Sonntag, 12. April 2015
Fast & Furious 7: Gustav Gans hat ein Auto ...
Mit Fast & Furious 7, respektive Furious 7 (wie er in Nordamerika betitelt ist), findet Universals benzingeladenes Erfolgsfranchise seinen kommerziellen Höhepunkt. Doch nicht nur die Einspielergebnisse können sich sehen lassen, sondern auch die Kritiken dieses autovernarrten Actionabenteuers. Ich möchte erklären, weshalb ich diese Reaktion zwar dulden kann, aber nicht in diesen Reigen der Begeisterung mit einstimme. Dazu muss ich etwas weiter ausholen und über Donald Ducks gelockten Vetter referieren. Keine Sorge, es wird am Ende alles Sinn ergeben ...
Ich liebe es, Gustav Gans zu hassen! Daher möchte ich mir ein Entenhausen ohne den größten Glückspilz der Comicgeschichte gar nicht mehr vorstellen. Vor allem gibt er einen wundervollen Antagonisten ab, denn während Donald ein Erpel ist wie du und ich, steht Gustav stellvertretend für all jene, die scheinbar nichts tun müssen, und dennoch unentwegt von Fortuna geküsst werden. Aber selbst als Verbündeter Donalds ist Gustav, in den Händen der richtigen Disney-Autoren, eine reizvolle Figur. Er kann mit seiner Eitelkeit und seinem unredlich erarbeiteten Selbstbewusstsein als Kontrast zum normaleren Donald dienen, oder mit seinem abartigen Glück als Comic Relief nützlich sein - sofern die Autoren es pointiert nutzen. Anders darf es nicht sein! Man stelle sich bloß vor, es gäbe eine Disney-Heldentruppe, zu der auch Gustav gehört. Es wäre unerträglich, würde er sich einfach strikt auf sein Glück verlassen, wenn ihn die Autoren wie jede andere Figur behandeln würden und sich darauf verließen, dass wir Leser schon noch mitfiebern werden.
Aber erfreulicherweise müssen wir es uns gar nicht vorstellen, wie ein Disney-Heldenteam mit Gustav als Mitglied aussieht. Diese Vereinigung gibt es nämlich bereits: Es sind die Ultraheroes und deren Epos wurde im LTB Premium Nr.1 veröffentlicht. Eben dieser geniale Comic wusste, Gustav dramaturgisch effizient einzusetzen: Partiell wird Gustavs unverschämtes Glück zu komischem Effekt genutzt, teilweise soll Gustav gar bewusst als Unsympath wirken und so für Dramatik sorgen, obwohl seine 'Fähigkeit' ja bei einer geradlinigen, ungebrochenen Verwendung jegliche Spannung verhindern würde.
Was aber wäre, wenn es ein Heldenteam gäbe, das nicht aus diversen Figuren inklusive Gustav Gans besteht, sondern ausschließlich aus Kopien von Gustav Gans: Aus einem IT-Techniker-Gustav, einem Cop-Gustav, einem Muskelprotz-Gustav, und so weiter. Die Geschichten dieser Truppe müssten vor Selbstironie triefen und zielsicher Tropoi des Actiongenres auf den Kopf stellen, um vollauf zu funktionieren. Wenn sie keine gepfefferte Persiflage darstellen, wie sollten sie denn unterhalten? Egal, was Gustav versucht, es gelingt. Und weil er sich dessen bewusst ist, bemüht er sich gar nicht erst, bemerkenswerte Pläne zu schmieden. Eine sich als Eskapismus ernstnehmende, also gerade heraus erzählte, auf Kurzweil abzielende Story mit dem Gustav-Team drohe von den ersten Augenblicken an, keinerlei Dramaturgie oder Spannung zu entwickeln. Und wäre somit den Ultraheroes meilenweit unterlegen.
Es ist erneut gar nicht erst notwendig, sich solch eine Story auszumalen. Denn eben dieses Gustav-Gans-Prinzip ist eines meiner Probleme mit der Fast & Furious-Saga. Und obwohl der siebte Teil so manche Qualitäten aufzuweisen hat, wird er überaus deutlich von diesem Makel in Mitleidenschaft gezogen.
Ich störe mich überhaupt nicht daran, wenn Figuren in Actionfilmen Situationen nahezu unbeschadet überstehen, die im echten Leben mindestens schwere Blessuren mit sich bringen würden. Und bei solch überdrehten Filmen wie Fast & Furious 7 ist es erst recht unsinnig, sich darüber zu beklagen, was die Figuren so alles überleben. Würden sich solche Filme an den Gesetzen der Physik orientieren, wären sie spätestens nach zehn Minuten zu Ende. Ich gehe ja überhaupt erst in Actionfilme, um überwältigende Dinge zu sehen. Wenn also Vin Diesels muskelbepackte Rolle Dominic Toretto volles Rohr eine Klippe hinunter fährt und dies überlebt, habe ich kein Problem damit. Zumindest nicht damit, dass Toretto seinen waghalsigen Stunt übersteht. Dennoch komme ich mir als Zuschauer vor, als wollten Regisseur James Wan und Autor Chris Morgan mich für dumm verkaufen. Nicht, weil sie denken, ich kaufe Diesel seine übermenschliche Widerstandskraft ab. Sondern weil sie denken, ich bin davon beeindruckt, dass sich eine Figur von einem hohen Punkt hinunterstürzt. Immer und immer wieder.
