Interessant, wie sich ein Filmjahr nach einigen Monaten wandeln kann: Noch im April war ich überzeugt, dass 2013 ein mieses Kinojahr darstellt. Bis dahin starteten zwar einige gute Filme, der Löwenanteil der Produktionen, die ich bis dahin sah, waren allerdings Enttäuschungen. Bis Ende Dezember mauserte sich 2013 aber zu einem wahrlich umwerfenden Filmjahr. Nach Platz 30 bis 21 möchte ich euch nun Platz 20 bis 11 meiner liebsten Werke dieser zwölf Kinomonate vorstellen:
Platz
20: Das hält kein Jahr...! (Regie: Dan Mazer)
Diese
atypische Romantikkomödie hat eine mich enorm verärgernde Sequenz:
Die obligatorische, idiotische Hochzeitsansprache des peinlichen
besten Freundes des Bräutigams. Hier mit großen Grimassen und viel
zu viel verbalem Fäkalhumor dargeboten von Stephen Merchant alias
Danny. Im Kino musste ich mich durch diesen Monolog durchbeißen. Bis
Danny den Brautjungern sexuelle Avancen macht – und ein Umschnitt
auf die verblüfften jungen Damen folgt, der klar macht, das Dan
Mazer in seiner originellen Brit-Komödie genüsslich mit Klischees
und Genrekonventionen jongliert. Es folgt die mal staubtrockene, mal
spritzige Chronik des ersten Ehejahres zwischen Nat (liebenswert:
Rose Byrne) und Josh (ebenso: Rafe Spall), einem Pärchen, an deren
Beziehung niemand, aber auch gar niemand glaubt. Die Folgen sind
dramatische Momente, in denen ich als geneigter Zuschauer dem Umfeld
des jungen Paars aufgrund dieser alle Probleme erschwerenden
Einstellung an den Hals springen will, süffisante Verballhornungen
sonst so kitschiger Rom-Com-Sequenzen, tragikomische Szenen, in denen
dann plötzlich Nat und Josh die Dummen sind, weil sie an dieser
Beziehung festhalten, und, und, und … Leichtgängig und doch
vielschichtig, mit toll aufgelegten Darstellern (in denkwürdigen
Nebenrollen: Simon Baker, Anna Faris und Minnie Driver) und
großartigen, aus dem Leben gegriffenen, wohlgemerkt wunderbar
überspitzten Kommentaren über Liebesirrungen. Ein herzlicher,
toller und aufgeweckter Filmspaß. Wenn der nervige Einstieg
überwunden ist.
Platz
19: Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll
(Regie: Steven Soderbergh)
Szenen
einer Liebesbeziehung: Der 17-jährige Scott Thorson (Matt Damon)
lernt Mitte der 70er-Jahre den weltberühmten, extravaganten
Pianisten und Entertainer Liberace (Michael Douglas) kennen. Dieser
lädt den aus einfachen Verhältnissen stammenden Scott in seinen
Kreis engster Vertrauter ein und alsbald beginnen sie eine
außergewöhnliche Beziehung. Liberace überhäuft Scott mit
Luxusgütern und liebt ihn über alles, hält ihn jedoch aufgrund
seiner Machtbesessenheit und seiner Angst, öffentlich geoutet zu
werden, an der kurzen Leine. Scott wiederum belastet die Beziehung
mit Drogeneskapaden, glaubt alsbald aber zudem, guten Grund zu haben,
eifersüchtig zu sein … Matt Damon und Michael Douglas begeistern
mit extravaganten Performances, denen dennoch subtile Zwischentöne
innewohnen, das Drehbuch von Richard LaGravanese brilliert mit
komplexen Charakterisierungen und Regisseur Steven Soderbergh
erschafft mit raffiniert eingesetzten, kleinen inszenatorischen
Kniffen ein rundes Bild einer schwierigen Beziehung, bei der beide
Seiten gleichermaßen sympathisch wie makelbehaftet sind.
