Es ist leicht, von Joss Whedons
filmischer Achterbahnfahrt Marvel's The Avengers
euphorisiert, nur das Beste von Robert Downey juniors einträglichster
Rolle zu erwarten. Das große Zusammentreffen der Superhelden war
immerhin in allen Belangen ein Volltreffer. Comicfans feierten, dass
die aufwändige Kinoproduktion die Atmosphäre der populären
Marvel-Bildergeschichten perfekt einfing, die große Masse an
Kinogängern ließ sich vom spaßig-spannenden Abenteuern mitreißen,
selbst der Feuilleton hatte dank der charakterbasierten (und
charakterstarken) Action seine Freude am Popcorn-Filmspaß. Der Lohn:
Ein weltweites Einspielergebnis von einer 1,5158 Milliarden Dollar!
Das bedeutete seinerzeit Platz drei der ewigen Kino-Hitliste, was
wiederum den hinter Marvel stehenden Disney-Konzern in Freudentaumel
versetzt haben dürfte.
Von der Avengers-Euphorie
geblendet, vergisst man jedoch schnell, dass Iron Mans vergangener
Solo-Leinwandausflug bereits seinerzeit eine leichte Enttäuschung
darstellte, und dass er vom Zahn der Zeit recht arg zersetzt wurde.
Zwar ist Iron Man 2 reich an Ideen, allerdings
krankt er an einer sehr holprigen Dramaturgie, sprunghaften
Charakterisierungen und, je nach Standpunkt, einer Überdosis
Marvel-Universenbildung oder an unzureichender Leinwandzeit für
seine Nebenfiguren. Doch egal, ob Black Widow, Nick Fury und Co. zu
kurz zu sehen waren, um sie zu einem essentiellen Teil der Handlung
aufzubauen, oder ob sie bereits zu viel Aufmerksamkeit auf sich
gelenkt haben … Entscheidend ist: Drei weitere Einträge ins
„Marvel Cinematic Universe“ später erstrahlen die Iron
Man 2-Momente abseits des Titelhelden nicht in einem
besseren Licht, sondern wirken nur noch hölzerner und forcierter, da
wir vorgeführt bekamen, wie gut das breite Marvel-Filmuniversum
stattdessen beleuchtet werden kann, ohne die zentrale Story aus den
Augen zu verlieren.
Der Druck auf Iron Man 3
ist also enorm: Es ist der erste Marvel-Film nach The
Avengers und somit in klarer Bringschuld, das
Superheldenuniversum sinnig weiterzuspinnen. Gleichwohl wird ein
gelungenes Einzelabenteuer des Milliardärs, Playboys und Superhelden
Tony Stark erwartet, das sich von den Iron Man 2-Patzern
distanziert. Beide Ziele zugleich zu erreichen, erscheint nahezu
unmöglich, sind sie doch geradezu entgegengesetzter Natur. Umso
bezahlter macht sich das Wagnis der Marvel Studios, nach zwei Iron
Man-Filmen das Kreativteam auszutauschen und das Schicksal
der Filmreihe in die Hände von Shane Black zu legen, der als
Co-Autor und Regisseur ordentlich das Ruder herumreißt. Black
inszenierte zuvor zwar einzig und allein eine günstig produzierte
Actionkomödie, doch diese ist immerhin die virtuose
Film-noir-Hommage und Action-Parodie Kiss Kiss Bang
Bang. Wenn jemand weiß, wie man einer filmischen Tradition
treu bleiben kann und sie gleichzeitig neu erfindet, dann Black.
Wie Weihnachten und
Sommerferien gleichzeitig
Shane Black und sein Co-Autor Drew
Pearce lassen sich allerhand einfallen, um den Erwartungen an Iron
Man 3 gerecht zu werden und mit ihnen im selben Zug gekonnt
zu spielen. So zeigen sie Tony Stark (Robert Downey junior) als
psychisch deutlich von den Ereignissen in The Avengers
gezeichnet – das Supergenie erkennt erstmals die Grenzen seines
Wissens und Könnens, was seinem Nervenkostüm schwer zu schaffen
macht. Der frühere Waffenhersteller leidet unter Panikattacken und
verkriecht sich in seiner Werkstatt, wo er ununterbrochen an neuen,
schnelleren, stärkeren Iron-Man-Anzügen tüftelt. Dadurch hält
Iron Man 3 die Erwartungen ein, dass diese
Fortsetzung mehr zu bieten hat als Iron Man 2 (die
Masse an Iron-Man-Rüstungen ist nahezu überwältigend) und dass sie
inhaltlich nahtlos an The Avengers anknüpft,
zieht sie doch deutliche charakterliche Konsequenzen aus den
Geschehnissen des Megablockbusters.