Also: Fein! Die Actionsequenzen in Fast & Furious 7 sind unrealistisch. Nun, das darf ruhig so sein. Was aber nicht sein sollte, ist dass sie nahezu alle auf genau einen Trick hinauslaufen: Die Helden stürzen sich aus großer Höhe und hoffen, dass sie das mit viel Glück überleben. Dieser Trick wird etwas variiert, mal springt Paul Walkers Paraderolle Brian O'Conner mit Vertrauen in seine Fortuna gen Rettung. Mal springt Dwayne Johnson aus einem Hochhaus. Doch besonders oft gibt es in Fast & Furious 7 folgendes zu sehen: Mindestens einer der Helden steckt auf einem hohen Punkt in der Klemme, daraufhin gibt er mit seinem Auto Vollgas und stürzt sich hinunter. Das Glück wird den Wagen mitsamt Insassen schon auffangen!
Prinzipiell sehr eintönig, und umso erfreulicher ist, dass James Wan und Chris Morgan dieses Grundkonzept, wie beschrieben, an der Oberfläche genügend abwandeln, um einer Übersättigung an "Ich und hoffe auf das Beste"-Aktionen vorzubeugen. Gleichwohl verlassen sie sich dermaßen auf diesen Kniff, dass ich mich als Zuschauer einerseits frage, ob den Filmemachern denn nichts anderes einfällt, und dass ich zweitens unfähig bin, mit den Figuren mitzufiebern.
Denn das Aufregende an einem Actionfilm ist ja zu einem bedeutenden Teil das Wesen der Figuren. Ihr Mut, ihr Einfallsreichtum, ihre Findigkeit oder ihre besonderen Talente im Kampf. Wenn Jason Statham als Öl beschmierter, halbnackter Transporter dank seines kämpferischen Könnens einen Haufen Leute fertig macht, bin ich gebannt. Wenn Jack Sparrow in den Palast des Königs verschleppt wird und spontan einen halsbrecherischen Fluchtplan schmiedet, der von ihm verlangt, seine Umgebung zu seinem Vorteil zu nutzen, bin ich wie gefesselt. Auch wenn Indiana Jones einen Flugzeugabsturz erlebt und sich rettet, indem er ein Gummiboot missbraucht, um den Sprung aus dem trudelnden Flieger abzufedern, staune ich, weil eine smarte Figur eine Idee hat – eine Idee, die zwar nur in einer Filmrealität ansatzweise clever ist, trotzdem bleibe ich als Zuschauer am Ball. Genauso, wie ich voller Begeisterung die Avengers in ihrem ersten gemeinsamen Kinofilm bewundere, weil sie ihre ganz eigenen Fähigkeiten im Teamwork einsetzen, um die Chitauri zu bezwingen.
Wie aber soll ich voller Engagement die Taten der Fast & Furious 7-Protagonisten verfolgen, wenn sie praktisch durchwegs nach dem "Ach, wird schon!"-Gedanken handeln. Und, ach, es wird tatsächlich immer! Da kann ich schlicht nicht im Kinosaal sitzen und innerlich jubeln "Wow, dieser Dominic Toretto ist echt ein genialer Actionheld, wow, was der so alles drauf hat!" So beeindruckend die Ideen der Fast & Furious 7-Macher sein mögen, wenn sie Autos aus einem Flugzeug schmeißen oder eines zwischen Hochhäuser springen lassen, so faul empfinde ich deren Methoden, diese Konzepte zu einem Gesamtwerk zu verbinden. Es fehlt das Bindemittel namens Charakterzüge. Die Figuren sind nicht intelligent, schlagfertig, verbissen, brillant im Umgang faszinierender Gimmicks oder Meister im Improvisieren. Da die Figuren zudem das Wort 'Angst' als Fremdsprachenvokabel erachten, kann ich nicht einmal vor ihrem Mut den Hut ziehen. Allein im Trailer zum fünften Mission: Impossible-Teil lässt sich Tom Cruises' Überagent Ethan Hunt im Angesicht einer gefährlichen Aktion mehr Panik ansehen, als sämtliche Fast & Furious 7-Protagonisten über die gesamte Filmlaufzeit zusammengerechnet. Sie machen ihre irren Sachen nicht, weil sie einen ausgefeilten Plan haben oder gewaltige Cojones in der Hose, sondern weil sie sich, wenn sie sprichwörtlich mit dem Rücken zur Wand stehen, treudoof auf ihr Glück verlassen.