Platz
18: Unterwegs mit Mum (Regie: Anne Fletcher)
Anne
Fletchers herzensgute Roadmovie-Komödie Unterwegs mit
Mum versprüht mit ihrer unaufgeregten Art, ihren
charismatischen Witzen und ihrer zarten Dosis von
süßlich-melancholischer Dramatik das Flair einer wenig bekannten,
jedoch mit Herzblut gemachten Disney-Produktion, die sich in den
90ern oder frühen 2000ern zu einem gern gesehenen Standardfilm der
sonntagnachmittags laufenden Disney Filmparade
gemausert hat. Klingt wie ein doppelbödiges Kompliment? Aus dem
Munde manch eines Filmkritikers mag dies so sein, aber ich als
passionierter Disney-Liebhaber könnte wahrlich schlimmere Urteile
fällen. Drehbuchautor Dan Fogelman, der für Disney Rapunzel
schrieb und mit Crazy, Stupid, Love. den besten
Touchstone-Film der vergangenen zehn Jahre verfasste, der leider
nicht aus dem Hause Touchstone kam, bleibt seinem Stil treu. Er schuf
eine Story, die Genrekonventionen genau beobachtet, jene erfüllt,
die zu den zentralen Figuren passt und alle anderen sanft verdreht.
Somit liefert diese „Sich von seiner überfürsorglichen Mutter
abschottender Sohn sieht sich gezwungen, mit ihr viel Zeit auf engem
Raum zu verbringen“-Geschichte all dies, was man erwartet, garniert
dies aber mit genügend kleinen Überraschungen, um frisch zu wirken.
Seth Rogen und Barbara Streisand agieren wunderbar zusammen und der
leise, freundliche Witz dieses Films sowie die leicht karikierten,
dennoch gefühlvollen Charakterisierungen der Hauptfiguren machen
Unterwegs mit Mum zu einem idealen Film für den
Sonntagnachmittag. Er stammt zwar nicht aus dem Hause Disney, fühlt
sich aber so an – und versetzt mich beim Anschauen zurück in
frühere Zeiten, in denen ich im elterlichen Wohnzimmer in eine
Wolldecke eingekuschelt auf den Fernseher starrte, um die Disney
Filmparade zu verfolgen. Kurzum: Liebenswürdiges
Feel-Good-Kino, das stilistisch und moralisch den richtigen Nerv bei
mir trifft!
Platz
17: Lincoln (Regie: Steven Spielberg)
Steven
Spielbergs Passionsprojekt setzt dem 16. Präsidenten der Vereinigten
Staaten von Amerika ein ausführliches, filmisches Denkmal, das dank
seiner überraschenden humorvollen Passagen (wer hätte gedacht, dass
Lincoln solch ein Scherzkeks war?) und spannender Charakterbögen
trotz seiner ausgedehnten Länge sehr kurzweilig ist. Daniel
Day-Lewis legt eine seiner größten schauspielerischen Leistungen
hin, Janusz Kamiński hüllt die Geschichte in wunderschöne,
kerzenbeleuchtete Bilder und John Williams komponierte einen
zurückhaltenden, dennoch eingängigen Score, der Spielbergs
Historiendrama stimmig begleitet. Ein kluger, trotzdem unterhaltsamer
und darstellerisch fantastischer Film nahezu ohne Längen.
Platz
16: Rush (Regie: Ron Howard)
Ron
Howard ist ein Regisseur, aus dem ich bislang noch nicht so richtig
schlau geworden bin: Er beherrscht es, Spannung zu erzeugen. Man
denke nur an Kopfgeld oder Apollo 13,
dennoch geraten einige seiner Filme sterbenslangweilig (wie etwa
The Da Vinci Code). Wohl auch deswegen hatte ich
keine guten Erwartungen an Rush, und dies, obwohl
Howard mit Frost/Nixon den Film geschaffen hat,
den ich aus den fünf Oscar-Nominierten aus der Sparte bester Film
2009 am besten finde. Denn das Politjournalismusdrama
Frost/Nixon handelt wenigstens von einem Duell
zweier Menschen, das auf einem mich interessierenden Feld stattfand –
Howard musste da also bloß eine mich reizende Geschichte gelungen
umsetzen. Rush hingegen handelt von den
Formel-eins-Legenden Niki Lauda (Daniel Brühl) und James Hunt (Chris
Hemsworth), und somit von einem Sport, der mir nicht gleichgültiger
sein könnte. Doch Howard, seine großartigen Darsteller, das starke
Drehbuch von Peter Morgan, ein rasanter, dennoch nicht zu
aufdringlicher Score von Hans Zimmer sowie tolle Kameraaufnahmen von
Anthony Dod Mantle verwandelten eine mir unwichtige Sportanekdote in
ein packendes Drama mit zwei sympathischen Charakterschweinen in der
Hauptrolle. Im Zentrum des Films steht nicht die Filmadaption einer
Rennsaison, sondern ein mitreißender Vergleich zweier
Lebensphilosophien. Spannend, lustig, nachdenklich.