Aber: Nachdem Tony Stark einen
gefürchteten Terroristen namens „Der Mandarin“ (Ben Kingsley)
medial zum Duell herausfordert, erwischt dieser den Milliardär
eiskalt und schneidet ihn von jeglichem Zugriff auf seine technischen
Spielereien ab. So werden Black und Pearce den Erwartungen gerecht,
dass der dritte Teil einer Filmreihe dramatischer und härter werden
muss, ehe sie radikal in eine völlig andere Richtung abdriften. Denn
nach dem fatalen Angriff auf sein Rückzugsgebiet findet sich Tony
Stark nicht in einer Höhle im Nahen Osten wieder (wie im Erstling
der Reihe) oder in einem ominösen Loch von einem Gefängnis (frei
nach The Dark Knight Rises), sondern … in einer
verschneiten Kleinstadt im mittleren Westen der USA! Dort hält sich
Stark, um von den Handlangern des Terroristenführers nicht entdeckt
zu werden, sehr bedeckt und arbeitet nur mit den simplen Mitteln, die
er mit Hilfe eines technikverliebten kleinen Schuljungen (Ty
Simpkins) zusammenkratzen kann.
Urplötzlich verwandelt sich Iron
Man 3 also in eine zeitgemäße Fortführung der kultigen,
humorvollen 80er-Jahre-Actionthriller, die Shane Black damals mit
Lethal Weapon 1 & 2 als Autor miterfunden hat.
Dieser nostalgische Rücksturz in die Vergangenheit des
Buddy-Cop-Genres mischt die Iron Man-Formel auf
pfiffige Weise auf, ohne die Filmreihe stilistisch zu betrügen. Mit
seinem sarkastischen Humor steht Tony Stark als Leinwandfigur eh in
der Tradition solcher Kult-Actionhelden wie John McClane oder Martin
Riggs. Die Präsenz des Mandarin sowie einer neuen Gruppe kaum
bezwingbarer, übernatürlicher Schurken verwurzeln die Story dessen
ungeachtet durchgehend im Marvel-Filmuniversum.
Auch Iron Man 1 &
2-Regisseur Jon Favreu bleibt der Saga erhalten und tritt
als Bodyguard von Pepper Potts (Gwyneth Paltrow, die sich mehr noch
als in den ersten beiden Filmen gegenüber Downey junior in feinster
Screwball-Komik üben darf) erneut vor die Kamera. Ein weiterer
Rückkehrer aus Iron Man 2 ist Don Cheadle als
Tony Starks bester Freund Rhodey, der dank des besseren Dialoghumors
eine spritzigere Figur macht als noch im Vorgänger. Neu in der Welt
der Marvel-Verfilmungen sind derweil Guy Pearce, der mit wundervoll
fieser Spielfreude einen schmierigen Geschäftsmann und Biochemiker
verkörpert, und Rebecca Hall, die als Bioforscherin und früherer
One-Night-Stand Tony Starks zwar etwas unterfordert bleibt, sich aber
trotzdem gut in das etablierte Ensemble einfügt.
Die denkwürdigste Performance des
Films stammt allerdings von Ben Kingsley, dessen Interpretation des
Mandarin bei den eingeschworenen Comicfans polarisierend aufgenommen
wird. Die Darstellung des Mandarin als rätselhafte Schattenfigur,
die sich der Massenmedien annimmt, um Amerika in Angst und Schrecken
zu versetzen, unterscheidet sich in mancherlei Hinsicht enorm von der
Comicvorlage, stellt jedoch auch einen treffenden Kommentar auf
moderne Weltpolitik und terroristische Vorgehensweisen dar. Kingsley,
der ein unbestreitbares Talent hat, Fieslinge zu verkörpern, denen
man liebend gern zuschaut, ist die Idealbesetzung für diese
Mandarin-Neuinterpretation und weiß ebenso einzuschüchtern wie zu
unterhalten.