Dass mir Fast & Furious 7 trotzdem besser gefällt als ein fiktiver Comicband über die Gustav-Gans-Klon-Avengers, ist insbesondere der Verdienst von Kurt Russell, der aus dem ihm gebotenen Material wahrlich etwas Sehenswertes macht. Der alte Haudegen bringt nicht nur eine coole, dennoch bodenständige Ausstrahlung mit sich, sondern legt seine Rolle völlig anders an als das restliche Ensemble. Es ist so, als sei er vom Set eines besseren, nicht von Gustav-Grobianen gestützten Actionfilm gewandert und würde einfach nur aus Freude an der Sache mitwirken. Aus seinem Munde klingen die Dialogzeilen, die bei vielen anderen Darstellern wohl unbedeutend wären, wie kollegial gemeinte Seitenhiebe auf das Toretto-Team beziehungsweise die Fast & Furious-Filme: Er trinkt gerne gutes, belgisches Abteibier, mit einem verschmitzten Grinsen gönnt er Toretto aber auch sein wässriges Proleten-Massenprodukt Corona. Wenn sich Russell als ominöser Leiter einer Geheimorganisation darüber auslässt, dass Toretto, O'Conner und Co. eine sehr eigene (soll hier heißen: sehr stupide) Weise haben, Probleme anzupacken, kichert er süffisant und gratuliert ihnen. Als wolle er mit allem, was er sagt und tut, Vin Diesels Rolle mitteilen wollen: "Du stehst auf solche Dummheiten? Na gut, ich will dir nichts einreden, entscheidend ist, dass du Spaß hast, ich halt mich raus. Selbst wenn ich schon Kultivierteres mitgemacht habe ..."
Während Russell hervorragend eingesetzt wird, kommen zwei weitere Pluspunkte dieses Films zu kurz: Sowohl Jason Statham als auch Dwayne Johnson haben recht wenig zu tun, doch wenn sie genutzt werden, lassen sie mich mit schroffem Charisma und ihrem Können in Mann-gegen-Mann-Kämpfen kurzzeitig aus dem 'Berieselungsmodus' zurückkehren und den Film als geneigten Zuschauer verfolgen. Dass Wan und sein Kamera- sowie Schnitt-Team diese Faustkämpfe nicht etwas ruhiger inszenieren, ist zwar schade, dennoch nimmt die Kamera ausreichend Distanz vom Geschehen, um beim zügigen, nicht überhasteten Schnitt Fast & Furious nicht zu einem völlig konfusen Action-Kuddelmuddel abgleiten zu lassen. Die Faustkämpfe sind zudem in ihrer Gesamtheit überzeugender gehalten als viele der Auto-Stunts. Obschon diese laut diverser Hintergrundmaterialien weitestgehend in echt gedreht wurden, sehen sie in meinen Augen nur selten danach aus. Zu oft sorgen die Farbfilter und die computergenerierten Hintergründe für den Eindruck, dass die Szenen komplett digital kreiert wurden. Vor allem eine durchgedrehte Fallschirm-Sequenz und der nicht minder irre Hochhausstunt in Abu Dhabi werden dadurch in ihrer Wirkung gedrosselt, während die im bewaldeten Gebirge Aserbaidschans spielende Verfolgungsjagd dank großem Fokus auf 'gewöhnlicher' Stunt-Fahrerei und übersichtlicher Kameraeinstellugen viel mehr Flair aufweist.
Dank seiner wenigen, aber entscheidenden Pluspunkte hat mich Fast & Furious 7 weder gelangweilt noch genervt, womit er für mich an der franchiseinternen Konkurrenz vorbeidüst. Zwischendurch fand ich ihn sogar ohne die Hilfe von Russell, Johnson und Statham leidlich amüsant. Etwa, wenn Nathalie Emmanuel als aufgeweckte Hackerin die Dynamik der Heldengruppe 'scannt' und mal eben das ganze Figurenensemble als sehr durchschaubar offenbart.
Der raren Ironie zum Trotz bleibt dieses Gustav-Gans-Problem bestehen. Und ich möchte hiermit gar nicht sagen, dass die Fans dieses Films doof sind und sich schämen sollten, weil sie sich durch das Gänseelement nicht gestört fühlen. Aber vielleicht hilft diese Review begeisterten Fast & Furious 7-Zuschauern, zu verstehen, weshalb nicht alle so denken wie sie. Es ist nicht verboten, Gustav zu seinem Glück zu gratulieren. Doch ich schaue lieber Donald zu, wie er sich abmüht.
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2 Kommentare:
Tolles Review - by the way kennst Du ja bestimmt die Don Rosa Geschichte wie Gustav zu seinem Glück und Donald zu seinem Pech kam - selten tat mir Donald so leid wie an diesem Tag!
Ja, großartige Story. Wobei mir Donald oft so leid tut wie in dem Comic.
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