Platz
15: Der Schaum der Tage (Regie: Michel Gondry)
Der
französische Kino-Surrealist Michel Gondry kehrt nach der meiner
Ansicht nach von der Kritik zu hart angepackten Superheldenkomödie
The Green Hornet zurück zu einer Thematik, die er
meisterlich beherrscht: Fantasievolle, tragikomische
Liebesgeschichten. Basierend auf dem gleichnamigen Romanklassiker
unterbreitet Gondry hier seinem Publikum eine mit kindlicher Naivität
durchzogene, wundersame Welt voller kurioser Erfindungen, in der sich
der Tüftler Colin (Romain Duris) in die zurückhaltende Chloé
(Audrey Tautou) verliebt. Als sich diese jedoch in den Flitterwochen
mit einer seltenen, lebensbedrohlichen Krankheit ansteckt, droht
Colins heitere, unbeschwerte Welt zusammenzubrechen. Mit
überbordender Gestaltungsfreude umgesetzt, malerischer
Musikuntermalung und betörenden Bildern fabriziert Gondry eine
lustige, verwundernde, berührende Romanze der vollkommen anderen
Art. Wer Gondrys visuellen Stil nicht mag, sollte großen, großen
Abstand nehmen, wer sich auch auf verschrobene Weise verzaubern
lassen will, ist hier dafür genau richtig …
Platz
14: Die fantastische Welt von Oz (Regie: Sam
Raimi)
Es
geht fantasievoll weiter: Sam Raimi entführt in dieser
Effektextravaganza in eine opulente Vision von L. Frank Baums
Zauberreich Oz und schafft, insbesondere in der liebevoll-pompösen
3D-Version, ein überwältigendes Märchenland, das sich redlich
darum bemüht, das Publikum völlig aufzusaugen. Doch der wundervolle
Look und Danny Elfmans grandioser Score sind längst nicht alles,
womit dieser Disney-Blockbuster lockt: Mila Kunis, Michelle Williams
und Rachel Weisz spielen mit ansteckendem Spaß die drei Hexen dieser
Wunderwelt, James Franco macht als kaum belehrbarer Macho mit
Charisma Laune, die Nebenfiguren sind witzig und der Tonfall des
Films berückend verworren: Raimi zeigt hier sowohl Liebe zum Kitsch,
als auch zum schaurigen Unterboden des Oz-Mythos sowie zu Ironie und
Familienmärchen-tauglicher Dramatik. Was eine tonale Katastrophe
hätte ergeben können, ist nicht zuletzt wegen Raimis schmissiger
Inszenierung ein klarer Pluspunkt. Kurzum: Visuell berauschendes,
eigensinniges Popcornkino voller Einfälle. Feine Sache.
Platz
13: Die Tribute von Panem – Catching Fire
(Regie: Francis Lawrence)
So
abwertend einige Kinogänger auch auf Fortsetzungen blicken mögen:
Immer wieder taucht ein Sequel auf, das seinen Vorgänger übertrifft.