Marvels Kiss Kiss
Bang Bang
Der partielle Richtungswechsel von
Iron Man 3 bringt auch eine Neugewichtung der
Action mit sich. Zwar umfasst auch das neuste Abenteuer des Helden in
eiserner Rüstung zahlreiche Actionsequenzen voller aufwändiger
Computereffekte, jedoch halten mit der „Zurück zu den
Wurzeln“-Mentalität auch vermehrt handgemachte Kampfszenen Einzug
in das Iron Man-Franchise. Diese erstrecken sich
von wuchtigen, detailliert choreographierten Faustkämpfen über
kurze, humorvolle Scharmützel bis zu einem packenden, nur minimal
durch digitale Effekte geschönten Fallschirmstunt. Blacks
Inszenierung der Actionszenen passt sich perfekt dem Feeling des
gesamten Films an: Moderne Rasanz, altmodische Gelassenheit. Die
Action in Iron Man 3 ist so flott und dynamisch,
wie man es in der Ära der 200-Millionen-Dollar-Produktionen von
einem Hollywood-Blockbuster erwartet, wohl aber nicht so temporeich
wie in The Avengers oder gar Transformers,
sondern umfasst auch kurze Verschnaufpausen. Diese dienen unter
anderem dazu, dem Helden Gelegenheit für trockene Kommentare zu
geben oder auch dazu, durch Zurückhaltung die Spannung zu erhöhen.
Iron Man 3 gleicht damit weniger der
Vergnügungsfahrt, die The Avengers darstellte,
sondern mehr einer Marvel-Version von Shane Blacks Regieerstling
Kiss Kiss Bang Bang – nur um ein Vielfaches
größer und mit leicht gedrosselter Dosis an frechen
Meta-Kommentaren.
Mit Blick auf Iron Man 2
ist Blacks wohl größte Leistung der stets fließende Übergang von
Humor zu Dramatik zu Spannung. Während Jon Favreaus vergangener
Superheldenfilm dahingehend mitunter mit der Brechstange vorging,
bringt Black problemlos im Laufe einer Sequenz Slapstick,
sarkastischen Dialogwitz und grundsolides Charakterdrama unter. Etwa,
wenn ein machohaft agierender Tony Stark von Peppers strengen Blicken
eingeschüchtert endlich die aufgesetzte Heldenhaftigkeit aufgibt und
ihr beichtet, dass er sich den immer weiter anhäufenden Bedrohungen
nicht gewachsen fühlt. Solche Einsichten in das Innenleben des nun
zum vierten Mal über die Leinwand düsenden Protagonisten helfen,
die Fallhöhe zu vergrößern, während Blacks markanter Dialogwitz
ebenfalls den Spaßfaktor in die Höhe schnellen lässt. Ob Iron
Man 3 nun ein ernsthaftes und düsteres Sequel ist oder ein
leichtgängiges und spaßiges lässt sich deswegen nicht ohne
Weiteres festlegen.
Auch musikalisch schiebt sich Iron
Man 3 ab seinen Vorgängern vorbei. Zwar ist die
Songauswahl nicht so prägnant wie in den ersten beiden Iron
Man-Filmen, jedoch elektrisiert die klare Themen
entwickelnde Instrumentalmusik von Brian Tyler (John
Rambo) ein klein wenig mehr als der rockende Score von
Ramin Djawadi (Iron Man) und deutlich mehr als das
Musikchaos vn John Debney (Iron Man 2).
Fazit: Iron
Man 3 läutet die zweite Phase des „Marvel Cinematic
Universe“ nicht etwa mit einem Paukenschlag ein, sondern mit einem
kessen Rückgriff auf die Stilmittel der 80er-Actionkomödie.
Kult-Actionautor Shane Black schafft eine Fortsetzung, die
dramatischer, witziger, bodenständiger und dennoch imposanter ist
als der stilistisch verworrene zweite Iron Man und
legt so für die kommenden Marvel-Fortsetzungen die Messlatte ein
gutes Stück höher.
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