Aus ästhetischen Gründen sei nur das englischsprachige Cover abgebildet.
Die Abwärtsspirale dreht sich weiter: War TinkerBell aus dem Jahr 2008 noch erstaunlich magisch und ein Beispiel für ein gelungenes Disney-Heimkinoprojekt, ließ die Fortsetzung TinkerBell - Die Suche nach dem verlorenen Schatz bereits stark nach. Im Gegensatz zum dritten Teil der Feenfilmreihe konnte ich dieses Märchenabenteuer allerdings noch als schmerzlose Kinderunterhaltung abtun. Mit TinkerBell - Ein Sommer voller Abenteuer betreten wir hingegen das Reich der Qualen.
Technisch gibt's ja nicht wirklich etwas zu mäkeln. Die erhoffte Weiterentwicklung des für DTV-Verhältnisse bereits recht hohen Niveaus von Teil 1 bleibt leider aus, wenn man davon absieht, dass die Einstellungen mit Haut im Plastik-Look weiter nachlassen, doch auch zwei Jahre nach der TinkerBell-Premiere kann sich die Feenwelt sehen lassen. Anscheinend geriet man aber unter enormen Zeitdruck bei der Produktion des Films, denn manchmal sieht der Schattenwurf etwas hastig dahingeschleudert aus, so dass manche Figuren in Gruppenszenen viel stärker herausstechen als die um sie herum platzierten.
Außerdem ist mir die Farbsättigung in den sommerlichen Außenszenen zu grell geraten. Über die Dauer von TinkerBell - Ein Sommer voller Abenteuer ist es wahrlich empfehlenswert, die Farbwärme seines Fernsehers herunterzuregeln, möchte man seine volle Sehkraft beibehalten. Ansonsten ist TinkerBell - Ein Sommer voller Abenteuer technisch wirklich voll in Ordnung.
Aber der Inhalt... Die Autoren Bob Hilgenberg und Rob Muir haben Dialoge und Szenen konstruiert, die jegliche Trittsicherheit des Regisseurs Bradley Raymond, der beim Eröffnungsfilm dieser Reihe das Umkippen in Kinder-Fantasykitsch erfolgreich vermied, unterwandern. Man spürt in den stilleren Szenen und Dialogsequenzen, bei denen der Regisseur etwas mehr inszenatorischen Freiraum hatte, dass TinkerBell - Ein Sommer voller Abenteuer durchaus hätte funktionieren können, doch so wie die Geschichte verläuft, mutiert sie zum in Feenstaub gepuderten Zuckertörtchen mit extra Zuckerguss.
Tinkerbell darf zusammen mit ihren Feenfreundinnen ans Festland ins große Feen-Camp (nicht verwandt oder verschwägert mit Camp Rock). Dort geht sie mit ihrer unendlichen Neugier der mürrischen Vidia ganz schnell auf den Keks, weshalb Vidia der naseweisen Glöckchen-Fee (*5 Cent in die Kasse für schlechte Wortspiele werf*) eine Lektion erteilt: Als die beiden ein kleines Häuschen entdecken, verschließt Vidia die Tür um Tinkerbell einen Schrecken einzujagen. Dann aber kommt das kleine Mädchen Lizzy herbeigehüpft, die dieses Haus in der Hoffnung bastelte, eine Fee zu fangen. Die ihren Glauben an Magie bewahrende Lizzy wünscht sich nämlich nichts sehnlicher als genau das. Außer vielleicht die Aufmerksamkeit ihres arbeitsamen Vaters, der ein ambitionierter Naturwissenschaftler ist und sich zuweilen von der kindlichen Naivität seiner Tochter genervt zeigt. Vidia bekommt ein schlechtes Gewissen und startet eine Rettungsaktion, während sich Tinkerbell mit Lizzy anfreundet.
Es ist ja nicht so, als wäre es unmöglich, einen erträglichen Familienfilm auf der Basis dieser Prämisse zu spinnen. Doch wenige Minuten von der Interaktion zwischen Lizzy und Tinkerbell genügen, um von "och, wie süüüüß" in unerträglich umzukippen. Große Hauptschuld tragen die ungelenken Dialoge, die bei mir schnell ein wohl kaum intendiertes Unbehagen auslösten. Die Gespräche zwischen Lizzy und ihrem Vater in der ersten Hälfte klangen weniger nach dem, was in einen Disneyfilm gehört, und ließen mich viel eher an Irrenanstalt-Thriller erinnern. Natürlich habe ich diesen Twist nicht erwartet (das überdimensionale FSK-Logo, das mir auf dem Cover "ab 0" entgegenschrie, nahm mir die letzte Hoffnung), aber man könnte diese Szenen 1:1 nachspielen und daraufhin einen Umschnitt setzen, wie Klein-Lizzy in einer viktorianischen Irrenanstalt unter Strom gesetzt wird, um ihr ihre Verrücktheiten aus den Hirnwendungen zu brutzeln. Und es würde sich kein Stück weit falsch anfühlen. Wäre ja einerseits nicht das erste Mal, dass Disney so etwas bringt, und andererseits wurden diese Dialoge nicht mit der feenhaften Feinfühligkeit geschrieben, die Teil 1 so überraschend gut machte, sondern wie die Exposition eines Psychothrillers oder Horrorfilms runtergerotzt.
Selbstverständlich geht TinkerBell - Ein Sommer voller Abenteuer nicht diese Route. Erwartet ja auch niemand. Obwohl ein DTV der ideale Platz für Disneys erste PG-13-Animation wäre. Da bekommt es nicht jeder mit, und man ist vor den behämmerten Müttern mit Jahresvorrat Mistgabeln im Schlepptau gefeiht. Wenn Pixar dann eines Tages im letzten Akt seines neusten Films die Spannunsgschraube zu stark anzieht und der große Protest losgeht, kann man nonchalant auf die DVD-Premiere hinweisen und hat ein Totschlagargument.
Aber gut. TinkerBell - Ein Sommer voller Abenteuer geht den familienfreundlichen Weg, und darauf lasse ich mich beim Einlegen der DVD auch ein. Doch zwischen "familienfreundlich" und "unausstehlich quietschfidel mit dämlichen Heiteiteidialogen" liegen entscheidende Welten. Allein schon, dass der Vater als totaler Unsympath skizziert wird, weil er nicht mit seiner Tochter spielt da ihm das Leck im Hausdach Kummer bereitet lässt mich die Wand hochgehen. Was sollen Kinder denn bitte aus diesem Film mitnehmen? Eure Eltern sind scheiße, weil sie verhindern, dass ihr in einer Bruchbude lebt?! Über das sämtliche Grenzen sprengende Happy End verliere ich an dieser Stelle erst recht keine Worte...
Was mich den Film über vertröste war wieder einmal Joel McNeely, der fantastische Instrumentalmusik komponierte und TinkerBell - Ein Sommer voller Abenteuer zu einem musikalischen Genuss macht. Was, wie schon in den ersten beiden Filmen, von den grauenhaften Songs zerstört wird. Das wird sich wohl auch bis zum Ende der Reihe nicht mehr ändern.
Sollte sich der sukzessive Qualitätsverlust fortsetzen, so dürfte die TinkerBell-Saga bald den "Cheapquels", die sie ersetzen sollte, ihren Rang ablaufen. Vielleicht aber erholt sich Disneys Feenmärchen wieder, wenn das nächste Mal wieder magische Orte im Zentrum der Handlung stehen. Ich werde jedenfalls erneut reinschauen, und sei es nur McNeely zu Liebe.
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