubende
Rennsequenzen, komplexe Charakterzeichnungen und packendes Kräftemessen. Was
bleibt, ist ein verbissen agierender, den Skriptschwächen zum Trotz respektable
Arbeit leistender Forster und eine adäquate Schnitt- und Kameraarbeit, die
diesen nachgespielten XL-Nachrichtenbeitrag gerade so davon abhalten, jeglichen
Anspruch auf eine Kinoauswertung zu verlieren.
Fazit: Dieser Film guckt
sich wie ein Wikipedia-Artikel: Ein guter Cast und ein fähiger Regisseur
verschwenden ihre Zeit, um Häkchen hinter die Stationen in Lance Armstrongs
Schaffen zu setzen!
0 Kommentare:
Kommentar veröffentlichen