Darunter etwa die Jugendbuchadaption Die Tribute von Panem –
Catching Fire, die den durchaus klugen, spannenden aber
zwischendurch sein Potential nicht ausschöpfenden ersten Part in
praktisch allen Belangen aussticht: Auf intelligente Weise schaffen
die Filmemacher eine dystopische Zukunftsvision einer von einem
abscheulichen Regime unterjochten Gesellschaft, die sich kurz vor
einer blutigen Revolution befindet. Einfühlsam schildert Regisseur
Francis Lawrence, welche seelischen Narben die Hauptfiguren durch die
Ereignisse im ersten Film davontrugen, Jennifer Lawrence zeigt anders
als im Vorläufer zahlreiche Emotionen, die Medien- und Politsatire
ist beißend und scharfsinnig und denkwürdigere Nebenfiguren mit
einem guten Sinn für Humor vergrößern bei den unvermeidlichen
Todesspielen die Fallhöhe. Auch wenn die Action übersichtlicher
geraten ist als noch bei Die Tribute von Panem – The
Hunger Games, stellt diese dennoch den weiterhin
schwächsten Part des Films dar, weshalb auch eine clevere Arena mit
spielerisch-genialem Twist diesen Film für mich hauchdünn hinter
Platz 12 zurückfallen lässt …
Platz
12: Iron Man 3 (Regie: Shane Black)
Verliert
Die Tribute von Panem – Catching Fire
ausgerechnet mit dem Beginn der Hungerspiele an Zugkraft, beginnt
Shane Blacks Iron Man 3 mit hohem Tempo als erster
Post-Avengers-Film des Marvel-Universums, wechselt
dann schlagartig den Stil und wird zu einem unverschämt coolen
Pseudo-80er-Actionstreifen mit rauen Figuren in einer urbanen
Umgebung, um dann im packenden Finale beide Herzen, die in dieser
Brust schlagen, zu vereinen. Anders gesagt: Der meiner Ansicht nach
mit Abstand beste Teil der Iron Man-Saga beginnt
schon toll und wird ab dann nur noch besser. Da darf er gern
trivialer als Die Tribute von Panem – Catching Fire
sein, es ist dennoch das launigere, temporeichere und mit stärkerem
''Will ich sofort nochmal sehen!''-Faktor ausgestattete Stück
Blockbusterkino. Robert Downey jr. ist fantastisch aufgelegt, Shane
Black unterläuft den Marvel-Tonfall mit seiner herrlich schroffen
Art und Ben Kingsley gibt den wohl besten Schurken des Kinojahres.
Geschliffene Dialoge, energetische Actionszenen und eine gesunde
Dosis Selbstironie: Was besseres gab es 2013 in Sachen Superhelden
nicht zu sehen!
Platz
11: Die Jagd (Regie: Thomas Vinterberg)
Der
frisch geschiedene, unauffällige Kinderbetreuer Lucas (Mads
Mikkelsen) gibt aus Freundschaft zu seinen eine schwierige Phase in
ihrer Ehe durchmachenden Nachbarn besonders acht auf deren
fünfjährige Tochter Klara (Annika Wedderkopp): Wann immer sich ihre
Eltern streiten, lenkt er sie mit Spaziergängen ab und wenn es ihr
in der Kindertagesstätte einmal schlecht geht, muntert er sie
liebevoll auf. Aufgrund dieser Fürsorge, die sie von ihm erhält,
fängt Klara allmählich an, den gutmütigen Lucas zu bewundern. Doch
als sie ihm beim Spielen einen Kuss auf den Mund gibt, weißt er sie
vehement ab, was Klara zutiefst verärgert. Alsbald löst die
schmollende Klara mit ihren Aussagen eine Hexenjagd aus, die Lucas'
das Leben in seinem Heimatdorf zur Hölle macht … Regisseur Thomas
Vinterberg gelang mit diesem Drama mehr als nur eine beklemmende
Erzählung über die Brisanz eines Pädophilieverdachtfalls, sondern
eine vortreffliche, packende Parabel über die Rasanz, mit der sich
Gerüchte verbreiten und in den Köpfen der Menschen zu Fakten
erhärten. Eine unter die Haut gehende Darstellung Mads Mikkelsens
und makellose Regieführung Vinterbergs lassen das eh wichtige
Filmthema noch länger nachhallen und machen Die Jagd
zu einem unvergesslichen, dramatischen Seherlebnis.
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